Die männlichen Mitglieder der Familie Bach wirkten in Erfurt meist als Mitglieder, teilweise auch als Direktoren der städtischen Ratsmusikanten-Compagnie. Sie beherrschten das musikalische Leben in der Stadt über ein ganzes Jahrhundert derart, dass noch 1793 alle Stadtpfeifer „Bache“ genannt wurden, obwohl längst keiner dieses Namens mehr unter ihnen lebte.[1][2] Allein in den Kirchenbüchern der Kaufmannskirche sind über 60 Kindtaufen, Hochzeiten und Begräbnisse der Familie registriert. Zeugnisse als Komponisten sind für diesen Familienzweig nur in wenigen Einzelfällen greifbar.
Die Nummerierung in Klammern wurde bis zu der Nummer 53 aus Johann Sebastian Bachs handschriftlichem Ursprung der musicalisch-bachischen Familie von 1735 übernommen.[3] Die höheren Nummern wurden vom Bachforscher Christoph Wolff nach demselben System fortgeführt.[4]
Johann Bach (4)[3] (getauft am 26. Novemberjul. / 6. Dezember1604greg. in Wechmar; begraben am 13. Mai1673 in Erfurt) ist der älteste als Komponist beglaubigte Vertreter der Musikerfamilie Bach und gilt als der Begründer der Erfurter Linie.
Nach mehrjähriger Lehrzeit als Stadtpfeifer in Suhl wirkte er 1633–34 zunächst als Stadtmusikus und 1634–35 als Organist in Schweinfurt. Danach ging er als Ratsmusikant nach Erfurt, wurde 1635 deren Direktor und schließlich 1636 Organist der dortigen Predigerkirche. Seine erste Ehe mit Barbara, geborene Hoffmann, blieb kinderlos. Nach deren Tod 1637 heiratete er Hedwig, geborene Lämmerhirt, mit der er drei Söhne hatte, Johann Christian, Johann Aegidius und Johann Nicolaus.[5][6][7]
Johann Christian Bach wurde als Sohn von Johann Bach und Hedwig Bach, geborene Lämmerhirt, in Erfurt geboren. Er lernte Geige bei seinem Vater und ging von 1665 bis 1667 beim EisenacherHausmann und Stadtpfeifer Christoph Schmidt († 1670) in die Lehre. Dort heiratete er 1665 dessen Tochter Anna Margarethe Schmidt, mit der er fünf Kinder bekam. Nachdem er 1667 das Angebot einer Stelle als Ratsmusiker in Erfurt bekommen hatte, ging er dorthin zurück. Es bestehen widersprüchliche Angaben darüber, ob Bach bereits 1667 zum Direktor der Erfurter Ratsmusik berufen[8][9] oder erst 1673[10] befördert wurde. Seine erste Frau verstarb 1676. In zweiter Ehe heiratete er 1679 Anna Margarethe Peter, mit der er drei weitere Kinder hatte. Er verstarb schon mit 41 Lebensjahren an der Pest. Es sind keine Kompositionen von ihm überliefert.[11][12][13][14]
Darüber hinaus war er Organist an der Kaufmannskirche und Michaeliskirche; seit dem 30. Juni 1682 war er Direktor der Ratsmusik; seit 1694 besaß er die Erlaubnis zum Handel mit „Nürnberger Waren“ (Spielwaren und andere Handelswaren). ⚭ I.: Maria Susanna, geborene Schmidt; ⚭ II.: Judith Katharina, geborene Syring. Er ist der Vater von Johann Bernhard Bach.[12][15]
Johann Nicolaus Bach (9)[3] (getauft 5. Februar1653 in Erfurt; begraben 28. Juli1682 ebenda) wurde am 16. Mai 1673 zum Nachfolger seines Vaters Johann in der Erfurter Stadtmusikanten-Compagnie ernannt.[12] Johann Nicolaus galt laut Ursprung als sehr guter Viole de Gambiste.[3] Er starb 1682 an der Pest.
Sein gleichnamiger Sohn Johann Nicolaus (20)[3] (* 31. August1682 in Erfurt; † unbekannt), der erst kurz nach dem Tod des Vaters zur Welt kam, wirkte als Bader und Chirurg in Insterburg.
Er wurde als Sohn von Johann Christian Bach und Anna Margarethe Bach, geborene Schmidt, geboren. Er studierte Theologie und Musik in Eisenach und hatte fünf Kinder. 1695 wurde er zuerst Kantor in Erfurt, seiner Heimat. Dann ging er 1698 mit seiner Familie nach Gehren, wo er bis zu seinem Tode Kantor und Organist wurde.[17] Er war zusätzlich als Komponist und Kopist tätig, hat also Notenbücher für Tasteninstrumente erstellt.[18][19] Er starb mit 54 Jahren in Gehren.[20]
Johann Christoph Bach (19)[3] (getauft 17. August1685 in Erfurt; begraben 15. Mai1740 ebenda) war der Sohn von Johann Aegidius. Er wurde schon 1693 Organist an der Erfurter Thomaskirche. 1705 wurde er Mitglied der Erfurter Stadtmusikanten und 1716 deren Direktor. Aus seiner ersten Ehe mit Katharina, geborene Schilling[21] (oder Schelle[12]), verwitwete Adlung, stammen die Söhne Johann Friedrich und Johann Aegidius. 1719 heiratete er in zweiter Ehe Rebecca Regine, geborene Werner, mit der er fünf weitere Kinder hatte, darunter Wilhelm Hieronymus (37)[3] (getauft 4. Mai1730 in Erfurt; begraben 15. April1755 ebenda), der in Jena und Erfurt Theologie studierte und bereits mit 24 Jahren starb.
Er wurde als erstes Kind von Johann Christoph Bach geboren. In seinem Leben wirkte er von 1714 bis 1720[22] als Musiker am gräflichen Hof von Sondershausen.[23] Er heiratete am 19. Mai 1716 in Jechaburg.[22] Dann wurde er Lehrer in Gundersleben, wo er bereits mit 26 Jahren verstarb.[24]
Johann Günther Bach (33)[3] (getauft 4. April1703 in Gehren; begraben 24. Oktober1756 in Erfurt) war ein Sohn von Johann Christoph. Von diesem wurde er musikalisch ausgebildet. Er war zunächst Lehrer in seiner Heimatstadt. Dort bewarb er sich für die Stelle des Organisten, jedoch bekam er diese nicht, da der damalige Gehrener Amtsmann Fricke ein schlechtes Verhältnis zur Musikerfamilie Bach hatte. 1735 ist er als Lehrer in Erfurt nachweisbar und gehörte dort als Sänger (Tenorist) und Violist der Ratsmusik an. 1736 heiratete er Susanna Katharina Hering, mit der er 11 Kinder hatte. 10 davon verstarben jedoch jung an den Pocken. Zudem verlor Johann Günther sein Gehör, weshalb er weniger Geld verdiente und in seinen letzten Lebensjahren in Armut verfiel.[12][25][26][27]
Er war der Sohn von Johann Bernhard Bach. Er vertrat seinen Vater als Organist und wurde nach dessen Tod 1749 sein Nachfolger an der Georgenkirche. Außerdem spielte Johann Ernst Bach Cembalo in der herzoglichen Hofkapelle. 1756 wurde er zum Fürstlichen Kapellmeister in Weimar ernannt. Johann Ernst Bach ist als Komponist dem empfindsamen Stil zuzurechnen. Überliefert sind geistliche und weltliche Vokalwerke sowie Orchesterwerke und Kammermusik.[28]
Er war verheiratet mit Florentina Katharina, geborene Malsch. Sein ältester Sohn Johann Georg Bach folgte ihm im Amt als Hof- und Stadtorganist an der Georgenkirche.
Johann Friedrich Bach (35)[3] (getauft 22. Oktober1706 in Erfurt; begraben 30. Mai1743 in Andisleben) war der Sohn von Johann Christoph Bach. Nach dem Besuch des Erfurter Ratsgymnasiums wurde er Schulmeister, Kantor und Organist in Andisleben. Zusätzlich wirkte er von 1737 bei 1742 als Adjunkt der Erfurter Stadtmusikantenkompagnie, wo er ab 1739 seinen erkrankten Vater als Direktor vertrat.[29][4] Er war verheiratet mit Eleonore Maria, geborene Langula.
Nachfahren:
Johann Christoph Bach IX (1736–1808), Chormusiker, ⚭ N.N.
Johann Friedrich Nikolaus Bach (1761–1829), Musiker, ⚭ N.N. – seine Nachkommen wanderten 1848 nach Amerika aus[30]
Johann Christoph Bach X (1802–vor 1848 in Batavia), Farmer und Singmeister, ⚭ Eva Elisabeth, geborene Scharf
Johann Karl Friedrich (Charles Frederik Bach, 1808–1876), Farmer, ⚭ Susanne Katharina, geborene Güldner
Johann August Reinhold Bach und Familie Johann August Reinhold Bach (1835–1914), Farmer, Zimmermann, Instrumentenbauer und Musiker, ⚭ Catharina Barbara, geborene Bauer
Charles August Bach (1862–1938), 1898 Gründer eines Orchesters in Brookings, ⚭ Cora Irma, geborene Cranston
Reynold Henry Bach (1868–1923), Juwelier und Orgelhändler, 1892: Bach Music Compagnie, Bürgermeister in Ottawa (Minnesota), ⚭ Jessie F., geborene Newsalt
Adolph Matthias Bach (1879–1977), Pianist und Querflötist, 1892: Bach Music Compagnie, Bürgermeister in Rochester (Minnesota), ⚭ Ethel Mae, geborene Becklinger
Philip Frederik Bach (1928–2008), Pianist, Organist, Klavier- und Orgelbauer[31], ⚭ Shirley, geborene Horner
Johann Georg Bach war der Sohn von Johann Ernst Bach, und wie dieser studierte er an der Universität Leipzig die Rechte. Nach dem Tod seines Vaters war er ab 1777 Hof- und Stadtorganist an der Georgenkirche in Eisenach. Zugleich war er Hof-Advokat und Kastenverwalter. ⚭ Johanna Elisabeth, geborene Langius.
Philipp Ernst Christian Bach (78[4]/86[33]) (* 19. Mai1780 in Eisenach; † 29. März1840 ebenda) war der Sohn von Johann Georg. Er war in Eisenach als Oberamtskopist tätig, versah aber auch Orgeldienste an der Georgenkirche sowie in Großlupnitz. Versuche, selbst als Organist der Georgenkirche berufen zu werden, scheiterten.
Johann Sebastian Bach: Ursprung der musicalisch-bachischen Familie. 1735. In: Bach-Dokumente. Band 1: Werner Neumann, Hans-Joachim Schulze (Hrsg.): Schriftstücke von der Hand J. S. Bachs. 2. Auflage. Bärenreiter, Kassel 2012, ISBN 978-3-7618-0025-6, S. 255–267 (Original verschollen, mit Ergänzungen von Carl Philipp Emanuel Bach).[34]
Helga Brück: Von der Apfelstädt und der Gera zum Missouri. 500 Jahre Thüringer Musikerfamilie Bach (= Schriften des Vereins für die Geschichte und Altertumskunde von Erfurt, 7). Glaux, Jena 2008, ISBN 978-3-940265-13-5.
Kurt Hermann Frickel: Genealogie der Musikerfamililie Bach. 568 Namensträger über 12 Generationen in 119 Familien. Daten – Fakten – Hypothesen. Eigenverlag, Niederwerrn 1994, ISBN 3-926523-37-9.
Karl Geiringer: Die Musikerfamilie Bach. Leben und Wirken in drei Jahrhunderten. Unter Mitarbeit von Irene Geiringer. Beck, München 1958; verbesserte Neuausgabe unter dem Titel Die Musikerfamilie Bach. Musiktradition in sieben Generationen(Beck’sche Sonderausgaben) ebenda 1977, ISBN 3-406-06985-1.
Hermann Kock: Genealogisches Lexikon der Familie Bach. Bearbeitet und herausgegeben von Ragnhild Siegel. Kunstverlag Gotha, Wechmar 1995, ISBN 3-931182-01-0.
Christoph Wolff: Die Bach-Familie(The new Grove – die großen Komponisten). Metzler, Stuttgart 1993, ISBN 3-476-00881-9.
Christoph Wolff: Johann Sebastian Bach. Fischer, Frankfurt am Main 2001, ISBN 3-7632-5052-2.
Christoph Wolff, Walter Emery, Peter Wollny, Ulrich Leisinger and Stephen Roe: Bach family. In: Grove Music Online (englisch; Abonnement erforderlich).
↑ abcdChristoph Wolff, Walter Emery, Peter Wollny, Ulrich Leisinger and Stephen Roe: Bach family. In: Grove Music Online (englisch; Abonnement erforderlich).
↑Heinrich Besseler, Günther Kraft (Hrsg.): Johann Sebastian Bach in Thüringen: Festgabe zum Gedenkjahr 1950. Thüringer Volksverlag, Weimar 1950, OCLC601547822, S. 168–169, 207–210.
↑Hermann Kock: Genealogisches Lexikon der Familie Bach. Bearbeitet und aktualisiert von Ragnhild Siegel. Kunstverlag Gotha, Wechmar 1995, ISBN 3-931182-01-0, S.97.
↑Yoshitake Kobayashi: Der Gehrener Kantor Johann Christoph Bach (1673–1727) und seine Sammelbände für Tasteninstrumente. In: Wolfgang Rehm (Hrsg.): Bachiana et alia musicologica. Festschrift Alfred Dürr. Bärenreiter, Kassel 1983, ISBN 3-7618-0683-3, S. 168–177.
↑ abUlrich Leisinger, Peter Wollny: Die Bach-Quellen der Bibliotheken in Brüssel. Katalog, mit einer Darstellung von Überlieferungsgeschichte und Bedeutung der Sammlungen Westphal, Fétis und Wagener (= Leipziger Beiträge zur Bach-Forschung. 2). Olms, Hildesheim 1997, ISBN 3-487-10303-6, S. 127, 130 f.
↑Hermann Kock: Genealogisches Lexikon der Familie Bach. Bearbeitet und aktualisiert von Ragnhild Siegel. Kunstverlag Gotha, Wechmar 1995, ISBN 3-931182-01-0, S.180.
↑ abKarla Neschke, Helmut Köhler (Hrsg.): Residenzstadt Sondershausen: Beiträge zur Musikgeschichte (= Veröffentlichungen des Historischen Vereins für Schwarzburg, Gleichen und Hohenlohe in Thüringen. 4). Starke, Sondershausen 2004, ISBN 3-9808465-6-3, S. 37; eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche.
↑Christoph Wolff, Walter Emery, Peter Wollny, Ulrich Leisinger and Stephen Roe: Bach family. In: Grove Music Online (englisch; Abonnement erforderlich).
↑Albrecht Lobenstein: Die Akte Johann Günther Bach (1703-1756). In: Bach-Jahrbuch. Band90, 24. Juli 2018, ISSN0084-7682, S.221–228, doi:10.13141/bjb.v20042133 (qucosa.de [abgerufen am 28. Mai 2023]).