Willi Meyer-Wendeborn (* 24. Juni 1891 in Hamburg; † nach 1965) war ein deutscher Kaufmann, NSDAP-Funktionär und Mitglied der SS.
Wendeborn bekleidete ab 1934 die Position des Kreisleiters der NSDAP für den Landkreis Cloppenburg und war während des Zweiten Weltkriegs in verschiedene Funktionen der NSDAP eingebunden. 1946 wurde er im Rahmen des Nürnberger Prozesses gegen die Hauptkriegsverbrecher vernommen.[1]
Leben
Willi Meyer Wendeborn wurde am 24. Juni 1891 in Hamburg geboren.[2] Nach seiner Schulzeit erlernte er den Beruf des Kaufmanns. Er nahm ab 1914 am Ersten Weltkrieg teil. Nach Kriegsende kehrte er ins Zivilleben zurück und arbeitete im kaufmännischen Bereich. Von 1930 bis 1936 war er Geschäftsführer der Arkenauschen Apfelweinkelterei in Brokstreek.
Wendeborn war evangelischer Konfession. Im Jahr 1938 trat er aus der Kirche aus.
Politische Karriere
Wendeborn trat 1932 in die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP) ein und wurde im gleichen Jahr Ortsgruppenleiter in Essen (Oldenburg). Im Jahr 1933 trat er der Schutzstaffel (SS) bei. Ab 1934 war er Kreisleiter der NSDAP für den Landkreis Cloppenburg.[3] Während seiner Zeit als Kreisleiter nahm er auch kommissarisch die Funktion des Ortsgruppenleiters in Barßel (November 1937) sowie des Kreisleiters in Vechta (März–November 1943) wahr.[4]
Einfluss als Kreisleiter im Landkreis Cloppenburg
Im stark katholisch geprägten Landkreis Cloppenburg war der Handlungsspielraum des Kreisleiters erheblich eingeschränkt. Die eigentliche Aufgabe der Kreisleiter war die Überwachung und Optimierung von Parteistrukturen im Kreis, sie verantworteten die lokale Propaganda, überwachten die Bevölkerung und hatten oft erheblichen Einfluss auf kommunale Verwaltungen.
Meyer-Wendeborn stand in gutem Einvernehmen mit dem Cloppenburger Amtshauptmann Münzebrock[5] und versuchte sich als Kreisleiter zu entfalten, stieß insbesondere bei kirchenpolitischen Maßnahmen aber immer wieder auf erheblichen Unwillen der Bevölkerung. Auch nach zwölf Jahren Tätigkeit als Kreisleiter hatte er kaum Zugang zur örtlichen Mentalität gefunden.[6]
Gemeinsam mit dem nationalsozialistischen Amtshauptmann Münzebrock gelang es ihm jedoch in Stadt und Kreis die Partei- und Jugendorganisationen der NSDAP zu etablieren und den Großteil der Jugendlichen in Cloppenburg zu erfassen.[7]
Seine Maßnahmen als Kreisleiter sind teils als moderat, teils als hart einzuschätzen. Im Falle der Absetzung des Gemeindevorstehers Meiners in Garrel sorgte er beispielsweise für die Einsetzung eines Parteimitglieds als Gemeindevorsteher, betonte in Einlassungen aber die gute Amtsführung des bisherigen Amtsinhabers.[8]
Maßnahmen gegen Geistliche
Meyer-Wendeborn drückte seine Befugnisse jedoch auch mit harten Maßnahmen in der Verfolgung von Geistlichen aus. Pfarrer Wilhelm Bitter aus Lohne wurde aufgrund von Aussagen gegen die NSDAP auf Betreiben von Meyer-Wendeborn inhaftiert und blieb wochenlang in Gestapo-Haft.[9] In Barßel wurde Pfarrer Joseph Diersen fünf Monate in Schutzhaft genommen, weil er ein Glockenläuten zu Ehren der Wehrmacht unterlassen hatte.[10] Meyer-Wendeborn betrieb in der Folge seine Versetzung und versuchte so den erfolglosen Ortsgruppenleiter Fokko Diskus zu stärken.[11] Auch den Geistlichen in Peheim, Gottfried Engels, versuchte der Kreisleiter aus der Gemeinde zu entfernen.[12] Für den aktiv am Kreuzkampf beteiligten Kaplan Fresenborg, der später in das Konzentrationslager Dachau eingeliefert wurde, ist ein Verhör durch Meyer-Wendeborn belegt, der ihn aufgrund mehrerer kritischer Predigten zunächst verwarnte.[13] Kaplan Henn aus Cloppenburg wurde ebenfalls von Kreisleiter und Amtshauptmann verhört und schließlich bei der Gestapo angezeigt.[14] In Garrel wurde der in mehreren Konflikten mit Meyer-Wendeborn stehende Kaplan von der NSDAP Ortsgruppe bespitzelt und musste sich regelmäßig mit dem Kreisleiter auseinandersetzen.[15] Zum Verhör beim Kreisleiter mussten außerdem die Geistlichen Georg Meyer aus Sedelsberg[16] sowie Paul Saalfeld aus Lindern[17] erscheinen.
Die Gegnerschaft zur Kirche drückte sich auch in kleinem Zank aus, wenn Meyer-Wendeborn etwa gegen den Willen der Geistlichen Grabreden bei katholischen Begräbnissen von Parteimitgliedern hielt.[18] Außerdem sorgte er für die Entlassung bzw. Versetzung politisch unliebsamer, geistlicher und weltlicher Lehrer, wie etwa im Falle des Löninger Schulleiters Florenz Beckmann.[19]
Beteiligung am Porajmos
In der damaligen Gemeinde Altenoythe lebten mehrere Sinti und Roma Familien, die sich ab 1938 zunehmender Diskriminierung und Verfolgung ausgesetzt sahen.
1943 wurden Sinti und Roma Familien in einer Großrazzia verhaftet und in das KZ Auschwitz beziehungsweise ins KZ Buchenwald deportiert. Nur zwei Angehörige dieser Familien überlebten das Konzentrationslager. Meyer-Wendeborn hat zusammen mit Amtshauptmann Münzebrock die Diskriminierung der Familien durch Eingaben bei den zuständigen Stellen betrieben. Ihre Aktivitäten und Beschwerden bei den übergeordneten Ämtern führten schließlich zur Deportation. Darunter ist auch die bei der Kreisleitung veranlasste behördliche Einstufung von Sinti und Roma Kindern als „arbeitsscheu“ und „asozial“, nebst der Empfehlung einer Unterbringung in Lagern zu fassen.[20][21]
Sogenannte Arisierung jüdischen Eigentums in Cloppenburg
In der Folge der reichsweiten Pogrome im November 1938 kam es auch in Cloppenburg zu Zerstörungen und Deportationen. Die jüdischen Familien Cloppenburgs wurden in der Folge ihrer Besitztümer beraubt. Meyer-Wendeborn hatte von diesen Vorgängen nicht nur Kenntnis, sondern war zusammen mit Amtshauptmann Münzebrock aktiv daran beteiligt.[22] Den Cloppenburger Auktionator, der das jüdische Eigentum versteigerte, rügte er in einer Vorladung wegen Äußerungen gegenüber dem zuständigen Amt für Volkswohlfahrt und mahnte ihn zum Parteibeitritt.[23]
Meyer-Wendeborn war maßgeblich an der Etablierung der NSDAP- und Jugendorganisationen in einem stark katholischen, widerständigen Umfeld beteiligt. Seine Maßnahmen reichten von moderaten Ansätzen, wie der Unterstützung bewährter Amtsführer oder Verwarnungen, bis hin zu repressiven Aktionen gegen Geistliche, einschließlich Verhören, Schutzhaft und Versetzungen. Er versuchte den Einfluss der katholischen Kirchen zurückzudrängen, bestrafte ihre Vertreter für geringste Verstöße und griff aktiv in kirchenpolitische Konflikte ein. Außerdem etablierte er parteitreue Personen in Schlüsselpositionen. Dies steht im schroffen Gegensatz zu seinen Aussagen im Nürnberger Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher. Auch seine vermeintliche Unkenntnis zu Verfolgungen und Deportationen ist durch die historische Forschung widerlegt.
Vernehmung in den Nürnberger Prozessen
Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurde Wendeborn im Rahmen des Nürnberger Prozesses gegen die Hauptkriegsverbrecher vernommen. Seine Vernehmung fand am 30.[24] und 31. Juli[25] 1946 statt. Dabei sollte seine Rolle als Kreisleiter und seine Kenntnis über die Verbrechen des NS-Regimes beleuchtet werden.
Meyer-Wendeborn spielte seine Rolle als Kreisleiter der NSDAP herunter und betonte wiederholt, dass er keine Anweisungen zu repressiven Maßnahmen gegeben habe und diese in die Zuständigkeit staatlicher Organe wie der Gestapo fielen. Er bestritt eine enge Zusammenarbeit mit der Staatspolizei, die Führung von Gegnerkarteien oder eine aktive Beteiligung an Verhaftungen. Zudem behauptete er, der Kirchenkampf sei verboten gewesen und seine Kreisleitung habe keine eigenständige Politik betrieben. Er stellte sich als Beobachter dar, der lediglich Fürsorge- und Verwaltungsaufgaben wahrgenommen habe und keine Kenntnis von umfassenden Verbrechen, wie den systematischen Judenverfolgungen oder Konzentrationslagern, hatte.
Seine Aktivitäten zeigen jedoch, dass er aktiv und teils mit harter Hand daran arbeitete, Widerstand gegen die NSDAP zu unterdrücken und ihre Ideologie auch in einer schwierigen Region durchzusetzen.
Einzelnachweise
- ↑ Die Zeugen vor dem IMT und ihr späteres Auftreten in den NMT-Prozessen. In: Kim Christian Priemel, Alexa Stiller (Hrsg.): NMT: die Nürnberger Militärtribunale zwischen Geschichte, Gerechtigkeit und Rechtschöpfung. Hamburger Ed, Hamburg 2013, ISBN 978-3-86854-260-8, S. 813–825.
- ↑ Michael Rademacher: Die Kreisleiter der NSDAP im Gau Weser-Ems. Tectum Verlag, Marburg 2005, ISBN 978-3-8288-8848-7, S. 96–97.
- ↑ Erich Stockhorst: Fünftausend Köpfe: Wer war was im Dritten Reich. Blick & Bild Verlag, 1967, S. 294.
- ↑ Rademacher, Kreisleiter der NSDAP, S. 96–97.
- ↑ Rademacher, Kreisleiter der NSDAP, S. 251–253
- ↑ Rademacher, Kreisleiter der NSDAP, S. 305
- ↑ Oldenburgs Priester unter NS-Terror 1932-1945: Herrschaftsalltag in Milieu und Diaspora; Festschrift für Joachim Kuropka zum 65. Geburtstag. Aschendorff, Münster 2006, ISBN 978-3-402-02492-8, S. 260.
- ↑ Oldenburgs Priester unter NS-Terror, S. 323–325
- ↑ Oldenburgs Priester unter NS-Terror, S. 93–96
- ↑ Oldenburgs Priester unter NS-Terror, S. 128–133
- ↑ Oldenburgs Priester unter NS-Terror, S. 124–125
- ↑ Oldenburgs Priester unter NS-Terror, S. 146–148
- ↑ Oldenburgs Priester unter NS-Terror, S. 175–179
- ↑ Oldenburgs Priester unter NS-Terror, S. 264–266
- ↑ Oldenburgs Priester unter NS-Terror, S. 330–332
- ↑ Oldenburgs Priester unter NS-Terror, S. 392–394
- ↑ Oldenburgs Priester unter NS-Terror, S. 548–549
- ↑ Oldenburgs Priester unter NS-Terror, S. 252
- ↑ Oldenburgs Priester unter NS-Terror, S. 77–78
- ↑ Hans Hesse, Jens Schreiber: Vom Schlachthof nach Auschwitz: die NS-Verfolgung der Sinti und Roma aus Bremen, Bremerhaven und Nordwestdeutschland. Tectum, Marburg 1999, S. 253–263.
- ↑ Vereinigung der Verrfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten: Die Verfolgung der Lüneburger Sinti. Lüneburg 2009, S. 24–27.
- ↑ Geschichtsausschuss des Heimatbundes: Nationalsozialismus im Oldenburger Münsterland. Beiträge zum 2. Studientag des Geschichtsausschusses im Heimatbund für das Oldenburger Münsterland. In: Blaue Reihe. Band 2. Löningen 2000, S. 112–124.
- ↑ Nationalsozialismus im Oldenburger Münsterland, 118–119
- ↑ Zeno: Der Nürnberger Prozeß, Hauptverhandlungen, Einhundertneunzigster Tag. Dienstag, 30. Juli 1946, Nachmittagssitzung. Archiviert vom am 1. Dezember 2024; abgerufen am 29. Dezember 2024.
- ↑ Zeno: Der Nürnberger Prozeß, Hauptverhandlungen, Einhunderteinundneunzigster Tag. Mittwoch, 31. Juli 1946, Vormittagssitzung. Archiviert vom am 6. Mai 2024; abgerufen am 29. Dezember 2024.
Personendaten | |
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NAME | Meyer-Wendeborn, Willi |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Kaufmann, NSDAP-Funktionär und Mitglied der SS |
GEBURTSDATUM | 24. Juni 1891 |
GEBURTSORT | Hamburg |
STERBEDATUM | nach 1965 |