Ein Dilettant (von italienisch dilettante, Partizip Präsens aus dilettarsi, wie italienisch dilettare, „jemanden begeistern/erfreuen; liebhaben“, von lateinisch delectari „sich erfreuen“, „sich ergötzen“)[1] ist ein Liebhaber einer Kunst oder Wissenschaft, der sich ohne schulmäßige Ausbildung und nicht berufsmäßig damit beschäftigt.[2] Als Amateur oder Laie übt er eine Sache um ihrer selbst willen aus, also aus Interesse, Vergnügen oder Leidenschaft und unterscheidet sich somit von einem Fachmann. Dabei kann er vollendete Kenntnisse und Fertigkeiten erlangt haben; solange er die Tätigkeit (als „Liebhaberei“) nicht beruflich bzw. für seinen Lebensunterhalt ausübt oder keine anerkannte einschlägige Prüfung bestanden hat, gilt er als Dilettant.
Abgrenzung des Begriffs
Die Begriffe Dilettant, Laie und Amateur werden umgangssprachlich häufig synonym zueinander verwendet. Semantisch gibt es jedoch einige feine Unterschiede: Der Begriff Laie ist ein neutraler Begriff, der verwendet wird, um auszusagen, dass jemand auf einem bestimmten Gebiet keine Fachkenntnisse besitzt. Die Begriffe Amateur und Dilettant können synonym zueinander verwendet werden, da beide eine Person bezeichnen, die eine Tätigkeit oder eine Sache um ihrer selbst willen, also aus Interesse, Vergnügen oder Leidenschaft, ausübt. Beide Begriffe sagen jedoch nichts über die Sachkenntnisse einer Person aus, da diese durchaus auf einem professionellen Niveau sein können.
Weiterhin gibt es noch einen weiteren Unterschied zwischen den Begriffen Dilettant und Amateur, welcher sich auf die weitere Verwendung dieser Begriffe beziehen: Die Begriffe „Dilettant“[3] und „dilettantisch“ können abwertend verwendet werden. Eine „dilettantisch“ ausgeführte Tätigkeit wird dann gleichgesetzt mit „unfachmännisch“, „unsachgemäß“, „fehlerhaft“, „stümperhaft“ oder „oberflächlich ausgeführt“. In der Neuzeit hat sich eine Synthese beider Begriffsdeutungen ergeben. Dilettantismus ist die Unfähigkeit, niedere Problemstellungen zu begreifen und sie in geeigneter Weise zu bearbeiten. Der Begriff Amateur kann leicht abwertend (also weniger stark als der Begriff Dilettant) verwendet werden. Die Begriffe Amateur und amateurhaft werden dann im Sinne von „nicht auf professionellem Niveau“ bzw. „ohne die nötigen Fachkenntnisse“ gebraucht.
Geschichte
Der Begriff galt ursprünglich dem nicht geschulten Künstler oder Kunstliebhaber. Er ist zusammen mit dem Verb dilettieren seit dem 18. Jahrhundert in der deutschen Sprache belegt und war besonders in der Bezeichnung musikalischer Werke zu finden, die „für Kenner und Liebhaber“ geschrieben wurden. Das Wort war dabei keineswegs abwertend gemeint, sondern diente vielmehr dazu, die Tätigkeiten der Adeligen von denen derjenigen abzugrenzen, die sie zur Bestreitung ihres Lebensunterhaltes ausüben mussten.
In den 1980er Jahren bezeichneten sich Musiker, die gegen alle Traditionen der Popmusik anspielten, als „Geniale Dilletanten“, die bereits in der Schreibweise (absichtlich) dilettierten. Zu ihnen gehörten unter anderem Bands wie Die Tödliche Doris und Einstürzende Neubauten.
Berühmte Dilettanten
- Manfred von Ardenne; ohne Studium Erfinder auf mehreren Gebieten.
- Beaumarchais, Uhrmacher, verfasste das Erfolgsstück Der tolle Tag oder Figaros Hochzeit.
- Die Chirurgen Theodor Billroth und Johann von Mikulicz musizierten mit Johannes Brahms.
- Jakob Böhme, Schuhmacher, war Mystiker, Philosoph und Theosoph.
- James Bradley, Theologe, entdeckte die Aberration des Lichtes.
- Albert Einstein (Physiker) wurde als Violinist von Youra Guller begleitet.
- Léon Foucault, Autodidakt, bewies mit dem Foucaultschen Pendel die Erdrotation, erfand die Schreibmaschine und maß die Lichtgeschwindigkeit.
- Benjamin Franklin, Buchdrucker, erfand den Blitzableiter.
- Friedrich II. war passionierter Flötist, ließ sich auch als solcher porträtieren und komponierte vier Flötenkonzerte.
- Richard Buckminster „Bucky“ Fuller (1895–1983) war ein US-amerikanischer Architekt, Konstrukteur, Visionär, Designer, Philosoph und Schriftsteller.
- Johann Wolfgang von Goethe, Jurist und Dichter, entdeckte die Metamorphose und das Zwischenkieferbein des Menschen (letzteres nahm er für sich zumindest in Anspruch), hielt die Farbenlehre für sein bedeutendstes Werk. Auch war er „Panamateur“ auf den Gebieten der Malerei, der Musik, der Botanik und der Medizin.
- Otto von Guericke, Jurist und Bürgermeister von Magdeburg, begründete die Vakuumtechnik.
- Friedrich von Hahn, Naturphilosoph, errichtete mit der Sternwarte Remplin das erste Observatorium in Mecklenburg.
- Wilhelm Herschel, Musiker, wurde der größte Astronom seiner Zeit.
- Carl Humann, Ingenieur, grub die Ruinen des Pergamonaltars aus.
- Sebastian Kneipp, Priester, hat im 19. Jahrhundert die Hydrotherapie neu entdeckt und ist Namensgeber der Kneipp-Medizin.
- Hedy Lamarr, Schauspielerin, erfand zum Zwecke der Torpedo-Steuerung das Frequenzsprungverfahren, was die Entwicklung moderner drahtloser Datenübertragung wie Bluetooth und WLAN beeinflusste.
- Antoni van Leeuwenhoek, Tuchhändler, baute Mikroskope von bis dahin unerreichter Qualität und entdeckte damit u. a. Bazillen und Spermatozoen.
- David H. Levy, Wissenschaftsjournalist, entdeckte zahlreiche Kometen (z. B. Shoemaker-Levy 9); viele davon mit Eugene Shoemaker und dessen Ehefrau Carolyn Shoemaker.
- Gregor Mendel, der Augustiner, entdeckte bei Erbsen die Vererbungsregeln, die bis heute als Mendelsche Regeln bekannt geblieben sind.
- Gebrüder Montgolfier, Papierfabrikanten, erfanden den Heißluftballon.
- Nicolaus Otto war – ohne Ingenieurausbildung – ein Miterfinder des Viertaktprinzips und Konstrukteur, ihm zu Ehren werden heute Verbrennungskraftmaschinen mit Fremdzündung Ottomotor genannt.
- Joseph Priestley, Prediger, entdeckte Sauerstoff, Ammoniak, Kohlendioxid und Chlorwasserstoff.
- Graf Rumford, Politiker, lieferte einen wesentlichen Beitrag zur Wärmelehre und kochte die erste Rumfordsuppe.
- Heinrich Schliemann, Kaufmann, grub Troja aus.
- Helmut Schmidt spielte mit Justus Frantz und Christoph Eschenbach das 7. Klavierkonzert von Mozart ein. Der Part war historisch der jüngsten Tochter der Gräfin Lodron, Josepha, zugedacht.
- Robert Stirling, Pastor, entwickelte den Stirlingmotor.
- Felix Wankel, Entwickler – ohne Ingenieurausbildung – des Kreiskolbenmotors und vieler daraus hervorgehender Anwendungen.
- Carl Friedrich Zelter, Maurermeister und Bauunternehmer, war nebenbei Musiker, Musikpädagoge, Dirigent und Komponist. Zu seinen Schülern gehörte Felix Mendelssohn Bartholdy.
Dilettanten als Motiv in der Literatur
Beispiele für den Dilettanten als Motiv in der Literatur sind die beiden Titelfiguren in Bouvard und Pécuchet von Gustave Flaubert oder das Dilettantentheater in Shakespeares Ein Sommernachtstraum, das später auch Goethe im ersten Teil des Faust motivisch verarbeitete.
Ludwig Kalisch schilderte 1846 in den Fliegenden Blättern satirisch Erfahrungen mit Dilettanten.[4]
Dilettantentheater
Der Begriff lässt sich schwer vom Vereinstheater oder dem Laienspiel abgrenzen.[5]
Literatur
- Safia Azzouni, Uwe Wirth (Hrsg.): Dilettantismus als Beruf. Kadmos, Berlin 2009, ISBN 978-3-86599-080-8.
- Stefan Blechschmidt, Andrea Heinz (Hrsg.): Dilettantismus um 1800. Universitätsverlag Winter, Heidelberg 2007, ISBN 978-3-8253-5324-7.
- Johann Wolfgang von Goethe: Über den sogenannten Dilettantismus oder die praktische Liebhaberey in den Künsten. In: Goethes Werke. Vollständige Ausgabe letzter Hand. Band 44: Goethes nachgelassene Werke. Cotta, Stuttgart/Tübingen 1833, S. 256–285. (Digitalisat). - siehe auch Über den Dilettantismus.
- Simone Leistner: Dilettantismus. In: Karlheinz Barck u. a. (Hrsg.): Ästhetische Grundbegriffe. Bd. 2: Dekadent–Grotesk. Metzler, Stuttgart / Weimar 2010, ISBN 978-3-476-02355-1, S. 63–87.
- Laurenz Lütteken, Stephan Brakensiek: Dilettant. in: Friedrich Jaeger (Hrsg.): Enzyklopädie der Neuzeit. Bd. 2: Beobachtung–Dürre. Metzler, Stuttgart / Weimar 2005, ISBN 978-3-476-01992-9, Sp. 1021–1025.
- Wolfgang Müller (Hrsg.): Geniale Dilettanten. Merve, Berlin 1982, ISBN 3-88396-021-7.
- Elisabeth Strauß (Hrsg.): Dilettanten und Wissenschaft. Zur Geschichte und Aktualität eines wechselvollen Verhältnisses. Rodopi, Amsterdam / Atlanta, Georgia 1996, ISBN 90-5183-719-4 (falsch).
Weblinks
- Wort-, Sach- und Sozialgeschichte des Begriffs ( vom 8. Januar 2013 im Internet Archive) von Georg Stanitzek
- Dilettantismus als Methode. Mark Dions Recherchen zur Phänomenologie der Naturwissenschaften, Univ.-Diss. von Christine Heidemann, mit Kapitel zur Begriffsgeschichte des Dilettantismus
Siehe auch
Einzelnachweise
- ↑ Friedrich Kluge, Alfred Götze: Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache. 20. Auflage. hrsg. von Walther Mitzka, De Gruyter, Berlin / New York 1967; Neudruck („21. unveränderte Auflage“) ebenda 1975, ISBN 3-11-005709-3, S. 133.
- ↑ Christoph Weißer: Zur Qualität medizinhistorischer Beiträge in rezenten klinischen Zeitschriften. Kritische Anmerkungen am Beispiel der Geschichte der Unfallchirurgie. In: Würzburger medizinhistorische Mitteilungen. Band 23, 2004, S. 436–445, hier: S. 436.
- ↑ Vgl. Friedrich Kluge, Alfred Götze: Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache. 1967, S. 133 („Schelte des Halbwissers, der namentlich Kunst ohne Ernst und Schulung treibt“).
- ↑ Ludwig Kalisch: Dilettanten. Satire. In: Fliegende Blätter. Band 2, Heft 26, 1846, S. 9–13. (Transkription.)
- ↑ Eda Sagarra: Gabriele Clemens , „Erziehung zu anständiger Unterhaltung“. Das Theaterspiel in den katholischen Gesellen- und Arbeitervereinen im deutschen Kaiserreich. Eine Dokumentation. 2000. In: arbi. Band 19, Nr. 3, April 2002, ISSN 1865-8849, S. 331–333, doi:10.1515/ARBI.2001.331 (degruyter.com [abgerufen am 28. Dezember 2023]).