Die graue Energie eines Produkts bezeichnet die Energie, die für dessen Herstellung, Transport, Lagerung, Verkauf und Entsorgung insgesamt aufgewendet wurde, also in ihm „enthalten“ ist.
Berücksichtigt werden dabei sowohl alle Vorprodukte bis zur Rohstoffgewinnung, als auch der gesamte Energieeinsatz aller angewandten Produktionsprozesse. Wenn zur Herstellung Maschinen oder Infrastruktur-Einrichtungen notwendig sind, wird üblicherweise auch der anteilige Energiebedarf für deren Herstellung und Instandhaltung in die „graue Energie“ des Endprodukts mit einbezogen. Das „Produkt“ kann auch eine Dienstleistung sein.
Graue Energie ist somit der indirekte Energiebedarf durch Kauf eines Konsumguts im Gegensatz zum direkten Energiebedarf bei dessen Benutzung. Der kumulierte Energieaufwand (KEA) fasst diese Teilbereiche zusammen.
Größenordnungen
Das Statistische Bundesamt Deutschlands errechnete, dass im Jahr 2003 die durchschnittliche Energieintensität aller Waren ohne Energiegüter 4,5 MJ/EUR betrug.[1] D. h. im gesamtwirtschaftlichen Mittel verursacht jeder Euro, den ein Endverbraucher ausgibt, zirka eine Kilowattstunde (= 3,6 MJ) an grauer Energie (ausgenommen direkter Kauf von Energie).
Je nach Gütergruppe variiert die Energieintensität stark. Folgende Gruppen waren im Jahr 2003 laut Statistischem Bundesamt am meisten mit indirektem Energiebedarf belastet: Luftfahrt (25,7 MJ/EUR), sonstiger Verkehr (16,3 MJ/EUR) und chemische Erzeugnisse (11,8 MJ/EUR).
Beispiele
- 1 kg Schokolade: 2,5 kWh[2]
- ein Paar Schuhe: 8 kWh[2]
- zwei Aluminiumdosen: „Tagesstrombedarf eines Vierpersonenhaushaltes“ (also ca. 10 kWh);[2] siehe auch: Aspekte der Ökobilanz bei der Aluminiumherstellung
- 500 Blatt Kopierpapier chlorfrei gebleicht: 41 kWh;[3]; siehe auch: Umweltaspekte und Recycling von Papier
- 500 Blatt Kopierpapier recyclet: 28 kWh[3]
- Tageszeitung (90 Seiten): 7,5 kWh[3]
- Herstellung eines Personal Computers: 3.000 kWh (plus 1,5 Tonnen Rohstoffe);[Anm. 1] siehe auch: Ressourcenverbrauch bei der Herstellung von Personalcomputern
- Weiße Ware: Je nach Gerät etwa ein Drittel bis Viertel des direkten Energiebedarfs über die Lebensdauer[Anm. 2]
- ein Automobil: „Strombedarf eines Durchschnittshaushalts für 10 Jahre“ (etwa 30.000 kWh);[2] siehe auch: Umwelt- und Gesundheitsaspekte bei der Herstellung und des Betriebs von Automobilen
- die Bereitstellung von einem Liter Diesel an der Zapfsäule (Well-to-Tank) erforderte bis zu 20 % Zusatzverbrauch von Brennstoff, hauptsächlich in der Raffinerie
- Die Herstellung von 6 Litern Diesel benötigt nach der endenergiebezogenen Analyse unter Einbeziehung der Bereitstellungsvorketten etwa 42 kWh, pro Liter etwa 7 kWh zusätzlich zum eigentlichen Heizwert von etwa 9,7 kWh/Liter. Dabei ist das KFZ noch nicht einen Meter gefahren. Mit dieser Energiemenge fährt ein modernes Elektroauto mindestens 200 km weit.[4]
- VW Golf A3 (Ottomotor): rund 18.000 kWh (12 % von 545 GJ)[Anm. 3]
- VW Golf A4 (TDI-Motor): rund 22.000 kWh (15 % von 545 GJ)[Anm. 3]
- Gebäude: Typische Werte für die Graue Energie in Gebäuden liegen zwischen 3000 und 4000 MJ je m² Geschossfläche.[5]
Schwierigkeiten bei der Berechnung
Die Prozesskette ist bei den meisten Produkten komplex, sodass i. d. R. für die Berechnung der grauen Energie vereinfachende Annahmen getroffen werden müssen. Konkrete Zahlenangaben für den Gehalt an grauer Energie eines Produkts sind dementsprechend unsicher, je nach Quelle oder Berechnungsweise verschieden und häufig auch umstritten. Zudem ist der Begriff der grauen Energie nicht exakt definierbar, was sich u. a. im Auftreten von notwendigen Abgrenzungsproblemen äußert, wie beispielsweise:
- Ist es etwa sinnvoll, den Energiebedarf der Betriebskantine auf die (in diesem Betrieb erzeugten) Produkte umzulegen?
- Soll allen Produkten, die auf der Straße transportiert werden, auch ein Anteil am Energiebedarf der Krankenhäuser, in denen Verletzte nach Verkehrsunfällen behandelt werden, zugeordnet werden?
- Warum werden beispielsweise bei der Erdölförderung nur die zur Förderung aufgewendeten Energiemengen einbezogen, die Verluste durch Abfackelung der Begleitgase aber nur bei Umweltanalysen einbezogen?
Siehe auch
Literatur
- Daniel Spreng: Wieviel Energie braucht die Energie? Energiebilanzen von Energiesystemen. VDF, Zürich 1989, ISBN 3-7281-1647-5
Weblinks
- bauwende.de: Die graue Energie: Der entscheidende Hebel für Klimaschutz beim Bauen („Fact sheet“)
- daemmen-und-sanieren.de 23. Februar 2023: Graue Energie – Definition, Schaden, Vermeidung
- Deutschlandfunk.de Hintergrund 3. August 2022: Mit „grauer Energie“ gegen den Klimawandel
- Endenergiebezogene Analyse Diesel versus Elektromobilität,verfasst von Andreas Burkert, 24. August 2021
- energie-experten.org zuletzt 29. April 2021: Graue Energie: Berechnungsmethoden und Folgen für Bau & Sanierung
- nachhaltigleben.ch, Sabina Galbiati: Was graue Energie ist und wie wir viel davon sparen
- stiftung-baukulturerbe.de 15. Januar 2015, Madeleine Spiegelhalter: Was ist graue Energie? – Nachhaltigkeit bei Gebäuden
Einzelnachweise
- ↑ Statistisches Bundesamt Deutschland: Die Nutzung von Umweltressourcen durch die Konsumaktivitäten der privaten Haushalte, Kapitel 6 (Indirekte und kumulierte Energienutzung der privaten Haushalte)
- ↑ a b c d Österreichisches Bundesministerium für Umwelt, Jugend und Familie: „Energie verwenden statt verschwenden“ (zirka 1997), Seite 21
- ↑ a b c Praktischer Umweltschutz Schweiz („PUSCH“, eine Non-Profit-Organisation): „Graue Energie von Papier“ ( vom 17. September 2007 im Internet Archive) (Seite 10) im Internetarchiv, abgerufen am 14. April 2011 (umgerechnete Werte)
- ↑ Endenergiebezogene Analyse Diesel versus Elektromobilität. 24. August 2021, abgerufen am 8. August 2024.
- ↑ Neues Merkblatt zur Grauen Energie in Gebäuden. In: SIA. DETAIL.de - das Architektur- und Bauportal, 28. Oktober 2009, abgerufen am 16. Mai 2021.
Anmerkungen
- ↑ Green-IT: So machen Sie Ihren Computer grün vom 28. Februar 2008 bei Spiegel Online, abgerufen am 14. April 2011; bezüglich des Energieverbrauchs von 3.000 kWh bezieht sich Spiegel Online dabei auf einen vom Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie angegebenen Wert; die Angabe über einen Verbrauch von 1,5 Tonnen an Rohstoffen während der Produktion eines PCs geht auf Michael Kuhndt vom in Wuppertal ansässigen „Centre on Sustainable Consumption and Production“ / „Zentrum für nachhaltigen Konsum und Produktion“ (CSCP) zurück. Die Angabe von 1,5 Tonnen muss sich wohl auf die gesamte Prozesskette beziehen, von der Gewinnung der Rohstoffe im Bergbau über ihre Aufbereitung und Purifikation über die Herstellung der Komponenten bis hin zur Elektronikfertigung und Verpackung.
- ↑ Esther Widmann: Öko-Serie: Alte Elektrogeräte - austauschen oder nicht? 25. August 2017, abgerufen am 26. November 2019. Die Autorin beruft sich dabei auf Untersuchungen des Öko-Instituts Freiburg, sowie Aussagen vom Umweltbundesamt, der Verbraucherzentrale sowie weiterer Fachleute.
- ↑ a b Angaben zum Energie- und Materialbedarf bei Produktion und Betrieb eines Kraftfahrzeugs im Volkswagen Umweltbericht 2001/2002 (deutsch) ( vom 3. März 2016 im Internet Archive) von Volkswagen (Seite 27), abgerufen am 14. April 2011 (PDF; 3,9 MB). Anmerkung: Die Prozentangabe bezieht sich auf die im gesamten Produktleben umgesetzten 545 GJ – der überwiegende Anteil der Gesamtenergiemenge entfällt auf den Kraftstoffverbrauch während der Benutzung.