Der Richtervorbehalt ist eine gesetzliche Zuständigkeitsvorschrift, wonach nur ein Richter für bestimmte staatliche Maßnahmen und Entscheidungen zuständig ist. Diese Zuständigkeitsnormen finden sich im Verfassungsrecht (in Deutschland: Art. 13, Art. 104 Grundgesetz), sowie insbesondere im Strafverfahrensrecht (in Deutschland: diverse Normen der Strafprozessordnung) und im Polizeirecht des Bundes und der Länder, aber auch in anderen Rechtsgebieten (z. B. freiwillige Gerichtsbarkeit, Betreuungsrecht, Ausländerrecht). Danach sind vor allem schwerwiegende oder missbrauchsanfällige Eingriffe in Rechtsgüter eines Individuums von einer richterlichen Anordnung oder Genehmigung abhängig. Dies betrifft etwa Wohnungsdurchsuchungen, Freiheitsentziehungen, körperliche Eingriffe, Telefonüberwachungen, den sog. großen Lauschangriff oder teilweise auch DNS-Analysen.
Der Richtervorbehalt durchbricht dabei die Zuständigkeit der vollziehenden Gewalt für den ersten Zugriff mit der Folge, dass die Verwaltung (Polizei, Staatsanwaltschaft und andere Behörden) erst nach einer richterlichen Gestattung handeln darf. Dahinter steht die Überlegung, dass in diesen Fällen durch die meist unangekündigten Eingriffe regelmäßig vollendete Tatsachen geschaffen würden, so dass ein nachträglicher richterlicher Rechtsschutz zu spät käme und die Rechtsweggarantie leerliefe. Bestimmte Regelungen der Eilzuständigkeit gewährleisten wiederum, dass in Ausnahmefällen – insbesondere bei Gefahr im Verzug – den Behörden zumindest ein vorläufiger Eingriff erlaubt ist (sog. Gefahrdelegationen).
Die Regelungen der Richtervorbehalte und ihrer Ausnahmen sind selbst innerhalb der jeweiligen Rechtsgebiete im Einzelfall sehr unterschiedlich ausgestaltet. In vielen Fällen ist der Richter beim Amtsgericht – insbesondere der sog. Ermittlungsrichter – für die Entscheidung zuständig.
Die Praxis der richterlichen Tätigkeit aufgrund von Richtervorbehalten wird vor allem im Strafverfahrensrecht vielfach kritisch gesehen. So belegen rechtstatsächliche Untersuchungen zu Telefonüberwachungen, dass in etlichen Fällen die Entscheidungen nicht sehr gründlich abgefasst werden. Dies hat zu dem Verdacht geführt, dass Richter die schwerwiegenden Eingriffe in Grundrechte nach einer eher oberflächlichen Prüfung anordnen oder genehmigen – obwohl dies nach dem Sinn des Richtervorbehaltes gerade nicht der Fall sein sollte.
Literatur
- Malte Rabe von Kühlewein: Der Richtervorbehalt im Polizei- und Strafprozessrecht. Frankfurt a. M. 2001.
- Hans-Jörg Albrecht, Claudia Dorsch, Christiane Krüpe: Rechtswirklichkeit und Effizienz der Überwachung der Telekommunikation nach den §§ 100a, 100b StPO und anderer verdeckter Ermittlungsmaßnahmen. Freiburg im Br. 2003.
- Otto Backes, Christoph Gusy, unter Mitarbeit von Maik-Carsten Begemann, Siiri Doka und Anja Finke: Wer kontrolliert die Telefonüberwachung? – Eine empirische Untersuchung zum Richtervorbehalt bei der Telefonüberwachung. Peter Lang Verlag, Frankfurt am Main 2003, ISBN 978-3-631-51279-1.
- Jakob Pichon, Unendliche Geschichte: Neues zum Richtervorbehalt bei Blutentnahmen (§ 81a Abs. 2 StPO), HRRS 11/2011, 472 [1]
- Claudia Talaska: Der Richtervorbehalt im Strafprozessrecht – Ein sinnvolles Element des Grundrechtsschutzes? Hamburg 2007.