Die beiden Wendekreise sind besondere Breitenkreise der Erde. Sie sind definiert durch die Orte, an denen die Sonne zur nördlichen oder südlichen Sommersonnenwende am Mittag im Zenit steht. In der Zone zwischen den Wendekreisen, in den (solaren) Tropen, steht die Sonne an jedem Ort zweimal im Jahr im Zenit, außerhalb der Wendekreise niemals.
Die Wendekreise verlaufen parallel und symmetrisch zum Äquator auf geographischen Breiten von 23° 26′ 05″ (23,43472°) Nord und Süd, entsprechend der Schiefe der Ekliptik. Die Wendekreise haben eine Länge von jeweils knapp 36.800 km und einen Abstand von gut 2609 km zum Äquator.
Verschiebung der Wendekreise
Aufgrund von Perturbationen anderer Körper im Sonnensystem ändert sich die Schiefe der Ekliptik langfristig, und damit auch die Lage der Wendekreise.
Momentan bewegen sie sich – abgesehen vom kurzfristigen Taumeln der Erdachse – mit einer mittleren Geschwindigkeit von etwa einer Bogenminute in 128 Jahren auf den Erdäquator zu (siehe Tabelle), das sind etwa 14,4 m pro Jahr.[1] Man geht aber davon aus, dass seit der Entstehung des Mondes die Schiefe alles in allem etwa in der heutigen Größenordnung blieb.[2]
Astronomie
Am Himmel sind die Wendekreise parallele Kreise zum Himmelsäquator. Sie tangieren die den Himmelsäquator schräg schneidende scheinbare Jahresbahn der Sonne (die Ekliptik), die wie der Äquator auch ein Großkreis am Himmel ist. Ihr Winkelabstand vom Himmelsäquator ist ebenfalls ±23°26′05″. Das sind gleichzeitig die Grenzwerte für den sogenannten Deklinationswinkel der Sonne.[3]
Zur Sommersonnenwende dauert der Tag am entsprechenden Wendekreis 13,5 Stunden, während der Wintersonnenwende am gleichen Wendekreis 10,5 Stunden.
Nördlicher Wendekreis
Am nördlichen Wendekreis steht die Sonne zur Zeit der Sommersonnenwende der Nordhalbkugel um den 21. Juni im Zenit.
Der nördliche Wendekreis wird auch „Wendekreis des Krebses“ (lateinisch tropicus cancri, englisch Tropic of Cancer) genannt – im Sinne der tropischen Tierkreiszeichen, die in der späten Antike definiert wurden, als Abgrenzung zu den siderischen Sternzeichen. In der westlichen Astrologie markiert er auch heute den Beginn des Tierkreiszeichens Krebs. Das Sternbild, das die Sonne zur Sonnenwende durchquerte, war bis 15 v. Chr. ebenfalls der Krebs. Weil sich die Äquinoktialpunkte im siderischen Bezugssystem durch die Präzession der Erdachse langsam verschieben, ist dieser Punkt anschließend in das Sternbild Zwillinge gewandert und befindet sich seit 1990 im Sternbild Stier.
Verlauf des nördlichen Wendekreises
Der nördliche Wendekreis durchläuft (vom Nullmeridian ostwärts) die Sahara in den Ländern Algerien, Libyen und Ägypten. Weiter verläuft er durch die Arabische Halbinsel, das Arabische Meer, Indien, Bangladesch, Myanmar, den Süden Chinas und Taiwan. Im Pazifik verläuft er 136 km nördlich der hawaiianischen Insel Kauaʻi. Der Wendekreis durchquert Mexiko, den Golf von Mexiko und den Atlantik, bis er wieder in Afrika und die Sahara-Wüste eintritt.
Völkerrechtliche Relevanz
Der nördliche Wendekreis begrenzt den Wirkungsbereich der NATO auf zur Gebietshoheit von NATO-Bündnispartnern gehörende Inseln im Nordatlantik nach Süden hin.
„Im Sinne des Artikels 5 gilt als bewaffneter Angriff auf eine oder mehrere Parteien jeder bewaffnete Angriff auf […] die Gebietshoheit einer der Parteien unterliegenden Inseln im nordatlantischen Gebiet nördlich des Wendekreises des Krebses.“
Südlicher Wendekreis
Am südlichen Wendekreis steht die Sonne zur Zeit der Sommersonnenwende der Südhalbkugel (in Europa: Wintersonnenwende) um den 21. Dezember im Zenit.
Der südliche Wendekreis wird auch „Wendekreis des Steinbocks“ (lateinisch tropicus capricorni, englisch Tropic of Capricorn) genannt – im Sinne der tropischen Tierkreiszeichen der Antike. Bedingt durch die Präzession steht die Sonne mittlerweile zur Sonnenwende allerdings im Sternbild Schütze.
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Markierung des südlichen Wendekreises am Stuart Highway in Australien
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Markierung des südlichen Wendekreises bei Itaí in Brasilien
Verlauf des südlichen Wendekreises
Der südliche Wendekreis durchläuft (vom Nullmeridian ostwärts) den Süden Afrikas (Namibia, Botswana, Südafrika, Mosambik, Madagaskar), den Indischen Ozean, Australien, den Pazifik, Südamerika (Chile, den nördlichsten Zipfel Argentiniens, Paraguay, Brasilien) und schließlich den Südatlantik.
Staat, Gebiet, Meer | Weiteres |
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Atlantik | |
Namibia | Regionen: Erongo, Khomas, Hardap und Omaheke |
Botswana | Distrikte: Kgalagadi, Kweneng und Central |
Südafrika | Provinz Limpopo |
Mosambik | Provinzen: Gaza und Inhambane |
Indischer Ozean | Straße von Mosambik |
Madagaskar | Provinzen: Toliara und Fianarantsoa |
Indischer Ozean | |
Australien | Western Australia, Northern Territory und Queensland |
Korallenmeer | Durchquert das Cato Reef, in Australiens Coral Sea Islands Territory |
Pazifik | Nördlich der Minerva Reefs (zu Tonga gehörend) und südlich von Tubuai (zu Franz.-Polynesien gehörend) |
Chile | Region Antofagasta |
Argentinien | Provinzen: Jujuy, Salta und Formosa |
Paraguay | Departamentos: Boquerón, Presidente Hayes, Concepción, San Pedro und Amambay |
Brasilien | Bundesstaaten Mato Grosso do Sul, Paraná und São Paulo |
Atlantik |
Länder südlich des südlichen Wendekreises
Zu den Ländern, die gänzlich südlich des Wendekreises des Steinbocks liegen, zählen:
Siehe auch
- Polarkreis
- Wendekreis des Krebses (Roman von Henry Miller)
- Wendekreis des Steinbocks (Roman von Henry Miller)
- Wendekreiswüste
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ Ephemeriden des JPL
- ↑ Gongjie Li, Konstantin Batygin: Pre-LHB Evolution of the Earth’s Obliquity. arxiv:1409.2881
- ↑ Weltkarte mit Längen- und Breitengrad (PDF; 859 kB) ( vom 27. Januar 2018 im Internet Archive)
- ↑ Tropic of Cancer Marker. East Rift Valley Scenic Area, abgerufen am 21. Januar 2018 (englisch).
- ↑ Die frei assoziierten Cookinseln und Niue sowie das zu Neuseeland gehörende Tokelau liegen allerdings nördlich des Wendekreises des Steinbocks.