Die iroschottische Mission war die Christianisierung von Teilen Mitteleuropas durch Wandermönche der iroschottischen Kirche. Sie fand in zwei Wellen statt: die erste vom 6. bis 8. Jahrhundert, die zweite im 11. Jahrhundert.
Motivation
Die iroschottischen Mönche übernahmen seit dem späten 6. Jahrhundert die im altirischen Recht für schwere Vergehen vorgesehene Verbannung als freiwilliges Bußwerk für Christus, als „peregrinatio pro Christo“. Sie gingen in die Fremde um Christi willen, begründeten Klöster oder Einsiedeleien, oft auf einer Insel, aber auch auf dem Kontinent.
Die erste Phase
Die von Rom unabhängige christliche Missionstätigkeit iro-schottischer Mönche zwischen dem 6. und 8. Jahrhundert bezeichnet man als iro-schottische Mission. Sie erfolgte nach Anfängen im gallo-fränkischen Raum hauptsächlich im heutigen Südwestdeutschland (Schwarzwald-Bodensee-Raum) und im nördlichen Schweizer Gebiet, ferner in Mittelhessen[1] und Thüringen (siehe Iroschottische Kirche).
Patrick
Der Vorläufer war Patrick von Irland (385–461), der Sohn des Calpurnis. Er begann (432) mit der Missionierung Irlands und wurde zum Begründer der iro-schottischen Kirche. Von den Iren wird Patrick am Saint Patrick’s Day (17. März) als Nationalheiliger gefeiert. Auch Finnian von Clonard († 549) gehört zu den frühen irischen Missionaren; mit ihm sind die Zwölf Apostel von Irland zu nennen.
Columban von Iona
Columban von Iona († 597), auch Columban der Ältere, missionierte bei den Pikten.
Politischer Hintergrund
Bereits der Weg von Irland oder Schottland führte umständegemäß in die fränkischen Kernlande – die iroschottischen Mönche „(wandten) sich zuerst nach dem gallisch-fränkischen Gebiet und von da meist auf Anregung der fränkischen Könige nach den östlichen Teilen des Frankenreiches, hauptsächlich nach Alamannien. Es handelte sich für die Könige hierbei um Festigung ihres politischen Einflusses in dem eben erst gewonnenen Gebiet und das wirksamste Mittel dazu war für sie die Einheit des religiösen Bekenntnisses.“
Die Franken hatten nach ihrem Sieg Stützpunkte und Ansiedlungen vor allem im Oberrheingebiet und im mittleren und nördlichen Schwarzwald gebildet und auf diesen Krongütern und Höfen – zumeist an ehemals römischen Plätzen, die auch Verkehrsverbindungen beherrschten – gab es auch Eigenkirchen, „gewissermaßen die vorgeschobenen Punkte christlicher Kultur in heidnischem Gebiet […] Auf die religiöse Haltung des alamannischen Volkes werden aber solche ältesten Stützpunkte des Christentums zunächst umso weniger einen weiteren Einfluß ausgeübt haben, als der Klerus dieser Kron- und Herrenkirchen kaum irgendwelche Propaganda über die Pastorisation der christlichen Franken hinaus entfaltete.“[2]
„Die Mönche aus Irland und Schottland waren ihrem ganzen Charakter nach verschieden von den gallischen Mönchen, die wie die orientalischen Asketen ein völlig aktionsloses Dasein führten, in Gebet und Bußübung ihren eigentlichen Lebenszweck erblickten und jeder Einflußnahme auf ihre Umgebung sich enthielten. Im Gegensatz dazu bringen die Insulaner […] alle Erfordernisse eines Missionarius Apostolicus mit sich, vor allem eine Unerschrockenheit vor allen Gefahren und Entbehrungen und einen rastlos unsteten Wandertrieb, aber auch eine aufs Praktische und Einfachste gehende Lebensrichtung und Auffassung der christlichen Lehre.“
Eine nachhaltige Christianisierung der Alamannia lässt sich erst durch die iroschottische Missionierung zu Anfang des 7. Jahrhunderts und entsprechende Klausen- und Klostergründungen nachweisen und geschichtlich motivieren.
Columban von Luxeuil
Im Jahr 590 verließ zum ersten Mal ein irischer Mönch die Britischen Inseln, um auf dem Festland zu missionieren und im Sinne der asketischen Heimatlosigkeit (peregrinatio propter Christum „Pilgerschaft um Christi willen“) zu leben. Columban von Luxeuil, auch Kolumban der Jüngere genannt († 615), war der erste, der im merowingischen Gebiet auftauchte. Als Gefährten von ihm werden Gallus, Domoal, Comininus, Eunocus und Equonanus genannt.
Columban gründete im Frankenreich ein Kloster namens Annegray. Das Klosterleben hatte das Ziel, die sittliche Vollkommenheit über den Weg der Askese zu erreichen. Außer im Frankenreich missionierte Kolumban auch auf dem Gebiet der heutigen Schweiz und in Italien. Zwei Jahre nach der Klostergründung (610) sollte Kolumban wieder nach Irland zurückkehren, da es zu einem Konflikt mit dem merowingischen König Theuderich II. kam. Nach zeitgenössischen Berichten war Columban schon unterwegs nach Irland, als ein Sturm ihn dazu zwang, auf den Kontinent zurückzukehren.
Es verschlug Columban an den Bodensee, wo er in Bregenz Christen vorfand, die heidnische Bräuche wieder aufgenommen hatten. Mit der Hilfe von Gallus († 645) brachte er die kirchliche Zucht in Ordnung, und die Verehrung der heiligen Aurelia von Straßburg, einer Gefährtin der heiligen Ursula, lebte wieder auf. Weil er und seine Gefährten in ihrem missionarischen Eifer unter den Einheimischen Streit auslösten, forderte der Herzog von Überlingen den Missionar auf, um des Friedens willen die Gegend zu verlassen. Gallus aber blieb in der Gegend, vorgeblich weil er aufgrund einer Krankheit nicht weiterziehen konnte. Weil ihm Columban nicht glaubte, verbot er ihm, die Messe zu lesen, bis zum Tag seines eigenen Todes. Gallus und einige Gefährten lebten in einer Einsiedelei an der Steinach. Dort gründete 719 der Priester Otmar die Abtei St. Gallen.
612 zog Columban nach Mailand und mischte sich in den Streit um den Nestorianismus ein. Ein ihm zugesprochener Brief an Papst Bonifatius IV. ist ein großes Zeugnis der Papstverbundenheit des irischen Missionars. Der langobardische König Agilulf vermachte ihm ein Gebiet namens Bobbio in der Provinz Piacenza am Fluss Trebbia, wo er das Kloster Bobbio gründete und die Zeit bis zu seinem Lebensende verbrachte – trotz einer Einladung der Franken, nach Luxeuil zurückzukehren. Er starb am 23. November 615 in Bobbio in Norditalien. Der Legende nach soll Gallus an diesem Tag im Gedenken an seinen Meister erstmals wieder die heilige Messe gelesen haben – die gesicherte Nachricht über dessen Tod erreichte ihn erst Wochen später.
Weitere iroschottische Missionare
Auswanderung im 6. Jahrhundert
Fridolin von Säckingen († 538) gilt als irischer Missionar des badischen Oberlandes; nach ihm sind viele Kirchen benannt. Gegen seine postulierte irische Herkunft spricht jedoch der germanische Name Fridolin.
Ein weiterer bedeutender Missionar war Eustasius († 629), ein Schüler Columbans. Er war vor allem in Baiern tätig und wurde im Jahr 615 Abt im Kloster Luxeuil. In dieser Generation von Missionaren wirkten auch Wendelin († 614 oder 617) bei Trier und Arbogast († 618) im Elsass.
Auswanderung um 640
Landelin von Ettenheimmünster († um 640) war ein irischer Missionar in der Ortenau, von dem nur dessen Märtyrertod bekannt ist. Fursa († 649) und sein Bruder Foillan († 655 oder 656) wirkten in Frankreich bzw. in Belgien.
Ingbert († um 650), im Saarland, Trudpert († 653), im Breisgau, und Disibod († 700), an der mittleren Nahe, gehören ebenfalls in die Reihe der iroschottischen Missionare, deren irische Herkunft meist im Rahmen von Gründungslegenden überliefert ist.
Auswanderung in der 2. Hälfte des 7. Jahrhunderts
Der als Bistumspatron verehrte Ire Kilian erschien, laut der Passio s. Kiliani minor, im Jahr 686 mit seinen Gefährten Kolonat und Totnan in Würzburg und starb drei Jahr später (689) dort den Märtyrertod.
8. Jahrhundert
Der Iroschotte Pirmin gründet in der 1. Hälfte des 8. Jahrhunderts im südwestdeutschen Raum und im Elsass mehrere Klöster, die zu wichtigen geistlichen Zentren wurden.
Die Missionierung Kärntens ging von Virgil aus. Er wurde im Jahr 750 Bischof in Salzburg und gilt, mit seinem Mitarbeiter Modestus von Kärnten, als letzter einflussreicher Vertreter der iroschottischen Mission.
Über Magnus von Füssen (vermutlich † 772) liegen wenige historisch zuverlässige Daten vor, aber es wird inzwischen nicht ausgeschlossen, dass er als Allgäumissionar ebenfalls in die Reihe der iroschottischen Missionare gestellt werden muss.
Die zweite Phase
Die zweite Phase der iroschottischen Missionierung war eng mit dem irischen Wirken in den benediktinischen Schottenklöstern verbunden. Deren Entstehung ging auf den Iren Marianus Scottus zurück, der mit Gefährten 1070 in Regensburg erschien und eine asketisch lebende Mönchsgemeinschaft gründete, von der mehrere Klostergründungen ausgingen. Diese Bewegung im 11. Jahrhundert wirkte im bayrisch-österreichischen Raum bis Oberitalien.
Der Ire Johannes Scottus Eriugena schließt die Bewegung ab, gehört aber mehr zu den Gelehrten seiner Zeit und weniger zu den Missionaren. Er lebte am Hof Karls des Kahlen, eines für Belange des Bildungswesens aufgeschlossenen Königs. Er ist ein gutes Beispiel dafür, dass er als Ire von einer „Insel der Gebildeten“ abstammte.
Literatur
- Johannes Duft: Iromanie – Irophobie. Fragen um die frühmittelalterliche Irenmission exemplifiziert an St. Gallen und Alemannien. In: Zeitschrift für schweizerische Kirchengeschichte, Bd. 50 (1956), S. 241–62.
- Heinz Löwe (Hrsg.): Die Iren und Europa im früheren Mittelalter, Stuttgart 1982.
- Lutz E. von Padberg: Christianisierung im Mittelalter, Stuttgart 2006.
- Knut Schäferdiek: Die irische Mission des siebten Jahrhunderts. Historisches Geschehen oder historiographische Legende [1984]. In: Knut Schäferdiek: Schwellenzeit. Beiträge zur Geschichte des Christentums in Spätantike und Frühmittelalter, hrsg. v. Winrich A. Löhr und Hanns Christof Brennecke, Berlin u. a. 1996, S. 439–57.
- Knut Schäferdiek: Irische Mission. In: Reallexikon der Germanischen Altertumskunde (RGA), Bd. 15. Berlin/New York 2000, S. 491–93.
Einzelnachweise
- ↑ Albert Bruckner, Regesta Alsatiae nevi aevi merovingici et karolini. 496-918. Bd. 1. Straßburg und Zürich 1949, Nr. 275, S. 174 f.
- ↑ Joseph Sauer: Die Anfänge des Christentums und der Kirche in Baden. In: Neujahrsblätter der Badischen Historischen Kommission, Neue Folge 14, Carl Winters Universitätsbuchhandlung, Stuttgart 1911, S. 28 ff.