Dieser Artikel behandelt den bis zum 13. Jahrhundert existierenden Stammesverband, dessen Sprache bis zum 16. Jahrhundert ausstarb. Für die gleichnamigen, seit dem 15. Jahrhundert aus Kurland an die litauische und preußische Küste siedelnden lettischsprachigen, bis zum Zweiten Weltkrieg auf der Kurischen Nehrung und nördlicher lebenden Neukuren, siehe Nehrungskuren.
Dieser Artikel behandelt den baltischen Volksstamm der Kuren, für den gleichnamigen militärischen Kosakenverband siehe Kurin.
Ungefähre Siedlungsgebiete der baltischen Stämme um 1200; westbaltische Stammesverbände in Grüntönen, ostbaltische in Brauntönen, das Gebiet der Kuren im Nordwesten gelegen.
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Die Kuren (lettischkurši, kūri, litauischkuršiai) waren ein baltischerStammesverband in der nach benannten Region Kurland im Westen des heutigen Lettlands, in westlichen, küstennahen Gebieten Litauens und zeitweilig am Nordrand des späteren Ostpreußens. Sie werden in historischen Quellen des 9. bis 13. Jahrhunderts als heidnischer Stammesverband beschrieben, die unter anderem als Seefahrer und Seeräuber bis nach Gotland, Öland und zu den dänischen Inseln aktiv waren. Gegen die Eroberungen des Schwertbrüderordens leisteten sie mit anderen baltischen Stammesverbänden 1210 bis nach 1236 bewaffneten Widerstand. Nach ihrer Unterwerfung durch den zu Hilfe gekommenen Deutschen Orden, der den geschwächten Schwertbrüderorden als Livländischen Orden inkorporierte, folgte 1260–67 folgte ein großer kurischer Aufstand nach dessen sehr gewaltsamer Niederschlagung der kurische Stammesverband aufhörte zu existieren. Südlichere Gruppen abseits der Küste schlossen sich dem noch etwa ein Jahrhundert anhaltenden litauischen Widerstand gegen die Zwangschristianisierung durch den Deutschen Orden an.
Im Gegensatz zu den im 15.–17. Jahrhundert aus Kurland nach Süden eingewanderten Neukuren (Nehrungskuren), die oft ebenfalls „Kuren“ genannt wurden, sprachen die alten Kuren nach heute weithin anerkannter Mehrheitsmeinung der Baltistik noch eine westbaltische Sprache, die dem Altpreußischen näher stand. Diese kurische Sprache (nicht zu verwechseln mit Neukurisch/Nehrungskurisch) wird deshalb auch „Altkurisch“ genannt. In baltischsprachiger Literatur werden die Neukuren heute auch als lettischkursenieki und litauischkuršininkai von den alten Kuren begrifflich unterschieden. Nach der Niederschlagung des Kurenaufstandes wurde sie bis ins 16. Jahrhundert in Kurland und in den südlicheren Küstengebieten des Deutschordensstaats durch Ansiedlungen aus Lettgallen vom Lettischen und in den küstenferneren Gebieten Westlitauens vom schemaitischen Dialekt des Litauischen verdrängt, die beide zum ostbaltischen Sprachzweig gehören. Trotz dieser Unterschiede erfolgte die Lettisierung und Litauisierung nach Analysen vieler Baltisten wahrscheinlich nicht durch Verdrängung und Aussterben des Altkurischen, sondern immer stärkere sprachliche Überformung, bis sich die Sprache dem Lettischen oder Schemaitischen allmählich angeglichen hatte. Darauf deuten ältere Sprachzeugnisse aus den Regionen hin oder ein altkurisches Vaterunser bei Simon Grunau aus dem 15. Jahrhundert, das schon mehrheitlich lettische, aber noch deutlich mehr altkurische Einflüsse als heutige Dialekte Kurlands zeigt.
Der Name (Ethnonym) der Kuren ist mit dem Wortstamm Kurš-/Kursch- (litauisch und lettisch) oder Kur- (meist in nicht-baltischen Sprachen, selten auch in der Vokalvariante mit -o- oder -au-) bekannt, was am innerhalb der baltischen Sprachen und Dialekte typischen Lautwechsel š > h > ø (=kein Laut) liegt. Seine Bedeutung ist aus dem baltischen Wortschatz nicht übersetzbar, war wohl wie die meisten Ethnonyme schon historisch, nicht von offensichtlicher Bedeutung. Seine ursprüngliche Bedeutung kann nur mit der historisch-vergleichenden Methode der Indogermanistik hypothetisch erschlossen werden. Zur Namensherkunft der Kuren existieren fünf Hypothesen:
Nach einer von Max Vasmer entwickelten Hypothese könnte er sich vom in vielen indogermanischen Sprachen und im nördlich benachbarten Livischen und Estnischen vorkommenden Ausdruck für „[Land] zur linken Seite“ herleiten. Weil diese Richtungsbezeichnungen in archaischen Vergleichsbeispielen geografisch oft mit Blick in Richtung Sonnenaufgang übertragen wurden, könnte es auch „die im Norden lebenden“ bedeutet haben.
Eine auf Kazimieras Būga zurückgehende Hypothese leitet den Namen vom in einigen indogermanischen Sprachen vorkommenden Wortstamm ab, der „baumloses Land“ / „[Land] niedriger Büsche“ / „karges Land“ heißen kann und vielleicht die Bedeutung „Rodungsland“ hatte.
Der AltgermanistTorsten Evert Karsten brachte den Namen mit dem schwedischen Dialektwort für „enges Land“ / „Winkel“ / „Ecke“, womöglich als Bezeichnung der kurischen Halbinsel in Verbindung, was heute aber selten vertreten wird.
Der litauische Philologe Jonas Kazlauskas schlug 1969 vor, dass der Stammesname aus einem Orts- oder Gewässernamen der Region entstand. Auch die Selbstbezeichnung der Prußen, die baltisch womöglich „schnell fließend“ bedeutet, geht vielleicht auf einen (nicht mehr sicher zuzuordnenden) Flussnamen zurück, nach dem sich die Prußen benannt haben könnten. Im Kurengebiet gibt es mehrere Orte und Gewässer mit dem Wortstamm Kursch-, die jeweils ihren Namen vielleicht nicht von den Kuren haben, sondern im Gegenteil Namensgeber der Kuren sein könnten. Ihr Name könnte wiederum von baltischen Wörtern für „Haken/Türschloss“, vielleicht auch „bauen/errichten“, „nähren“, „heben“ oder „entzünden“ oder „schneiden/roden“ kommen.
Wolfgang P. Schmid kritisierte 1992 alle Hypothesen als morphologisch zweifelhaft, weil das -š- dann immer den Rest einer zweiten Silbe -šas bilden müsste, die nirgendwo überliefert ist. Auch die Herleitung der Kuren und Prußen von Orts- oder Gewässernamen lehnte er ab, weil das sonst im baltischen Raum nicht üblich ist. Schmid schlug selbst die Herkunft vom indoeuropäischenkrs vor, das „schnell zu See“ bedeutet und mit dem lateinischen cursarius (Korsar) stammverwandt ist. Diese jüngste Hypothese fußt auf dem modernsten Stand der Linguistik, ist heute am weitesten verbreitet. Sie bleibt aber, wie alle vorherigen eine nicht bewiesene Hypothese.[1]
Nach dem Namen der Kuren ist die historische Region Kurland benannt. Das Kurische Haff und die Kurische Nehrung haben ihre Namen möglicherweise schon von den direkt dort siedelnden Neukuren.
Regional bildete sich aus der Schnurkeramischen Kultur mit Einflüssen der Trichterbecherkultur und der Narwa-Kultur in der Umgebung des Frischen Haffs und Kurischen Haffs zwischen Danzig und Šventoji die sehr langlebige Rzucewo-Kultur (2700–600 v. Chr., deutsch auch „Haffküstenkultur“) heraus, die die regionalen Epochen der späten Kupfersteinzeit und Bronzezeit umfasste. (Die Bezeichnungen der historischen Epochen auch im Folgenden werden hier so verwendet, wie in der Geschichtswissenschaft und Archäologie für das Baltikum üblich, nicht für Mittel- oder Südeuropa.) Im Umfeld der langen Zeitspanne der Haffküstenkultur, sowie ihrer östlichen Nachbarkulturen, der „Mitteldnepr-Kultur“ und der Fatjanowo-Kultur wird die allmähliche Abspaltung der baltischen Sprachen aus den indogermanischen angenommen, wahrscheinlich über eine Zwischenstufe baltoslawischer Dialekte zu den Balten. Weil die Haffküstenkultur am Ende nach Osten expandierte, etwa über das Gebiet der bis 1200 n. Chr. baltischsprachigen Regionen (vgl. Karte am Beginn des Artikels) wird hier in jüngerer Forschung die Herausbildung der in historischer Zeit noch bekannten baltischen Sprachen vermutet, während in der Mitteldnepr- und Fatjanowo-Kultur wahrscheinlich baltische Sprachzweige der sogenannten Dnepr-Balten entstanden, die vom ersten nachchristlichen Jahrtausend (Slawische Expansion) bis 15. Jahrhundert verdrängt wurden.
Vom 1. vorchristlichen bis 2. nachchristlichen Jahrhundert spaltete sich die Westbaltische Hügelgräberkultur in mehrere Nachfolgekulturen auf, die sich aufgrund ihrer regionalen Verbreitung gut den seit dem 8./9. Jahrhundert namentlich überlieferten Stammesverbänden zuordnen lassen. Zwar ließ sich noch eine Expansion der Dollkeim-Kultur, die mit den frühen Prußen identifiziert wird, nach Süden und Südwesten auf Kosten der Olsztyn-Kultur der frühen Galinder und die Ausbreitung der Sudauer-Kultur der frühen Jatwinger nach Südosten und Osten beobachten, aber im Allgemeinen blieben ihre Verbreitungsgebiete bis ins Mittelalter stabil. Die Aufspaltung begann möglicherweise bereits im 4. vorchristlichen Jahrhundert, als in der Westbaltischen Hügelgräberkultur kulturelle Untergruppen auftraten. Die baltische Memelland-Kultur wird durch ihre territoriale Ausbreitung bereits mit den Vorläufern der Kuren verbunden, entsprach bis auf spätere minimale Ausdehnungen nach Osten und Nordosten schon dem später überlieferten Siedlungsgebiet der Kuren.[3]
Diese Zeit etwa vom 2. bis zum 4./5. Jahrhundert nach Chr. wird auch „Goldenes Zeitalter der Balten“ genannt, denn während dieser Periode wird eine langwährende ungestörte Besiedlung durch etwa 1000 Gräberfelder nachgewiesen. Vor Ende dieser Zeit gab es keine archäologischen Anzeichen von Abwanderungen, Bevölkerungsverschiebungen oder von Invasionen fremder Stämme. Funde römischer Münzen konzentrieren sich auf die Küstengebiete von Danzig bis ins Baltikum, was den Export des im Römischen Reich sehr begehrten Bernsteins über die östliche Bernsteinstraße zeigt. Die ergiebigen Bernsteinvorkommen befinden sich im Baltikum fast alle in Küstennähe. Bernsteinamulette sind im 6./7. Jahrhundert auch als Grabbeigaben erhalten.[4] In dieser Zeit bildeten die baltischen Kulturen einen statisch wirkenden geometrischen Stil mit geraden Linien und Winkeln, häufig rechten Winkeln, beispielsweise als Ornamente auf Schmuck ein, der aber meistens reliefartig-dreidimensinal gearbeitet ist.
Kurische und prußische Siedlungen sind an ihren Bestattungen unterscheidbar: Die Prußen äscherten ihre Toten ein, während die Kuren typische Körperbestattungen durchführten: Sie gebrauchten rechteckige oder runde (unregelmäßig ovale) Steinwälle, inmitten derer die Gräber wabenförmig nebeneinander lagen. Diese Bestattungsform hatte im 2. Jahrhundert n. Chr. die ältere Brandbestattung mit Urnen in Hügelgräbern der Westbaltischen Hügelgräberkultur verdrängt, neben Seebestattungen. Diese spezielle Körperbestattung stammt aus der benachbarten „ostbaltischen Steingräberkultur“, die sich zuvor in der Strichkeramik-Kultur entwickelt hatte. Deshalb argumentieren einige Archäologen, dass es zu einer Einwanderung aus dem Osten gekommen sein muss, vielleicht auch die Vorbevölkerung verdrängt wurde (was aber der Zuordnung des Kurischen zum westbaltischen Sprachzweig nicht vereinbar ist). Die meisten Archäologen interpretieren die Fundlage dagegen so, dass hier eine nördliche Gruppe der westbaltischen Hügelgräber-Leute benachbarte religiöse Vorstellungen und Bestattungen übernahmen. Viele Experten gehen heute davon aus, dass die Ethnogenese der Kuren um das 6. Jahrhundert mit der Fragmentierung und Niedergang der Steingräber-Tradition endgültig ihren Abschluss fand. Die Zahl der gefundenen Bestattungen zeigt, dass in der Zeit ein Wiederaufschwung der Bevölkerungszahl nach Bevölkerungsverlusten im 4./5. Jahrhundert einsetzte. Erst vom späten 8. bis 11. Jahrhundert übernahmen auch die Kuren ganz allmählich die Einäscherung von den Prußen, später als alle anderen Stämme der Umgebung.[5]
Rekonstruierte kurische Frauenkleidung des Stammesadels (dahinter Wollablage im kurischen Tierstil)
Wie für viele vorchristlich-heidnischen Stammeskulturen ist die materielle Kultur der Oberschicht, des kurischen Stammesadels der Memelland-Kultur, aus archäologischen Ausgrabungen besonders dieser Körpergräber, in denen Angehörige der Oberschicht bestattet wurden, durch Grabbeigaben gut erforscht. Männergräbern wurden Alltagsgegenstände, Waffen und Schmuck ins Jenseits mitgegeben. Seit Beginn der kriegerischen Völkerwanderungszeit tauchten erst im 5. Jahrhundert n. Chr. Pferdebestattungen in Gräbern männlicher Stammesadliger häufig auf, nicht nur bei den Kuren, auch bei den Schalauern, Žemaiten (Niederlitauer), Aukschtaiten (Oberlitauer), Semgallen, Selonen und Lettgallen. Sie „verschwanden“ ab 8. Jahrhundert, weil alle diese baltischen Stammesverbände von den Prußen, offenbar verbunden mit einer religiösen Veränderung, die Einäscherung übernahmen.[6] Dass berittene Kriegsführung auch in der Zeit der Einäscherung eine wichtige Rolle spielte, zeigen Trensen, Sporen, Steigbügel, Zaumzeugschnallen, Pferdeglocken und Peitschengriffe aus Metall unter den Grabbeigaben, und mehrere bildliche Darstellungen von Reiterkriegern, die einzigen im baltischen Raum.[7] Frauengräbern wurden Schmuck und Alltagsgegenstände mitgegeben.
Auch der Kleidungsstil der Oberschicht ist durch die Körperbestattungen bekannt. Männer trugen Hosen und Oberteile, die bis zum Oberschenkel reichten, manchmal Überhänge, Lederschuhe, die in Wickelgamaschen übergingen und Pelzmützen. Frauen trugen lange Kleider und Schürzenkleider und manchmal Oberkleider oder Mäntel. Wie in allen baltischen Kulturen verbargen sie, egal ob verheiratet oder unverheiratet, ihr Haupthaar unter oft sehr langen, wallenden Kopftüchern. Diese Tradition bestand in einigen archäologischen Kulturen der Eisenzeit. Die Kleidung wurde mit Gürteln und Gewandspangen (Fibeln) zusammengehalten. Die Kleider sind farblos oder gefärbt bekannt, häufig wurden sie in Kombination getragen.
Späte Eisenzeit I (6. bis 9. Jahrhundert): Völkerwanderung und skandinavischer Einfluss
In der mittleren Eisenzeit zwischen dem 5. und dem 9. Jahrhundert, veränderten sich die Lebensbedingungen der baltischen Stämme, denn mit der Expansion der Goten und der Völkerwanderung kam es zu Konflikten und demographischen Verschiebungen in der Region. Danach wurden die baltischen Stämme von Osten und Süden her wurden sie durch die Expansion der Slawen und bald darauf auch von Wikingern unter Druck gesetzt.
Ab dem 5. Jahrhundert sind Burgberge belegt, die als Rückzugsbefestigungen in den zunehmend kriegerischen Zeiten dienten. Diese Hügelburgen wurden bevorzugt auf Steilufern oder in Gewässern auf Landzungen errichtet und seit dieser Zeit von allen baltischen Stämmen erbaut. Eine Besonderheit kurischer Hügelburgen war, dass die nicht durch Holz-Palisaden, sondern mit Wällen aus Baumstämmen und gestampftem Lehm befestigt wurden. Die Innenfläche einer solchen Burg betrug von einem halben und über sechs Hektar.
Ab etwa 600 drängten von der Ostsee bewaffnete Verbände von Wikingern aus Gotland, Dänemark und Schweden ins Land, die wohl zeitweilig Teile des Kurengebietes beherrschten, oder auch nur große Silbertribut-Zahlungen von den Kuren erzwangen. Die frühe langanhaltende Dominanz oder Präsenz von Skandinaviern wurde durch die Entdeckung ausgedehnter Gräberfelder aus der frühen Vendelzeit 600–850 in Grobiņa mit 3000 Gräbern im Stil Gotlands und Mittelschwedens bestätigt.[8] Es ist allerdings unklar, ob die Skandinavier von dort aus Teile der kurischen Verbände beherrschten, oder von diesen nur auf relativ kleinem Gebiet als Handelszentrum geduldet wurden.[9] Mangels genauerer historischer Quellen im 5.–9. Jahrhundert sind die politischen Herrschaft- und Abhängigkeitsverhältnisse und Konflikte nur mit den archäologischen Indizien also schwer bestimmbar. Die prußischen und kurischen Stämme spielten in der Folgezeit die führende verteidigende Rolle unter den Baltenstämmen gegen kriegerische Expansionen der Wikinger. Dass die Kuren sich gegen skandinavische Einfälle wehren konnten, belegen Grabbeigaben mit skandinavischen Beutebeigaben.
Amulette im kurischen Tierstil (links unten) und Armbänder mit frühen baltischen Tiermotiven (Mitte) in der Vitrine baltischer Fundstücke der Ausstellung zur Völkerwanderung im Neuen Museum Berlin. Die übrigen Objekte sind Amulette, Armreife, ein Brustreif und ein Steigbügel im geometrischen baltischen Stil und Stirnreife und Ringe im „Raupenmotiv/Wurmmotiv“.
Eine aus dem Kulturaustausch entstandene Besonderheit der Kuren zu benachbarten baltischen Kulturen ist der „Kurische Tierstil“, mit dem seit dem 7. Jahrhundert Schmuckstücke, wie Armbänder, Amulette und Fibeln mit zoomorphen (tierförmigen) Motiven verziert wurden. Die Mehrheit der aktuellen Forscher hält ihn für einen Einfluss des germanischen Tierstils, der sich seit dem 4./5. Jahrhundert in der Völkerwanderungszeit aus drei Inspirationsquellen bildete: der naturalistischen römischen Kunst, dem im Schwarzmeergebiet und Pannonien verbreiteten (hier griechisch überformten) skythisch-sarmatischen Tierstil und der ornamentalen keltischen Kunst. Mit den damals sehr mobilen Verbänden verbreitete er sich sehr schnell über ganz Europa und prägte beispielsweise noch die frühmittelalterliche, christliche Buchkunst. Zentren der Weiterentwicklung des germanischen Tierstils war die Donauregion von Schwaben/Rheinland bis Niederösterreich/Pannonien, einschließlich der von dort nach Italien ausgewanderten Langobarden, und Nordgermanien von Schleswig-Holstein über Jütland und die dänischen Inseln bis Schonen, wo in der Vorwikingerzeit (Vendelzeit) der „frühe Wikingerstil“ (Vendelstil, später Oseberg-Stil usw.) entstand. Baltische Künstler versuchten, den europaweiten, sehr ornamental-geschwungenen und dynamischen Tierstil ab dem 5./6. Jahrhundert in den geometrischen baltischen Stil zu integrieren, was aber schwierig blieb. Die erhaltenen Arbeiten sind künstlerische Unikate, die oft in rechte Winkel verfielen und aus denen sich kein dauerhafter Stil bildete. Bis auf einige Grundformen der Fibeln (ohne Tierdarstellung) und spiralisch geschmiedete Ringe und Armbänder („Raupenmotiv/Wurmmotiv“) blieb nichts in der baltischen Kunst zurück. Eine zweite Welle des Einflusses des Tierstils betraf ausschließlich die Kuren, der sich im 7./8. Jahrhundert herausgebildete „kurische Tierstil“, der wesentlich formenreicher, dynamischer, ornamental-geschwungener und abgerundeter gearbeitet war und sich als fester kurischer Stil etablierte. Seine Motive haben große Ähnlichkeit mit Vorbildern in Dänemark und Gotland, wenn auch etwas geometrischer. Zu den streng geometrischen Verzierungen anderer baltischer Kulturen bildeten sie einen deutlichen Kontrast.[10]
Versilberte Gewandnadeln mit kurischem Kreuzmotiv mit eingearbeiteten blauen Glasperlen und Kettenschmuck aus einem weiblichen Urnengrab in Pryšmančiai (8./9. Jahrhundert), Rajongemeinde Kretinga. Foto in der Völkerwanderungsausstellung des Neuen Museums Berlin.[11]
Auch beim kurischen Frauenschmuck kamen unter skandinavischem Einfluss nicht nur einschnürige Perlenketten aus bunten oder undurchsichtigen Glasperlen, Bernsteinperlen, Metall- und Goldperlen vor, sondern auch Colliers aus vier bis manchmal 15 nach außen versetzten Perlenschnüren, die oft durch eingefädelte bronzene Distanzstifte in Form und in regelmäßigem Abstand gehalten wurden. Während mehrschnürige Perlencolliers ohne Distanzstifte aus kurischen Funden und aus Frauengräbern der Schalauer (auch ihrer Region Lamotina, siehe unten) bekannt sind, sind diese Distanzstifte ein spezifisches Fundkennzeichen der Kuren, von anderen baltischen Kulturen unbekannt. Kurische Perlencolliers mit Distanzstiften entstanden ab dem 11. Jahrhundert und gehen sicher auf skandinavischen Einfluss zurück, wo sie besonders auf Gotland, auch auf Seeland häufig waren. Sie kamen generell in germanischen Kulturen vor und gingen wahrscheinlich ursprünglich auf römisch-byzantinische Anregung zurück.
Im Gegenzug sind geschmückte Stirnbänder (als textile Schmuckstricke, gewebtes Band oder ebenfalls Perlenketten), die in adligen Frauengräbern besonders der Lettgallen, Semgallen und Selonen typisch waren, oder Stirnreifen aus Metall (manchmal als kunstvolle Spiralen geschmiedet), besonders in Frauengräbern der Litauer und Žemaiten charakteristisch, für kurische Frauengräber des 9.–13. Jahrhunderts unbekannt. Kurische Kopfschleier wurden mit Fibeln oder Gewandnadeln – manchmal mit typisch kurischem kreuzförmigem Schmuck – zusammengehalten. Es ist aber eine umstrittene und ungeklärte Frage der regionalen Archäologie, ob Stirnreifen und vielleicht auch Stirnbänder in kurischen Frauengräbern früherer Zeiten, des 5.–9. Jahrhunderts selten vorkamen und ob einige der Perlencolliers vielleicht nicht um den Hals, sondern um den Kopf getragen wurden.[12]
Kurische Broschen, Anstecknadeln, Anhänger und anderer Schmuck bestanden im 6.–11. Jahrhundert aus versilbertem Metall, während die Entsprechungen in Gräbern der anderen baltischen Stammesverbände zumeist aus verzinnter Bronze gefertigt waren. Der erkennbare Reichtum liegt nicht an besonderen Bodenschätzen, sondern bestätigt des Ruf der Kuren in mittelalterlichen Quellen, die sie als gnadenlose Seeräuber, Krieger und strategische Händler schildern, derjenige unter der baltischen Stämmen, der den Wikingern an seefahrerischem Geschick, marodierenden Seeraubzügen und Kriegerischkeit ebenbürtig war. Seit der zweiten Hälfte des 9. Jahrhunderts waren sie der einzige baltische Stammesverband, der die Wikinger dauerhaft an einer Etablierung von Stützpunkten in ihrem Siedlungsgebiet hindern konnte und sogar zu ausgedehnten Gegenangriffen und Raubzügen gegen die skandinavischen Küstensiedlungen und kurischen Ansiedlungen an der gegenüberliegenden Küste überging.[13]
Späte Eisenzeit II (9. bis 13. Jahrhundert): Konflikte mit Wikingern in historischen Quellen
Archäologische Rekonstruktion eines kurischen Hauses der Oberschicht, ausgestellt in Lielvārde. Passend beschreibt die Egils saga, dass kurische Anwesen aus vielen Hütten (Küchengebäude, Ställe, Scheunen und andere Nebengebäude) bestanden und die Wohngebäude „nur aus Baumstämmen gebaut“ in zwei Etagen nur mit Türen ohne Fenster errichtet und mit Birkenrinde gedeckt seien. Von den Wohnräumen in der unteren Etage waren die Schlafräume in der oberen über Treppen durch Luken erreichbar, wo auch die Schwerter, Waffen und Wertgegenstände aufbewahrt wurden. In der Saga waren unter dem Haus in tiefen Gruben mit Deckel Gefangene untergebracht.[14]
Die erste Erwähnung der Kuren stammt von Rimbert, Bischof von Bremen, als er 876 die Heiligenvita seines Amtsvorgängers Ansgar von Bremen verfasste: „Ein Volk, das Chori genannt wird und fern von ihnen lebt, war einst von den Svea (Schweden) unterworfen worden. Aber es ist schon so lange her, daß sie sich erhoben und das Joch abschüttelten.“[15] Kurische Seeräuber traten aktiver, als prußische den wikingischen Verbänden nicht nur im Baltikum oder auf der Ostsee entgegen, sondern plünderten in wechselseitigen Überfällen auch mehrfach die Küsten Gotlands, Ölands und dänischer Inseln. Das Ergebnis dieser offensichtlich auch der Abschreckung dienenden Kriegszüge war, dass Wikinger im kurischen Gebiet im Gegensatz zum Prußengebiet und übrigen Lettland nicht mehr dauerhaft Fuß fassen konnten, hier keine Handelsstädte und Zentren mehr errichteten.
Um 1070 erwähnte Adam von Bremen die Kuren. Seit dem 11. Jahrhundert wurde über Beutezüge der Kuren an die Küsten Skandinaviens berichtet. So musste Dänemark seine Küsten sommers wie winters schützen. Adam riet allen Christen, die kurländische Küste zu meiden, denn sie seien ein gens crudelissima (grausamstes Volk). In dänischen Kirchen wurden Schutzgebete gegen kurische Seeräuber verlesen, in einem überlieferten Gebet heißt es: „O mächtiger Gott, bewahre uns vor den Kuren.“ Kurische Geräte, wie sie typisch für die Gegend von Memel und Kretinga sind, wurden andererseits auch in Skandinavien gefunden und Adam von Bremen erwähnte Kurland als Untertanenland Schwedens. Die politischen Expansionen, Kriegszüge und Beziehungen waren also wechselhaft.[16]
Noch 13. Jahrhundert berichten nordische Sagen legendär von den Kämpfen gegen die Kuren. Die isländische Egils saga erzählt, der schwedischen Sagenkönig Ivar Vidfamne soll schon im 7. Jahrhundert das Gebiet der Kuren unter schwedische Herrschaft gebracht haben. Auch der legendäre König Harald Hildetand soll die Kuren unter seiner Herrschaft gehalten haben. Nach dessen Tode hätten die Kuren ihre Unabhängigkeit zurück erlangt. Die Ynglingasaga aus dieser Zeit behauptet, dass 850–860 der legendäre Erik von Uppsala die widerständigen Kuren gegen Tributzahlungen unterworfen hätte. Auch Heinrich von Lettland berichtete im 13. Jahrhundert, offenbar entnommen aus älterer nordischer Überlieferung, die Kuren hätten Mitte des 9. Jahrhunderts die dänische Vorherrschaft abgeschüttelt, woraufhin der schwedische König Olof 853 das kurische Zentrum Apuolė belagert hätte und erst nach erneuten kurischen Tributen wieder abzog.[17] Spätere dänische und schwedische Eroberungsversuche scheiterten dagegen nach Aussagen der Sagas.
Chroniken des 13. Jahrhunderts berichten erneut, dass Kuren mehrmals das inzwischen christianisierte Dänemark, erneut mehrere dänische Inseln, und Schweden, neben Gotland und Öland auch die Küstenregionen Blekinge und Uppland (aus denen inzwischen keine Raubzüge mehr ausgingen) verheerten, plünderten, Kirchenglocken und anderes Gerät mitführten. So wird die Zerstörung der schwedischen Stadt Sigtuna 1187 den Kuren im Verein mit anderen Gruppen aus dem Baltikum und Umgebung zugeschrieben.
Heinrich von Lettland beschrieb 1210 die Kuren und behauptete ihre Wildheit gegen den Namen der Christen (Curonum ferocitatem contra nomen Christianorum).[18]
Mittelalter (12.–16. Jahrhundert): Unterwerfung durch Livländischen Orden, Aufstände und Niedergang
Als die Ritter des Livländischen Ordens Anfang des 13. Jahrhunderts in ihr Gebiet eindrangen, waren die südkurischen Landschaften nahezu menschenleer. Der Großteil der kurischen Bevölkerung war nach Norden abgewandert. Lange Jahre anhaltende Niederschläge hatten zu einer Klimaveränderung geführt, so dass die Menschen langfristig ihre feuchten Wohnplätze in den Niederungen entlang der Ostsee aufgaben und in den an sich klimatisch ungünstigeren Norden auswichen. Lediglich auf der trockenen Nehrung hatten sich einzelne Clans gehalten.
Zahlreiche Ordensurkunden befassen sich mit kurischen Landschaften und geben Auskunft, dass Nordkurland besiedelt war, also auch aufgeteilt werden konnte, während die südkurländischen Landschaften als „den landen, die noch ungebuwet sin“ bezeichnet wurden. Dass der Süden Kurlands nicht gänzlich unbesiedelt war, wird auch in Ordensurkunden belegt, denn man bediente sich häufig der kundigen eingesessenen „seniores“, wenn es darum ging, Landstriche zu kennzeichnen und zu benennen.
Wo das Kurland an seinem östlichen Rand auf die Region (Semgallen, Lettland) trifft, überschnitt sich das Siedlungsgebiet der Kuren mit dem der Semgallen, an seinem südöstlichen Rand (Niederlitauen) mit dem der Samogiten; und an seinem südlichen Rand (Schalauen, Litauen/Kaliningrader Gebiet bzw. Gebiete beiderseits der Memel) mit dem der prußischenSchalauer. Diese drei Nachbarstämme gehörten ebenfalls zu den Balten. Den äußersten Norden ihres Gebiets dagegen teilten sich die Kuren mit dem finnougrischen Volksstamm der Liven.
Am 28. Dezember 1230 werden in einem Vertrag zwischen dem päpstlichen LegatenBalduin d’Aulne (von Alnas) und den Kuren unter ihrem Anführer Lamekin (Lammechinus rex) erstmals neun Landschaften der Kuren genannt.
1252/53 werden in einem Vertrag zwischen dem Livländischen Orden und dem Bischof von Kurland außerdem ungefähr 190 Ortsnamen erwähnt.
Die Ortsnamen zeigen, dass es sich um die Westküste Kurlands handelt: Esertue, Durpis, Saggara, Thargole, Osua, Langis, Venlis, Normis, Kiemala, Pygawas, Sarnitus, Riwa, Sacez, Edualia, Aliswanges, Ardus, Alostanotachos, Winda. Der Urkunde ist ferner zu entnehmen, dass das Land bereits eingeteilt war und dass hier bereits kleinere Siedlungseinheiten, also Dörfer vorhanden waren, denn diese traten gegenüber dem Orden, unter Führung der Ältesten, als Vertragskontrahenten auf, (1230/31). So hatten die Dorfältesten Leute für Heerfahrten gegen die Heiden aufzubieten, denn in der Übereinkunft des kurländischen Bischofs mit dem Livländischen Orden heißt es: „Weret dat is geschege, dar die viende des geloven snelliken int land sprengeden, so mogen uns boden in der brodere guit, und der brodere boden in uns guit, die lude to der malawen eisschen, bi den eilsten der dorpe“.
Im Nordosten, heute lettisches Gebiet Talsi. Der Name setzt sich wahrscheinlich zusammen aus vrede ‚Friede, Grenze‘ und Curonia und wurde nur zwischen 1252 und 1260 erwähnt.
Zu dieser Landschaft gehören die Örtlichkeiten Arevale, Popen (Pope), Topen / Copen, Vietsede, Puse (Puze), Ugale (Ugāle), Amulle (Amule), Vede (Vēde), Anse, Matre (Matra), Moden (Modes), Cersangere, Danseweten, Rende (Rinda), Walgele (Valgāle), Cabele (Kabile), Pedewale, Zabele, Candowe (Kandava), Mattecul (Matkule), Wane (Vāne), Pure (Pūre), Tuckmen (Tukums), vum terris desertis inter Candowe (Kandava) et Semigalliam; item Assen (Ases), Ladze (Lazdas), Uge, Talsen (Talse), villa Husman.
Wynda / Ventava
lateinisch terra Saggara
Diese Landschaft schließt sich südwestlich an Vredecuronia an und liegt an der Mündung des Flusses Venta, dem wiederum möglicherweise die Bedeutung venys ‚Weideland‘ zugrunde liegt. Das Gebiet wurde erst im 11. bzw. 12. Jahrhundert von Kuren besiedelt, die vorher hier lebende finno-ugrische Bevölkerung wurde verdrängt oder assimiliert. Heute im lettischen Gebiet Ventspils.
Dieser Landschaftsname existiert zwischen 1230 und 1253 und leitet sich vielleicht von banda ab: dem Knecht zur Nutzung überlassenes Land, Viehherde‘. Das Gebiet liegt südlich von Wynda, es umfasst die mittlere Venta und ist von der Ostsee durch Bihavelanc getrennt. Heute im lettischen Gebiet Kuldīga.
Das ist eine deutsche Bezeichnung: beim Haff entlang. Diese Landschaft liegt also an der Ostseeküste, südlich von Bandowe. Heute im lettischen Gebiet Liepāja.
Der Begriff „unbebaut“ heißt in Ordenszeiten nicht, dass das Land unbesiedelt war, sondern dass hier keine Landwirtschaft betrieben wurde und dass der Orden plante, dieses zu ändern. In Urkunden von 1253 heißt es „schedunge der lande, die do besaten weren“, „die lande, die wi noch nicht gedeilet hadden“. 1291 wird festgestellt, dass ein Fortschritt in der Besiedlung und Bearbeitung des Landes nicht stattgefunden hat, und etwa ein Jahrhundert später wird die Aussichtslosigkeit der Durchführung eingesehen. 1328 wird das Memelgebiet an den Deutschen Orden abgetreten, 1392 verzichtet der Bischof auf seinen Anteil.
Es war zudem gefährlicher Boden, denn dieser Landstrich war als Durchgangsgebiet zwischen Preußen und Livland wichtig, und so mancher Christenmensch wurde dabei am Strand eingefangen und ermordet. Wege durch das Landesinnere wurden nach Möglichkeit vermieden, denn sie waren wegen der Unwegsamkeit ohnehin nur mit Hilfe von Einheimischen zu bewältigen und bedurften einer ausgeklügelten Logistik. „do wir ouch eigentlich gehandelt und gewegen haben beide, den nutz und ouch den schaden unsir kirchen, und sonderlich gemerket, das die land derselben unsirer kirchen an dem meisten theile wüste und an gruelichen wiltnissen und nemlich am ansprunge der heidenschaft gelegen sien und mit in grenitzen, und wir ouch und unser kirche zu schwach und zu arm darzu sien das wir die land beweldigen und sie von der heidenschaft schutzen und beschirmen mochten …, sien wir eins worden mit dem … ganzen Orden …“
Da der Orden dieses Gebiet nie wirklich besessen hat, konnte er es auch nicht durchgehend aufteilen. Die Gegend war trotzdem nicht unbesiedelt, denn es lebten hier Fischer und halbnomadische, die Werte der Wälder nutzende Jäger. Für die Besiedlung sei hier die Verlehnung des Burggebietes Krottingen an vier Personen erwähnt (April 1253): Velthune, Reygin, Twertiken, Saweyde. In der Livländischen Reimchronik unter Verszeilen 6977–7003 ist zu lesen: „In was ein burg gelegen bie uber guter milen dire, Kretenen was daz hus genant. vil dicke quamen sie gerannt zur Mimele vor daz burgetor … die brudere sehre daz verdroz, daz ir hochvart was so groz. einer reise wart von in gedacht … kein Kretenen stunt ir sin. beide zu vuz unde geritten quamen sie kreftic dar mit zorne uf der brudere schar … in was zu starc der heiden wer … doch half in got von himele, daz si quamen zur Mimele.“[19] (Ihre Burg war drei Meilen von Memel entfernt, Krottingen hieß sie. Sie kamen sehr oft vor das Burgtor von Memel marschiert; diese Frechheit bereitete den Rittern großen Unmut. Sie heckten ein Unternehmen aus: Auf nach Krottingen! Zu Fuß und zu Pferd kamen sie mit Wucht auf das Ritterheer zu, aber der Heiden Wehr war zu stark. Sie konnten Gott im Himmel danken, dass sie Memel wiedersahen.) Des Weiteren sei die Bestimmung von 1253 über das Fischerei-Erbrecht genannt: „Vortmeir war it sich gevile der brodere lude in unser visscherie to visschene, die solen uns den teende geven, und dat sulve solen unse lude den broderen wider don, also dat nieman ut besloten en werde von sime erve in dirre vorbenomede visscherie.“
Dowzare / Duvzare
lateinisch terra Dowzare, bzw. terra Duizare, südlich von Bihavelanc, heute im lettischen Gebiet Liepāja, und zu einem kleinen Teil in Litauen.
Der Name setzt sich zusammen aus dem Zahlwort duvi/dui ‚zwei‘ und entweder ezers ‚See‘ oder zars ‚Ast‘.
Hier liegen die Örtlichkeiten Birstele (Birstel-Fluss), Dames (Gr. und Kl. Dahmen), Empilten (Impelt/Ipiltis), Loke (Luka), Papissen (Pesse/Pese), Patteycias (Kalleten/Kaleti), Pretzele (Groß Gramsden), Rutzowe (Rutzau/Rucava), Trecne (Gr. und Kl. Trecken/Trekni), Velienen (Wellin am Kirbe-Moor), Virga (Wirgen). Nicht lokalisiert wurden Peynis und Warze/Warse.
Ceclis
litauisch Keklys, lateinisch terra Ceklis
Das größte Gebiet mit ca. 1500 km². Der Name deutet vielleicht auf einen Bewuchs mit Gebüsch und Büschelblumen. Diese Landschaft umfasst die Flussgebiete der Virvyčia, Minija, Jūra (Oberlauf) und Barta sowie die Zuflüsse der Šventoji im litauischen Nord-Žemaiten.
Diese Landschaft umfasst den schmalen Küstenstreifen von Palanga bis Memel in Litauen und reicht östlich bis Kartena. Der Name bedeutet Wald.
Für Besiedlung und vor allem für die Gefährlichkeit dieses Landstriches die Ordensritter betreffend spricht die Ältere Hochmeisterchronik 1372: „Do her czur Memel quam, do quam der Voigt von Grobyn mit wenig brudern und sprach, das sie nymant uff dem strande segen noch hörten … dy quamen zcu dem meister zcu Palange, und sprachen, das der strand reyne were.“ (Als er nach Memel kam, kam der Vogt von Grobyn mit einigen Brüdern und sprach, dass sie niemanden auf dem Strande gesehen noch gehört hatten … die kamen zum Meister von Palanga und sprachen, dass der Strand frei sei.)
Das kleinste Gebiet mit ca. 200 km². Der Name dieser Landschaft um Klaipėda (Memel) herum leitet sich von pil, pilstu, pilt, pilti ‚fließen, gießen, schütten, tröpfeln‘ ab und weist auf wasser- und sumpfreiches Areal.
Zu dieser Landschaft gehören die Örtlichkeiten Ackete (Ekitten), Calaten (Kollaten), Drivene (Drawöhnen/Heuschlag im Gebiet Sarden), Galmene (Kerndorf/Callnuwöhnen), Lassiten (Leisten/Lausti), castellatura Poys (Plantage nördlich von Memel), Burg Mutene (Groß Tauerlauken), Pelltien/Pellicen/Schanze Piltynas (Sudmanten-Trusch), Sarde (Szarde), Sarde-Fluss (Schmelzfluss/Schmeltelle). Nicht lokalisiert sind Untergebiete von Poys: Twartikini, Negelite, Suntelite, Octen.
In älterer Literatur bestand Unklarheit, ob die Region Lamotina (um Šilutė/dt. Heydekrug, zwischen den Flüssen Minija und Jūra) zu den kurischen Landschaften zu zählen sei. Heute ist sicher, dass sie keine klassische kurische Landschaft war, sondern von Schalauern besiedelt, erst 1254 dem Bistum Kurland zugesprochen wurde.[20]
Audronė Bliujienė: Curonian bead sets with bronze spacer plates and their Scandinavian parallels. In: Hermann Bengtsson et al. (Hrsg.): Förnvännen. Journal of Swedish Antiquarian Research. 96 (2001), S. 235–242 (beschäftigt sich mit kurischen Perlencolliers mit integrierten Distanzstiften aus Bronze im Vergleich zu skandinavischen Entsprechungen).
Audronė Bliujienė: The Curonians of the Lithuanian Coast. aus Gintautas Zabiela, Zenonas Baubonis, Eglė Marcinkevičiūtė (Hrsg.): A Hundred Years of Archaeological Discoveries in Lithuania. Vilnius 2016, S. 268–285.
↑Audronė Bliujienė: The Curonians of the Lithuanian Coast. aus Gintautas Zabiela, Zenonas Baubonis, Eglė Marcinkevičiūtė (Hrsg.): A Hundred Years of Archaeological Discoveries in Lithuania. Vilnius 2016, S. 268–285, hier S. 277–278.
↑Audronė Bliujienė: The Curonians of the Lithuanian Coast. aus Gintautas Zabiela, Zenonas Baubonis, Eglė Marcinkevičiūtė (Hrsg.): A Hundred Years of Archaeological Discoveries in Lithuania. Vilnius 2016, S. 268–285, hier S. 275–277.
↑Audronė Bliujienė: The Curonians of the Lithuanian Coast. aus Gintautas Zabiela, Zenonas Baubonis, Eglė Marcinkevičiūtė (Hrsg.): A Hundred Years of Archaeological Discoveries in Lithuania. Vilnius 2016, S. 268–285, S. 270–271.
↑Audronė Bliujienė: The Curonians of the Lithuanian Coast. aus Gintautas Zabiela, Zenonas Baubonis, Eglė Marcinkevičiūtė (Hrsg.): A Hundred Years of Archaeological Discoveries in Lithuania. Vilnius 2016, S. 268–285, hier S. 279–280.
↑Audronė Bliujienė: The Curonians of the Lithuanian Coast. aus Gintautas Zabiela, Zenonas Baubonis, Eglė Marcinkevičiūtė (Hrsg.): A Hundred Years of Archaeological Discoveries in Lithuania. Vilnius 2016, S. 268–285, S. 271–272.
↑Kęstutis Demereckas, Margarita Ramanauskienė, Juozapas Algimantas Januševičius, Gintarė Baltrūnė, Rimas Adomaitis: Kuršių nerijos tradicinė architektura. (litauisch, =‚Traditionelle Architektur der Kurischen Nehrung.‘, erster Teil der pdf.) Klaipėda 2011, S. 7–8.