Werner Klimpt (Egon Eugen Werner Klimpt; * 19. Juli 1900 in Potsdam; † Mai 1978 in den USA) war ein deutscher und US-amerikanischer Ökonom und Mathematiker. Obwohl er von der Gestapo wegen kommunistischer Aktivitäten überwacht wurde, konnte er bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs in Deutschland verbleiben. 1946 übersiedelte er in die USA.
Leben
Werner Klimpt war der Sohn eines evangelischen Buchhalters aus Potsdam. Dort hatte er auch an Ostern 1919 die Notreifeprüfung am Realgymnasium abgelegt.[1] Als Klimpt sich am 23. November 1926 erstmals an der Frankfurter Goethe-Universität einschrieb, hatte er bereits sechs Semester Mathematik und drei Semester Wirtschafts- und Sozialwissenschaften in Tübingen studiert und strebte einen Abschluss als Diplom-Volkswirt an.[1] Etwas abweichend davon ist auf seiner Anmeldekarte vom 13. Mai 1931 das Reifezeugnis auf den Herbst 1918 datiert, und darüber hinaus wurde festgehalten, er habe bisher 14 Semester studiert, davon acht „Theoretische Mat.-Ökonomie“, das Diplom sei abgelegt und er strebe eine wissenschaftliche Arbeit an.[1]
Zu Klimpts Leben vor seinem Wechsel nach Frankfurt gehört auch seine Freundschaft mit Lena Krieg. Der Briefwechsel aus den Jahren zwischen 1924 bis 1929 zeigt „das wissenschaftliche und politische Interesse der beiden am Thema Kommunismus und Sozialismus“. 1927 ging auch Krieg als Studentin nach Frankfurt und schloss sich wie Klimpt dort der Roten Studentengruppe (RSG) an, einer politisch links der SPD angesiedelten Studentenvereinigung.[2]:S. 32 Spätestens 1933 trennten sich die Wege von Klimpt und Krieg.
Über die Hintergründe von Klimpts Wechsel von Tübingen nach Frankfurt heißt es bei Marion Keller:
„In Tübingen hatte er die KoStuFra aufgebaut und an einer reichsweiten Vernetzung der roten Studentenbewegung mitgewirkt. Nach Frankfurt wechselte er, nachdem er in Tübingen für zwei Semester vom Studium ausgeschlossen worden war, weil er trotz eines Rektoratserlasses eine Veranstaltung mit einem bekannten kommunistischen Reichstagsabgeordneten (Arthur Rosenberg) organisiert hatte. In Frankfurt am Main, wo er mit Unterbrechung bis 1932 eingeschrieben war, gehörte er der Kommunistischen Studentengruppe an, deren Mitglieder auch in der RSG mitarbeiteten.“
Nach Keller zählte Klimpt neben Wolfgang Abendroth zu den Studierenden, die in Frankfurt am längsten der RSG angehörten. Die KoStuFra, die er in Tübingen mit aufgebaut hatte, war auch in Frankfurt eine der Fraktionen innerhalb der RSG, und so bestätigte noch der damalige Frankfurter Universitätsrektor Walter Platzhoff in einem Schreiben vom 5. September 1938, mit dem er auf ein Auskunftsverlangen der Gestapo vom 1. September 1938 antwortete, Klimpts Mitgliedschaft in „der kommunistischen Studentengruppe“.[1]
Am 29. Juni 1933 ordnete das Preußische Kultusministerium per Erlass (U I Nr. 21890) an, „alle Studierenden vom Hochschulstudium auszuschließen, ‚die sich in den letzten Jahren nachweislich in kommunistischem Sinne betätigt haben (auch ohne Mitglied der KPD zu sein)‘. Die Hochschulen wurden verpflichtet, zur Feststellung der in Frage kommenden Personen die örtlichen Studentenführungen heranzuziehen und Listen der relegierten Studenten an alle Hochschulen zu versenden, um eine Immatrikulation der Betroffenen an anderer Stelle zu verhindern.“[3] Der nach der Machtübernahme frisch gewählte Rektor der Goethe-Universität, Ernst Krieck, folgte unverzüglich diesem Erlass, richtete einen Ausschuss zur politischen Überprüfung der Studenten ein und ließ die im Erlass geforderten Listen erstellen.[4] Am 12. Juli 1933 schloss der Senat der Universität unter Berufung auf den Erlass Preußischen Kultusministeriums sieben Studentinnen und Studenten mit sofortiger Wirkung vom Universitätsstudium aus. 15 weitere, die zu dem Zeitpunkt der Universität nicht mehr angehörten, wurden beschuldigt, „sich während ihrer Zugehörigkeit zur Frankfurter Universität [..] in kommunistischem Sinn betätigt“ zu haben.[5]
Einer der 15 öffentlich als Kommunisten denunzierten Studenten war – ebenso wie seine frühere Freundin Lena Krieg – Werner Klimpt. In seiner Universitätsakte befindet sich zusätzlich noch die Kopie eines Schreibens vom 22. August 1933, in dem es heißt: „Auf Grund des Erlasses von 29. Juni 1933, U I Nr. 21890, ist sämtlichen deutschen Hochschulen mitgeteilt worden, dass Werner Klimpt sich während seiner Zugehörigkeit zur Universität Frankfurt a. M im kommunistischen Sinne betätigt hat.“ Es ist die Kopie eines Formschreibens, in dem Namen und Pronomen für unterschiedliche Personen und unterschiedlichen Geschlechts eingesetzt werden konnten.[1]
Für Klimpt scheint das alles keine Folgen gehabt zu haben. Obwohl er noch bis 1932 in Frankfurt eingeschrieben war, war er bereits 1931 in Heidelberg mit einer von Emil Julius Gumbel und Emil Lederer betreuten Dissertation promoviert worden[6] und konnte trotz dieser Denunziation seine wissenschaftliche Arbeit fortsetzten und 1936 seine Dissertation auch veröffentlichen. Klimpts persönlicher Eintrag im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek nennt als Wirkungsorte in nicht-chronologischer Reihenfolge Berlin, Tübingen und Heidelberg.[7] Aus der Biografie von Hans Heinrich Gerth, Klimpts Freund aus Frankfurter Tagen, geht hervor, dass Klimpt 1933 an der Berliner Universität tätig war, und zwar am Institut für Konjunkturforschung (Institute for Business Cycle Research).[8]:S. 116; an anderer Stelle heißt es allerdings, er habe am Institut für Weltwirtschaft in Berlin gearbeitet („Worked at the Institute for World Economics in Berlin“).[8]:S. 270 Das wird etwas deutlicher durch einen Hinweis auf die Jahre 1934 bis 1937, der besagt, Klimpt habe in diesem Zeitraum an „Prof. Wagemann's Institute for World Economics“ gearbeitet.[8]:S. 57 Das verweist auf Ernst Wagemann und das von ihm gegründete Institut für Konjunkturforschung, das spätere Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung.
Laut dem schon erwähnten Frankfurter Gestapo-Schreiben vom 1. September 1938 wohnte Klimpt zu dem Zeitpunkt in Berlin-Wilmersdorf.[1] Die Gründe, weshalb Klimpt jetzt ins Visier der Gestapo geriet, sind ebenso wenig bekannt wie seine Lebens- und Arbeitsbedingungen während der Zeit des Nationalsozialismus. Auskunft könnte vermutlich sein Nachlass in der New York Public Library geben (siehe Weblinks)[9], in dessen Beschreibung es heißt, er habe von 1933 bis 1939 am Institut für Konjunkturforschung in Berlin über die Forst-, Holz- und Papierindustrie geforscht. Außerdem gehört zum Nachlass ein Mitgliedsausweis der Organisation Todt.
Laut der Datenbank von Ellis Island traf Werner Klimpt am 30. September 1946 in New York ein. In der Passagierliste ist unter Familienstand ein „M“ für married eingetragen, d. h. er war verheiratet. Handschriftlich ist dazu zusätzlich vermerkt, er sei seit dem 6. Mai 1930 verheiratet, und ein weiterer Vermerk lautet „I.R.R.C.“, was ein Hinweis darauf ist, dass er mit Unterstützung des International Rescue and Relief Committee in die USA einreisen konnte, dem späteren International Rescue Committee. Dies wird bestätigt durch ein Dokument in der Datenbank von Ancestry mit dem Namen Free Access: Africa, Asia and Europe, Passenger Lists of Displaced Persons, 1946-1971 – Passenger Lists. Das Dokument besagt, dass Klimpt mit einem Non-Quota-Visum in die USA einreisen durfte und seine Passagierkosten vom IRRC übernommen worden waren.
Ein weiteres Dokument in der Ancestry-Datenbank[10], das Klimpts Registrierung für den Militärdienst dokumentiert, ist undatiert, kann aber nur aus dem Zeitraum zwischen seiner Ankunft in New York und dem 31. Dezember 1947 ausgestellt worden sein. Der zum Zeitpunkt der Registrierung arbeitslose (unemployed) Klimpt wohnte in Chicago, und in dem Zusammenhang wird auch erstmals Eva Klimpt erwähnt, seine damalige Ehefrau.[11]
Beim 1950 United States Federal Census (ebenfalls dokumentiert bei Ancestry) sah das Bild deutlich anders aus. Klimpts Familienstand ist als getrennt (seperated) vermerkt, und er lebte als Untermieter (Lodger) bei der aus Deutschland stammenden Familie Pachter in New York. Beruflich ist er als Mathematiklehrer an einem College eingetragen.
Ein letztes Ancestry-Dokument, der Social Security Death Index, 1935-2014, datiert Klimpts Tod auf den Mai 1978 und nennt als letzten Wohnsitz Seattle.
Werke
- Mathematische Untersuchungen im Anschluß an L. v. Bortkiewicz über die Reproduktion und Profitrate, Philosophische Dissertation, Heidelberg 1931, veröffentlicht Berlin 1936.
Literatur
- Marion Keller: Rote Studentengruppe(n). Antifaschistische Organisierung an Universitäten in Deutschland, 1930 bis 1933, in: ARBEIT Bewegung GESCHICHTE. Zeitschrift für Historische Studien, 2022/II, S. 46–72 (Online).
- Lioba Canan Tekin: Lena Krieg, Elisabeth Kolb, Gisèle Freund und die Rote Studentengruppe. Studentinnen der Universität Frankfurt am Main um 1933 zwischen Kritischer Theorie und antifaschistischem Widerstand, Masterarbeit, J. W. Goethe-Universität Frankfurt a. M., 2017.
- Nobuko Gerth: „Between Two Worlds“. Hans Gerth – eine Biographie 1908–1978. Springer Fachmedien, Wiesbaden 2002, ISBN 978-3-8100-3282-9 (auch als eBook erhältlich: ISBN 978-3-663-09396-1).
Weblinks
- Literatur von und über Werner Klimpt im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Deutsche Digitale Bibliothek: Klimpt, Werner * 19.7.1900 (Akten aus dem Universitätsarchiv Tübingen).
- Archivinformationssystem Hessen (Arcinsys)
- Werner Klimpt, Signatur „UAF, 604, 3730“ (Studentenakte aus dem Universitätsarchiv der Goethe-Universität)
- Nachlass von Theodor Wiesengrund Adorno, Signatur „UBA Ffm, Aa 1, 18“ (hierin: Briefwechsel zwischen Friedrich Pollock mit Eve Selcke-Klimpt (USA) wegen ihrer Bitte um eine Bescheinigung für ihre Wiedergutmachungsansprüche von 1959)
- The New York Public Library: Werner E.E. Klimpt papers 1922-1960 [bulk 1939-1960].
Einzelnachweise
- ↑ a b c d e f Archivsystem Hessen: Werner Klimpt, Signatur: „UAF, 604, 3730“ (Universitätsarchiv)
- ↑ Lioba Canan Tekin: Lena Krieg
- ↑ Michael Grüttner: Studenten im Dritten Reich. Geschichte der deutschen Studentenschaften 1933–1945, Schöningh, Paderborn 1995, ISBN 3-506-77492-1, S. 207. (Online auf Digi20 von Bayrischer Staatsbibliothek & DFG)
- ↑ Gerda Stuchlik: Goethe im Braunhemd. Universität Frankfurt 1933 – 1945, Röderberg-Verlag, Frankfurt am Main 1984, ISBN 3-87682-796-5, S. 83
- ↑ Der Erlass ist abgedruckt bei Christoph Dorner, Lutz Lemhöfer, Reiner Stock, Gerda Stuchlik, Frank Wenzel: Die braune Machtergreifung. Universität Frankfurt 1930 – 1945, AStA der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität, Frankfurt am Main 1989, S. 82
- ↑ Werner Klimpt: Mathematische Untersuchungen im Anschluß an L. v. Bortkiewicz über Reproduktion und Profitrate im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek & Mathematics Genealogy Project: Werner Klimpt
- ↑ Gemeinsame Normdatei: Werner Klimpt
- ↑ a b c Nobuko Gerth: „Between Two Worlds“
- ↑ „Collection consists of diaries and notebooks Klimpt kept in Germany during World War II, 1939-1946, and in New York, Chicago and Galesburg, Ill., 1946-1958.“
- ↑ U.S., World War II Draft Cards Young Men, 1940-1947 for Werner Egon Eugen Klimpt/USA, Zweiter Weltkrieg Einberufungskarten Junge Männer, 1940-1947 für Werner Egon Eugen Klimpt
- ↑ Zu Eve Selcke-Klimpt, deren Briefwechsel mit Friedrich Pollock sich im Nachlass von Theodor W. Adorno befindet (siehe Weblinks), finden sich in den Datenbanken keine weiteren Hinweise.
Personendaten | |
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NAME | Klimpt, Werner |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Ökonom und Mathematiker, aktiver NS-Gegner an den Universitäten in Tübingen und Frankfurt am Main |
GEBURTSDATUM | 19. Juli 1900 |
GEBURTSORT | Potsdam |
STERBEDATUM | Mai 1978 |
STERBEORT | USA |