Das Schloss Schadau ist ein Schloss südlich des Ausflusses der Aare aus dem Thunersee in der Stadt Thun im Schweizer Kanton Bern.
Beschreibung und Historie
Es steht im Schadaupark, einer Englischen Gartenanlage, in der auch das Wocher-Panorama aufgestellt ist, und wurde 1846 bis 1854 nach Plänen von Pierre-Charles Dusillon in einem historistischen Mischstil von Tudor-Gotik und an die Loire-Schlösser angelehnter Neurenaissance für den Bankier Abraham Denis Alfred de Rougemont-de Pourtalès an Stelle eines alten Landsitzes erbaut.
Der Reichtum der Familien Rougemont und Pourtalès stammte unter anderem aus dem Sklavenhandel. Abrahams Vater, der Bankier Denis de Rougemont, gründete 1786 zusammen mit Hans Conrad Hottinger die Bank «Rougemont, Hottinger & Cie.». Diese beteiligte sich finanziell an Überseehandelsunternehmungen in den Sklavenexpeditionshäfen Le Havre, Nantes, Marseille und Genua. Der Grossvater von Abrahams Frau Sophie, der Neuenburger Jacques Louis de Pourtalès (1722–1814), wurde auch «Roi des négociants» genannt und galt als der reichste Schweizer der damaligen Zeit. Er besass mehrere Kaffee- und Zuckerrohrplantagen auf der Karibikinsel Grenada, in denen hunderte von Sklavinnen und Sklaven arbeiteten.[1]
1868 erbte Abraham de Rougemonts Sohn Johann Friedrich Albert das Gut. Er machte es erstmals der Öffentlichkeit zugänglich: Jeden Sonntag war der Park für die Thuner Bevölkerung geöffnet. Nach seinem Tod ging der Besitz 1899 an den einzigen Sohn über, Alfred Denis Louis. Der junge Baron nahm sich 1908 im Schloss das Leben, im Alter von 23 Jahren.[2]
Der Lokalhistoriker Louis Hänni vermutete, dass Liebeskummer der Grund war für den tragischen Tod des jungen Mannes. Hännis Mutter war als 15-jährige Halbwaise vom gütigen alten Schlossherrn aufgenommen worden, kurz bevor dieser starb. Sie hatte oft zusammen mit seinem Sohn gespielt, der ein Jahr jünger war als sie, und sich sehr gut mit diesem verstanden. Aus ihren Erzählungen wusste Hänni, dass der Jüngling – der einzige verbliebene Stammhalter der Familie de Rougemont – nach dem Willen seiner Mutter eine Adlige hätte heiraten sollen. Diese Verbindung habe er aber abgelehnt, denn er sei in «eine Gewöhnliche» verliebt gewesen. Ob damit Louis Hännis Mutter selbst gemeint war, konnte dieser nicht mit Sicherheit sagen. Es gab aber Indizien dafür, unter anderem seinen Vornamen («Louis» war der Rufname von Alfred Denis Louis de Rougemont gewesen) und den Zeitpunkt des Suizids: weniger als ein Jahr, nachdem die junge Frau den Zimmermann Hänni geheiratet hatte.[3]
Der Thuner Autor und Regisseur Ueli Bichsel hat über diesen tragischen Stoff das Theaterstück Der letzte de Rougemont geschrieben, das im Juli 2023 in Uetendorf zur Uraufführung kam.[4]
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Das alte Schlösschen, 1835. Aquarell von Gabriel Lory
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Das neue Schloss kurz nach seiner Fertigstellung.
Aquarell von A. Barth, 1857 -
1890/1900
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1897
Seit 1925 gehört das Schloss der Stadt Thun. Es beherbergte – bis zum Umzug Ende 2017 nach Schloss Hünegg in Hilterfingen – das Schweizerische Gastronomie-Museum. In den Jahren 1972 bis 1992 wurden die Schlossfassaden durch die stadteigene Steinhauerequipe umfassend renoviert.
Im Juni 2019 eröffnete das Schloss Schadau nach eineinhalbjährigem Umbau als Hotel seine Tore. Aktuell bietet das Schloss neun individuelle Zimmer, ein Restaurant sowie eine Wein- und Portweinbar.
Seit 2009 verkehrt im Park eine Gartenbahn.[5]
Literatur
- Steffen Roth: „Die Riviera am Thunersee“. Der Schadaupark bei Thun und seine Bedeutung für die Region im 18. und 19. Jahrhundert. In: Die Gartenkunst. Februar 1997, S. 349–368.
Siehe auch
Weblinks
- Offizieller Internetauftritt
- Bestände (Bilder) in der Burgerbibliothek Bern
- Infos zum Schloss auf der Website der Stadt Thun
- Bilder Schloss Schadau auf swisscastles.ch
- Schloss Schadau und Schadau auf thunensis.com
Einzelnachweise
- ↑ Murielle Buchs: Was das Schloss Schadau mit der Kolonialzeit zu tun hat. In: Berner Zeitung. 21. März 2022, abgerufen am 2. August 2023.
- ↑ Schloss Schadau & Schadaupark. thunensis.com, abgerufen am 2. August 2023.
- ↑ Thomas Kobel: Der Tod des letzten de Rougemont. In: Berner Zeitung. 28. Januar 2009, abgerufen am 2. August 2023. (Interview mit dem damals 81-jährigen Louis Hänni)
- ↑ Christina Burghagen: «Der letzte de Rougemont» erstklassig inszeniert. In: Thuner Tagblatt. 28. Juli 2023, abgerufen am 2. August 2023.
- ↑ Schadaubahn
Koordinaten: 46° 44′ 46″ N, 7° 38′ 14″ O; CH1903: 615175 / 177233