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Das Gewandhaus zu Leipzig ist ein 1981 eingeweihtes Konzertgebäude am Augustusplatz in der Innenstadt von Leipzig. Zuvor gab es bereits zwei ebenfalls Gewandhaus genannte Vorgängerbauten an anderen Stellen, die als Heimstätten des Gewandhausorchesters dienten, nämlich das erste Gewandhaus von 1781 in der Altstadt und das zweite Gewandhaus von 1884 im Musikviertel.
Darüber hinaus ist das Gewandhaus zu Leipzig einer der kulturellen Eigenbetriebe der Stadt Leipzig, zu dem neben dem Konzerthaus und Orchester auch der Gewandhausorganist, der GewandhausChor sowie der GewandhausKinderchor gehören. Außerdem existieren verschiedene Kammermusikensembles wie beispielsweise das Gewandhaus-Quartett, das Gewandhaus-Bläserquintett und Gewandhaus Brass Quintett. Seit 1998 steht das Gewandhaus unter der Intendanz von Gewandhausdirektor Andreas Schulz.[1]
Erstes Gewandhaus (1781)
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1743 fanden sich in Leipzig 16 Kaufleute zusammen, um den Konzertverein Großes Concert zu gründen. Er bestand zunächst aus 16 Musikern. Das erste Konzert fand am 11. März 1743 statt. Ab 1744 fanden die Konzerte im Gasthaus „Drey Schwanen“ am Brühl statt.[2][3]
Das zweiflügelige erste Gewandhaus mit L-förmigem Grundriss wurde 1498 in der Leipziger Altstadt im Eck von Gewandgäßchen und Universitätsstraße als Zeughaus errichtet. Der Zeughausflügel entlang der Universitätsstraße erstreckte sich bis zur Ecke an der Kupfergasse, wo die Giebelseite dieses Gebäudeteils lag. Im Zeughausflügel lagerten die Waffen der Stadt im Erdgeschoß. Im 1. Stock residierten die Tuchhändler; von 1711 bis 1755 war hierin die Ratsbibliothek untergebracht. Infolge der Nutzung dieses Stockwerks als Messehaus (Warenhaus) der Tuch- und Wollwarenhändler wurde das ganze Gebäude bald Gewandhaus genannt. Der 2. und 3. Stock beherbergten eine Tuchmarkthalle, bis 1780–1781 im Auftrag der Stadt ein Konzertsaal nach einem Plan von Johann Carl Friedrich Dauthe in diese Halle eingebaut wurde.
Der Bibliotheksflügel befand sich auf der Südseite des Gewandgäßchens und erstreckte sich über dessen gesamte Länge zwischen Neumarkt und Universitätsstraße.[4] In diesem Gebäudeflügel befanden sich die Leipziger Kupferwaage sowie in der 1. Etage ab 1755 die Ratsbibliothek.
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Auf der Südseite des quaderförmigen Konzertsaales befand sich das etwa 63 m² große Orchesterpodium. Das Publikum saß auf längs zum Podium ausgerichteten, gegenüberliegenden Sitzreihen, an der Saalrückseite waren die Reihen quer ausgerichtet. Zusammen mit Stehplätzen sowie der im 3. Stock liegenden Galerieebene bot der Saal bis zu 500 Zuhörern Platz. Hinter dem Orchesterpodium gab es eine Tür, durch die der Durchgang in den in der Gebäudeecke Universitätsstraße/Kupfergasse untergebrachten Ballsaal möglich war. Durch den Einbau des Konzertsaales in die größere Tuchhalle, die beinahe ausschließliche Verwendung von Holz und die Konstruktion auf Holzstützen über dem ehemaligen Tuchboden, so dass ein Resonanzraum um den Saal entstand, kam eine sehr gute Akustik mit relativ kurzer Nachhallzeit zustande.
In diesem Konzertsaal erklang erstmals am 25. November 1781 ein Konzert des auf das Jahr 1743 zurückgehenden Orchesters Das neue Konzert, welches aufgrund des Umzugs in den neuen Saal im Messehaus der Tuchwarenhändler den Namen „Gewandhausorchester“ erhielt.[2]
Das Deckengemälde stammte von Adam Friedrich Oeser, es fiel 1833 Renovierungsarbeiten zum Opfer. Da diese Renovierung in der Öffentlichkeit zum Skandal führte – unter anderem wurde der Konzertsaal als „Teufelsküche“ bewertet – erhielt 1834 der Dresdner Maler und Architekt Woldemar Hermann den Auftrag zur Neudekoration des Konzertsaals.[5] 1842 und 1872 wurde der Konzertsaal erneut renoviert und umgebaut. Nach dem Umbau 1842 konnte der Saal 1000 Personen aufnehmen.
Die Stirnseite des Saales schmückte ein abgewandeltes Zitat Senecas, das zum Leitspruch des Orchesters werden sollte: Res severa (est)[6] verum gaudium (bei Seneca verum gaudium res severa est – „Wahre Freude ist eine ernste Sache“[7]).
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Das ursprüngliche Gewandhaus erlebte zahlreiche Uraufführungen bedeutender Werke der klassischen Musik, die heute zum Standardrepertoire des weltweiten Konzertbetriebs gehören. Einer der bedeutenden Kapellmeister des Gewandhausorchesters war Felix Mendelssohn Bartholdy. Dieser gründete 1843 auch das Conservatorium der Musik, das sich im Hof des Gewandhauskomplexes befand.
Nach 1884 wurde das Haus Altes Gewandhaus genannt und bis 1886 noch gelegentlich für Konzerte verwendet. Das Gebäude wurde 1893–1896 teilweise abgebrochen, umgebaut und in den Gebäudekomplex Städtisches Kaufhaus einbezogen, wo heute noch eine Gedenkplakette im zweiten Obergeschoss des historischen Treppenhauses an den früheren Eingang zum Gewandhauskonzertsaal erinnert.
- Gebäudeteile, Grundriss und heutiger Standort
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Zeughausflügel des Alten Gewandhauses an der Universitätsstraße, Ecke Kupfergasse (vor 1893)
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Grundriss in Höhe des Konzertsaales, unten der Zeughausflügel, rechts der Bibliotheksflügel
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Bibliotheksflügel des Gewandhauses am Gewandgäßchen, Ecke Neumarkt (vor 1866)
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Abbruch des den Konzertsaal enthaltenden Flügels in der Universitätsstraße (1895)
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Heutige Situation: Städtisches Kaufhaus in der Universitätsstraße, Ecke Kupfergasse (2015)
Zweites Gewandhaus (1884)
Geschichte
Die damaligen Gewandhausverantwortlichen wollten diesen neuen Konzertsaal mitten im Stadtzentrum errichten, doch die Stadtverwaltung spekulierte darauf, dass ein Bau des Saales am Innenstadtrand die Entstehung eines sich daran anschließenden Musikerviertels beflügeln werde.[8] Für den Bau wurden damals Stiftungsanteile über 500 Mark ausgegeben.[9] Der Stifter erhielt bis zur Eröffnung des Gewandhauses 4 % Verzinsung, danach für unbeschränkte Dauer das Anrecht auf das Abonnement eines Sperrsitzes.
Am 11. Dezember 1884 wurde im Musikviertel südwestlich der Altstadt (Grassistraße/Beethovenstraße) ein Neues Concerthaus eröffnet, das bezugnehmend auf das ursprüngliche Gewandhaus auch häufig als Neues Gewandhaus bezeichnet wurde. Das Gebäude wurde 1882–1884 nach Plänen von Martin Gropius (1824–1880) durch Heino Schmieden erbaut; der Bau wurde durch einen Kredit aus dem Nachlass von Franz Dominic Grassi finanziert. Das Konzerthaus enthielt einen großen Saal mit 1700 Plätzen und einen Kammermusiksaal mit 650 Plätzen. Der Leitspruch des Orchesters fand am Giebel des Eingangsportales Platz. Den bauplastischen Schmuck schuf der Berliner Bildhauer Otto Lessing.
Das zweite Gewandhaus war architektonisches Vorbild der 1900 errichteten Symphony Hall in Boston, Heimstätte des Boston Symphony Orchestra, die sich auch beim Konzertsaal an der als akustisches Vorbild geltenden „Schuhkarton“-Form orientierte.
Im November 1936 vernichteten die Nationalsozialisten bei Nacht und Nebel das vor dem Konzerthaus stehende Mendelssohn-Denkmal des Bildhauers Werner Stein (hergestellt von Hermann Heinrich Howaldt, 1892 enthüllt). 2008 wurde eine originalgetreue Replik dieses Denkmals vor dem Westportal der Thomaskirche Leipzig aufgestellt.
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Stiftungsanteil
über 500 Mark von 1884 -
Neues Gewandhaus mit Mendelssohn-Denkmal (1911)
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Grundriss, links auf Logenhöhe, rechts auf Saalhöhe
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Großer Saal mit der Walcker-Orgel (um 1900)
Walcker-Orgel
Für den großen Saal des 1884 errichteten Neuen Concerthauses baute die Orgelbaufirma E. F. Walcker & Cie. (Ludwigsburg) eine große Konzertorgel.[10] Das Orgelgehäuse bildete mit der Architektur des Konzertsaals eine Einheit, es wurde nach einem Entwurf von Martin Gropius angefertigt. Das Instrument konnte als Opus 432 wenige Tage vor der Eröffnung des Neuen Gewandhauses übergeben werden.
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- Koppeln
- Normalkoppeln: II/I, III/I, III/II, I/Pedal, II/Pedal, III/Pedal
- Spielhilfen: Kombinationstritte für Tutti, Fortissimo, Forte, Mezzoforte, Piano und Pianissimo, Tritte für Fortepedal- und Pianopedal-Abteilung, Kombinations-Prolongement, Registercrescendo- und Decrescendo-Vorrichtung, Schwellwerktritt für III. Manual, Tremolozug für Oboë 8′ (II. Manual)
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Beschädigungen im Zweiten Weltkrieg und Ausweichspielstätte
Im Zweiten Weltkrieg wurde das Konzerthaus bei den Luftangriffen auf Leipzig am 4. Dezember 1943 und 20. Februar 1944 schwer beschädigt und brannte mitsamt der Walcker-Orgel aus.[11] Zunächst war nach dem Krieg geplant, es wiederaufzubauen. Es wurde deshalb bautechnisch gesichert und mit einem Notdach versehen. Von 1947 bis 1967 stand vor der Ruine in Erinnerung an das vernichtete Mendelssohn-Denkmal eine von Walter Arnold geschaffene Porträtstele des Komponisten, die sich heute am Mendelssohn-Ufer befindet. Letztlich wurde aber entschieden, das Gebäude abzubrechen und einen Neubau an anderer Stelle zu errichten. Ab dem 29. März 1968 wurde die Ruine des Konzerthauses abgebrochen.
Nach der Zerstörung des zweiten Gewandhauses musste sich das Gewandhausorchester eine neue Bleibe suchen. Nachdem das Orchester 1944 bis 1946 im Kino Capitol gespielt hatte, fanden die Gewandhauskonzerte von 1947 bis 1981 in der Kongreßhalle am Zoo statt. Auch in der als Provisorium genutzten Kongreßhalle entschloss sich die Stadtverwaltung 1946, eine zweimanualige Orgel mit 32 Registern von der Firma Jehmlich Orgelbau Dresden einbauen zu lassen. Infolge starker Verschmutzungen durch die verschiedenen Arten der Saalnutzung und technischer Mängel (die Orgel entstand kurz nach Kriegsende aus minderwertigem Material) wurde die Jehmlich-Orgel insgesamt nur zu fünf Konzerten eingesetzt. Am 30. Oktober 1980 erklang sie zum letzten Mal bei einem Anrechtskonzert des Gewandhauses.[12]
Nach langen Jahren der Nutzung des Geländes des 1968 abgerissenen zweiten Gewandhauses als Parkplatz wurde 2002 an dieser Stelle das Geisteswissenschaftliche Zentrum der Universität Leipzig eröffnet.
Drittes Gewandhaus (1981)
Geschichte
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Am 8. November 1977 wurde der Grundstein für ein neues Gewandhaus in der Stadtmitte am Karl-Marx-Platz (heute wieder Augustusplatz) gelegt, gegenüber dem Leipziger Opernhaus am ehemaligen Standort des Museums der bildenden Künste. Das Gewandhaus war der erste und einzige Neubau einer reinen Konzerthalle in der DDR – andere Großprojekte in der DDR wurden hingegen als Multifunktionsbauten geplant (meist als „Kulturhaus“, „Kulturpalast“ oder „Stadthalle“). Von Anfang an war auch der Einbau einer großen Konzertorgel vorgesehen.[13] Die Zustimmung des Staatsapparates zu einem Gewandhausneubau wird vor allem dem großen Einsatz des damaligen Gewandhauskapellmeisters Kurt Masur zugeschrieben.
Entwurf und Projekt für das 1981 fertiggestellte Neue Gewandhaus stammen von Chefarchitekt Rudolf Skoda mit Eberhard Göschel, Volker Sieg und Winfried Sziegoleit, basierend auf der von Horst Siegel gemeinsam mit Rudolf Skoda erarbeiteten städtebaulich-architektonischen Konzeption (1975/76). Die westdeutsche Fachzeitschrift Bauwelt lobte den Entwurf mit seinem Formenreichtum als außerordentlich für die DDR, „in der man – angesichts der tristen Einförmigkeit des Serienbaues aus Allerwelts-Montageteilen die Architektur schon fast vergessen geglaubt hat“.[14] Oberbauleiter bei diesem außergewöhnlichen Projekt war der Leipziger Bauingenieur Peter Kunze.
Sighard Gille schuf 1980–1981 für die Foyers das 714 m² große und 31,80 m hohe Deckengemälde Gesang vom Leben. Es ist das größte Deckengemälde Europas. Unsichtbar für Besucher, weil übermalt und verschalt, befindet sich hier auch ein unvollendeter Wandfries des Malers Wolfgang Peuker.
Der Große Saal mit 1900 Plätzen besitzt eine ausgezeichnete Akustik, für die die Akustiker Wolfgang Fasold, Helgo Winkler, Hans-Peter Tennhardt und Eberhard Küstner verantwortlich zeichneten. Während des Baus wurde der Saal mehrere Male mit Soldaten der NVA besetzt, um die Akustik bei voller Auslastung zu testen. Der Orchesterleitspruch Res severa verum gaudium ist auch in diesem Haus präsent: Er befindet sich im Konzertsaal über dem Spielschrank der Schuke-Orgel. Ein dem normalen Konzertbesucher verborgen bleibender Ort dieses Leitspruchs befindet sich im Treppenaufgang des Dienstbereiches – dort verweist der erste Halbsatz Res severa (ernste Sache) auf den Eingang zu den Musiker- und Chorgarderoben und zur Bühne, der zweite Teil des Spruches Verum Gaudium (wahre Freude) hingegen auf die Kantine des Gewandhauses.
Das Eröffnungskonzert unter der Leitung des damaligen Gewandhauskapellmeisters Kurt Masur fand am 8. Oktober 1981 statt. Auf dem Programm standen Siegfried Thieles Gesänge an die Sonne und Ludwig van Beethovens Sinfonie Nr. 9. Tags zuvor, am Tag der Republik, fand ein Sonderkonzert unter der Leitung von Kurt Masur für alle am Bau des Gewandhauses Beteiligten statt.
Im Herbst 1989 kam dem Gewandhaus politische Bedeutung zu. Kurt Masur öffnete das Haus für die sogenannten „Gewandhausgespräche“, öffentliche Diskussionsrunden, in denen über die Reformen und die Zukunft der DDR debattiert wurde. Damit wurde das Gewandhaus zu einer Plattform für die politische Opposition der DDR.[15]
Der Kleine Saal mit 498 Plätzen und sechseckigem Grundriss wurde 1997 ebenfalls von Rudolf Skoda zum Mendelssohn-Saal umgebaut; er wird vor allem für Kammermusik genutzt. Mit dem Umbau erfolgte eine akustische Optimierung und Umgestaltung, auch, um ihn für Sprachdarbietungen gut nutzen zu können. Es kamen geänderte Resonatoren und Absorber zum Einbau. Die Nachhallzeit im Tieftonbereich wurde dabei deutlich reduziert. Im mittleren Frequenzbereich sank sie geringfügig gegenüber dem Zustand von 1981 ab und lag 1998 nun zwischen 1,8 Sekunden im halbbesetzten und 2 Sekunden im leeren Saal. Die Nachhallzeit in Abhängigkeit von der Frequenz entspricht nun deutlich besser der des Großen Saales.[16]
2001 entwarf Peter Kulka den MDR-Kubus, der über eine Brücke direkt mit dem Gewandhaus verbunden ist.
Bis zur Spielzeit 2014/2015 trat das Gewandhaus mit den zwei parallel geführten Marken „Gewandhaus zu Leipzig“ und „Gewandhausorchester“ auf. Dies wurde jedoch im Zuge eines umfassenden Corporate-Identity-Wechsels abgeschafft, so dass Gewandhaus und Gewandhausorchester jetzt unter dem einheitlichen Namen „Gewandhausorchester“ auftreten. Das „Gewandhaus zu Leipzig“ besitzt damit kein eigenes Hauslogo mehr.
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Logo des Gewandhauses zu Leipzig bis 2015
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Logo des Gewandhaus-Orchesters bis 2015
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Gemeinsames Logo seit 2015
2023 wurde auf Initiative von Gewandhausdirektor Andreas Schulz die Stiftung Zukunft Gewandhaus zu Leipzig ins Leben gerufen. Sie wurde am 2. November 2023 gegründet und am 7. Dezember 2023 von der Stiftungsbehörde der Landesdirektion Sachsen als rechtsfähig anerkannt. Die Förderstiftung bürgerlichen Rechts mit Sitz in Leipzig soll als zeitgemäße Komplettierung und als langfristig tragende Säule der Finanzarchitektur des Gewandhauses die Zukunft des Konzerthauses und seines Orchesters sowie deren stetige Weiterentwicklung sichern. Der satzungsmäßige Zweck der Stiftung ist die Förderung von Kunst und Kultur, insbesondere Musik, des internationalen und nationalen kulturellen Austauschs sowie die Förderung der musikalischen Bildung, Erziehung und Musikvermittlung für alle Alters- und Zielgruppen, die Förderung der Wissenschaft und Forschung und die Förderung mildtätiger Zwecke.[17]
Orgeln
Schuke-Orgel
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Im ab 1977 erbauten Neuen Gewandhaus schuf die Orgelbaufirma VEB Potsdamer Schuke Orgelbau 1981 mit ihrem Opus 499 eine Konzertorgel mit anfangs 89 Registern und 6638 Pfeifen auf vier Manualen und Pedal. Diese war damals der größte Orgelneubau in der DDR und auch das bis dahin größte Werk der Fa. Schuke.[18] Das Schleifladen-Instrument verfügt seit einer Erweiterung 2008 über 91 Register mit 6.845 Pfeifen. Es ist mit mechanischen (fester Spieltisch) und elektrischen (fahrbarer Spieltisch) Spieltrakturen sowie elektrischen Registertrakturen ausgestattet.
Das Schwellwerk befindet sich über dem Spielschrank, das Oberwerk über dem Schwellwerk. Das Hauptwerk steht auf der linken Seite, das Positiv und das Pedalwerk auf der rechten Seite. Das Pedalwerk ist in Groß- und Kleinpedal unterteilt, letzteres befindet sich im Prospekt zwischen Groß-Pedal und Oberwerk. Das Positiv mit seinem 4′-Prinzipal im Prospekt steht unter dem Klein-Pedal. Da die größte Prospektpfeife, das Subkontra E (20,6 Hz) des Principal 32′, mit ihrer klingenden Länge von ca. 7,50 m und einer Gesamtlänge von ca. 9,6 m bereits bis knapp unter die Decke reicht, wurden die Pfeifen für die tiefsten Töne C – Dis als gedackte (oben geschlossene) Pfeifen, die mit der halben Länge einer offenen Pfeife auskommen, gebaut. Diese stehen baumstammdick hinter dem Prospekt im Pedalturm. Die Disposition erlaubt die Wiedergabe von Musik verschiedener Stilepochen. Eine Besonderheit ist das Trompetenwerk, dessen Zungenpfeifen horizontal über dem Spielschrank in den Raum hineinragen. Solche Horizontaltrompeten nennt man aufgrund ihrer Herkunft Spanische Trompeten.[19]
Die Orgel ist über 15 m breit, und etwa 11 m hoch.[18] Das Gehäuse besteht aus Sibirischer Lärche.[13]
1987 erhielt die Orgel ihren bereits 1977 konzipierten Endausbauzustand. Die Orgelbaufirma Otto Heuss in Lich entwickelte dazu einen zweiten, mobilen Spieltisch. Er kann an beliebiger Stelle auf dem Orchesterpodium positioniert werden und schickt seine Signale – erstmals im Orgelbau – digital über einen Lichtwellenleiter.[20] Diese Lichtleiterkabel wurden von der NASA für Weltraumzwecke entwickelt und durften deshalb normalerweise nicht in die DDR exportiert werden. Der damalige Bundeswirtschaftsminister Bangemann, ein Freund des Gewandhauses, erwirkte jedoch für den Einsatz in einer Orgel eine Ausnahmegenehmigung.[21]
2008 unterzog Fa. Schuke die Orgel einer Generalreinigung. In diesem Zusammenhang wurden die Elektrik erneuert, zwei zusätzliche Register eingebaut und die Elektronik auf ein computergestütztes Steuerungssystem umgestellt.[22] Das Unternehmen Vogtländischer Orgelbau Thomas Wolf lieferte die Holzpfeifen für den Untersatz 32' (= Register Nr. 72).[23]
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- Koppeln
- Normalkoppeln: II/I, III/I, IV/I, I/II, III/II, IV/II, I/III, IV/III, I/P, II/P, III/P, IV/P
- diverse Sub- und Superoktavkoppeln
- Trompetenwerk an I, II, III, P
- Spielhilfen: 10.000-fache elektronische Setzerkombination, Setzeranlage, Registercrescendo
Wegscheider-Orgel
2018 erhielt das Gewandhaus eine transportable Saalorgel der Dresdner Orgelbaufirma Wegscheider. Sie besteht aus zwei Teilorgeln, einer Kleinorgel und einer Truhenorgel, die separat oder zusammen gespielt werden können und insgesamt 13 Register enthalten. Dieses Orgelwerk ist auch im Mendelssohnsaal einsetzbar.[13]
Trivia
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Anlässlich der Eröffnung des Neubaus gründeten die Erbauer des Gewandhauses 1981 eine Vereinigung von Handwerkern, die Gewandhausgesellen Leipzig. Aufgenommen wurden Maurer, Zimmerleute, Dachdecker, Stuckateure, Betonbauer, Steinmetze, Tischler und Gerüstbauer, deren Zunftzeichen auf ihrem Vereinstuch, dem sogenannten Charlottenburger, dargestellt sind. Nicht nur Gesellen, auch Meister, Poliere und Bauingenieure gehören dazu. Ihr Erkennungszeichen ist eine kleine, runde, grüne Anstecknadel am linken Hemdkragen, auf der das Zunftzeichen der Betonbauer dargestellt ist.[24] 2016 konnten die Gewandhausgesellen Leipzig ihr 35-jähriges Jubiläum begehen.[25]
Gewandhauskapellmeister
siehe Liste von Dirigenten am Gewandhaus
Uraufführungen
- Im ersten Gewandhaus
- Ludwig van Beethoven: Klavierkonzert Nr. 5 (1811)
- Franz Schubert: Große Sinfonie in C-Dur (21. März 1839)
- Robert Schumann: Sinfonie Nr. 1 „Frühlingssinfonie“ op. 38 (31. März 1841)
- Robert Schumann: Sinfonie Nr. 4 op. 120 (1. Fassung, 1841)
- Felix Mendelssohn Bartholdy: Sinfonie Nr. 3 „Schottische“ (3. März 1842)
- Felix Mendelssohn Bartholdy: Violinkonzert e-Moll op. 64 (13. März 1845)
- Robert Schumann: Sinfonie Nr. 2 op. 61 (5. November 1846)
- Richard Wagner: Vorspiel zu Die Meistersinger von Nürnberg (2. Juni 1862)
- Johannes Brahms: Ein deutsches Requiem (Uraufführung des vollständigen Werkes am 18. Februar 1869)
- Johannes Brahms: Violinkonzert D-Dur op. 77 (1. Januar 1879)
- Im zweiten Gewandhaus
- Max Reger: Violinkonzert A-Dur op. 101 (18. Oktober 1908)
- Max Reger: Klavierkonzert f-Moll op. 114 (15. Dezember 1910)
- Antonín Dvořák: Cellokonzert A-Dur (komplettiert von Günter Raphael, 24. Oktober 1929)
- Im dritten Gewandhaus
- Alfred Schnittke: Sinfonie Nr. 3 (5. November 1981)
- Siegfried Matthus: Neun sinfonische Intermezzi zu Schillers Ode an die Freude (9. November 2009)
- Krzysztof Penderecki: 2. Violinkonzert „Metamorphosen“ (24. Juni 1995)
- Gediminas Gelgotas: Sinfonie Nr. 1 Extracultural (17. Januar 2015)
- Wilhelm Petersen: Violinkonzert d- moll op. posth. 4 von 1945 (geplant am 23. März 2025)[26]
Tonträger
LP „Die Schukeorgel im Neuen Gewandhaus zu Leipzig“, Eterna 8 27 814, Aufnahmen mit Matthias Eisenberg von 1983
Literatur
- Günter Meißner: Architektur und Bildkunst des Neuen Gewandhauses zu Leipzig. In: Bildende Kunst, Berlin, 4/1982, S. 164–167
- Cornelius Gurlitt: Gewandhaus. In: Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler des Königreichs Sachsen. 18. Heft: Stadt Leipzig (II. Theil). C. C. Meinhold, Dresden 1896, S. 346.
- Rudolf Skoda: Die Leipziger Gewandhausbauten. Konzertgebäude im internationalen Vergleich. Verlag für Bauwesen, Berlin 2001, ISBN 3-345-00781-9 (erweiterte Neuausgabe von: Rudolf Skoda: Neues Gewandhaus Leipzig. Verlag für Bauwesen, Berlin 1985).
- Steffen Lieberwirth: Die Gewandhaus-Orgeln. (Bilder aus Leipzigs Musikleben), Edition Peters, Leipzig 1986, ISBN 3-369-00220-5.
- Christoph Kaufmann: Von einem Abriss wird abgeraten. Das Gewandhaus zu Leipzig zwischen 1944 und 1968. Hrsg. vom Leipziger Geschichtsverein. Sax-Verlag, Beucha 1996, ISBN 3-930076-41-1.
- Das Neue Gewandhaus. Wie es seinen Ort fand und seine Gestalt bekam. In: Bauen in Leipzig 1945–1990. Leipzig 2003, ISBN 3-89819-159-1, S. 211–215.
- Alberto Schwarz: Das Alte Leipzig – Stadtbild und Architektur, Beucha 2018, S. 149 ff., ISBN 978-3-86729-226-9.
Weblinks
- Publikationen zum Gewandhaus (Bauwerk) im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Publikationen zum Neuen Gewandhaus (Bauwerk) im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Suche nach Gewandhaus Leipzig. In: Deutsche Digitale Bibliothek
- Suche nach Gewandhaus Leipzig im Online-Katalog der Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz (Achtung: Die Datenbasis hat sich geändert; bitte Ergebnis überprüfen und
SBB=1
setzen) - MDR: Stichwort Gewandhausorchester Leipzig ( vom 31. Januar 2009 im Internet Archive)
- MDR: Gewandhaus Nummer drei: Zur Geschichte des Konzerthauses ( vom 31. Januar 2009 im Internet Archive)
Einzelnachweise
- ↑ Interview mit Andreas Schulz ( vom 5. November 2013 im Internet Archive) (PDF; 291 kB)
- ↑ a b Aus der Geschichte des Gewandhausorchesters. In: gewandhaus.de. Archiviert vom am 7. September 2009 .
- ↑ Das neue Leipziger Gewandhaus, aus Seite 019 in Die Gartenlaube, 1885
- ↑ Das erste Gewandhaus (Gewandgäßchen). Abgerufen am 16. Februar 2025.
- ↑ Woldemar Hermann, Eckhart Schleinitz (Hrsg.), Michael Schleinitz (Hrsg.): Tagebuch meines Wirkungskreises in der Architektur. Hermanns Bautagebuch von 1826 bis 1847. Verlag Notschriften, Radebeul 2006, ISBN 978-3-933753-88-5, S. 40 f.
- ↑ Im Saal des ersten Gewandhauses war das „est“ noch eingefügt, bei den späteren Bauten nicht.
- ↑ Seneca: Epistulae Morales – Epistula 23 – Übersetzung. In: lateinheft.de.
- ↑ Geschichte. Abgerufen am 27. Januar 2020.
- ↑ Manfred Denecke: Deutsche Wirtschafts- und Finanzgeschichte. HP-Verlag AG, Bern 1994, ISBN 3-9520775-0-X, S. 148 ff.
- ↑ Lieberwirth: Die Gewandhaus-Orgeln. S. 29–31
- ↑ 01 Gewandhausorchester – RundfunkSchätze. Abgerufen am 20. Februar 2025.
- ↑ Lieberwirth: Die Gewandhaus-Orgeln. S. 62
- ↑ a b c Orgel | Gewandhaus Leipzig. Abgerufen am 17. Februar 2025 (englisch).
- ↑ Bauwelt, Nr. 16/17, 1982, S. 690. Zitiert nach Hermann Heckmann: Architekturtendenzen in beiden Teilen Deutschlands von 1945 bis 1980. In: Kultur im geteilten Deutschland. Duncker & Humblot, Berlin 1984, S. 83–108, auf S. 106.
- ↑ Porträt Kurt Masur: KlassikInfo.de. In: klassikinfo.de. Archiviert vom am 18. September 2009 .
- ↑ Hans-Peter Tennhardt: Der Mendelssohnsaal im Gewandhaus zu Leipzig – Nachhallzeitbeeinflussung bei tiefen Frequenzen. (PDF) Institut für Erhaltung und Modernisierung von Bauwerken (IEMB) e.V. an der TU Berlin, Salzufer 14, D-10587 Berlin, abgerufen am 10. Februar 2025.
- ↑ Stiftung Zukunft Gewandhaus zu Leipzig. Abgerufen am 11. Juni 2024.
- ↑ a b Plattenhülle der LP: „Die Schukeorgel im Neuen Gewandhaus zu Leipzig“, Eterna 8 27 814, Aufnahme von 1983
- ↑ Informationen zur Disposition ( vom 8. Dezember 2015 im Internet Archive) (PDF-Datei).
- ↑ Lieberwirth: Die Gewandhaus-Orgeln. S. 116 ff.
- ↑ deutschlandfunk.de: DDR-Musikgeschichte – Die Orgel als Teil einer „Arbeiterkultur“. 14. Oktober 2019, abgerufen am 6. Februar 2025.
- ↑ Zur Sanierung 2008
- ↑ Referenzen - Vogtländischer Orgelbau Thomas Wolf. Abgerufen am 23. Oktober 2024.
- ↑ Gewandhausgesellen Leipzig. In: Vereinigungen & Bruderschaften. Vereinigungen neben den traditionellen Zünften. Abgerufen am 29. November 2023.
- ↑ 35 Jahre Gewandhausgesellen Leipzig am 11.06.2016. Abgerufen am 29. November 2023.
- ↑ Mitteldeutscher Rundfunk: Konzertvorschau. Abgerufen am 23. Januar 2025.
Koordinaten: 51° 20′ 16″ N, 12° 22′ 50″ O
- Veranstaltungsstätte in Leipzig
- Konzerthaus in Deutschland
- Gegründet 1781
- Musikorganisation (Leipzig)
- Zeughaus
- Disposition einer Orgel
- Geschäftshaus in Leipzig
- Umgenutztes Bauwerk in Leipzig
- Architektur (DDR)
- Bauwerk von Heino Schmieden
- Bauwerk von Martin Gropius
- Bauwerk der Moderne in Leipzig
- Erbaut in den 1980er Jahren
- Kommunales Unternehmen (Deutschland)
- Öffentliches Unternehmen (Leipzig)
- Musikunternehmen (Deutschland)
- Spielstätte für Musik (Sachsen)