Das Thorner Religionsgespräch (lat. Colloquium Charitativum Thoruniense) fand vom 28. August 1645 bis zum 21. November 1645 in Thorn, im polnischen Königlich Preußen, statt.
Anlass und Zweck
König Wladislaus IV. von Polen hoffte, auf dem Weg eines Religionsgesprächs die komplizierten konfessionellen Verhältnisse in seinem Lande klären und die kirchliche Einheit wiederherstellen zu können. Die schwierige konfessionelle Ausgangslage lässt sich beispielhaft an der Stadt Thorn und deren Umland veranschaulichen. Die überwiegend protestantische Stadt an der Weichsel lag in der Nähe des protestantischen Herzogtums Preußen, gehörte aber zum konfessionell gemischten Königlichen Preußen, das 1569 durch die Union von Lublin Teil der überwiegend streng katholischen polnisch-litauischen Adelsrepublik Rzeczpospolita geworden war.
Teilnehmer und Verlauf
Auf Einladung des Königs begann am 28. August 1645 im Rathaus Thorn unter dem Vorsitz des Großkanzlers Georg Ossolinski das Thorner Religionsgespräch. Anwesend waren 26 katholische, 28 lutherische und 24 reformierte Theologen. Zu den Teilnehmern gehörten orthodoxe Lutheraner wie Johann Hülsemann (Geschäftsleiter der lutherischen Abteilung aus Wittenberg), Abraham Calov und der Ireniker Georg Calixt (als Berater der Königsberger Lutheraner), daneben auch Unitarier wie Stanislaus Lubienietzki als Vertreter der Polnischen Brüder.
Kurfürst Friedrich Wilhelm von Brandenburg hatte, in seiner Funktion als Herzog von Preußen und Vasall des polnischen Königs, drei lutherische Professoren der Universität Königsberg zum Religionsgespräch entsandt: Michael Behm, Christian Dreier und Levin Pouchern. Die Beratungen sollten in drei Phasen stattfinden: 1. Darlegung der Glaubensstandpunkte der Konfessionen; 2. Überprüfung dieser Standpunkte auf ihre Richtigkeit; 3. Klärung der Kontroversen. Schon bald zeigte sich jedoch, dass die Delegationen primär daran interessiert waren, die Standpunkte der anderen Seite als Irrlehre zu entlarven. Die Verhandlungen kamen wegen dieser Haltung der Beteiligten nie über die erste Phase hinaus und wurden nach 36 Sitzungen, davon vier öffentlichen, am 21. November ergebnislos abgebrochen.[1]
Folgen und Bedeutsamkeit
Infolge des Scheiterns des Thorner Religionsgesprächs wurden die politischen und konfessionellen Spannungen innerhalb Polens, zumal innerhalb der Stadt Thorn, nicht ausgeräumt. Jahrzehnte später entluden sie sich im Thorner Tumult und Thorner Blutgericht.
Gleichwohl gilt das Thorner Religionsgespräch als der bedeutendste Versuch während des Dreißigjährigen Krieges, einen Ausgleich zwischen den Konfessionen herbeizuführen. Polen war freilich nicht in den Krieg verwickelt, der im Heiligen Römischen Reich wütete.
Literatur
- Hans-Joachim Müller: Irenik als Kommunikationsreform. Das Colloquium Charitativum in Thorn 1645. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2004, ISBN 3-525-35860-1 (Veröffentlichungen des Max-Planck-Institut für Geschichte 208).
- Inge Mager: Brüderlichkeit und Einheit. Georg Calixt und das Thorner Religionsgespräch 1645. In: Bernhart Jähnig (Hrsg.): Thorn. Königin der Weichsel. 1231–1981. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1981, ISBN 3-525-85926-0 (Beiträge zur Geschichte Westpreußens 7), S. 209–238.
- Franz Jacobi: Das liebreiche Religionsgespräch zu Thorn 1645. In: Zeitschrift für Kirchengeschichte 15, 1895, ISSN 0044-2925, S. 345–363, 485–560.
- Gerhard Müller, Horst Balz, Gerhard Krause (Hrsg.): Theologische Realenzyklopädie. Band 7. De Gruyter, Berlin 1981, ISBN 3-11-002218-4, S. 556 (online).
Fußnoten
- ↑ Theodor Moldaenke: Art. Thorner Religionsgespräch. In: Die Religion in Geschichte und Gegenwart, 1. Aufl., Bd. 5: Roh–Zypressen, Tübingen 1913, Sp. 1231–1232.