Ein Rechtssubjekt ist im deutschen Recht, wie auch in anderen Rechtsordnungen, eine natürliche Person (der Mensch) oder eine juristische Person (eine Handelsgesellschaft, ein Verein oder auch der Staat), die kennzeichnet, dass sie Träger von Rechten und Pflichten ist. Kraft der Eigenschaft ist sie handlungsfähig und kann wirksam am Rechtsverkehr teilnehmen. Ein Rechtssubjekt ist nicht Gegenstand von Rechten, er übt Rechte aus und kommt Pflichten nach. Den Gegensatz zu Rechtssubjekten bilden daher die Rechtsobjekte (Sachen), die Gegenstände der Rechts- und Pflichtausübung sind.[1]
Merkmale
Konstitutives Merkmal des Rechtssubjekts ist die Rechtsfähigkeit, die von der Rechtsordnung zuerkannte Fähigkeit, Träger von Rechten und Pflichten sein zu können. Wer nicht rechtsfähig ist, kann nicht Träger von Rechten und Pflichten und damit nicht Rechtssubjekt sein.[2] Weiteres Merkmal ist die Handlungsfähigkeit, die Fähigkeit durch eigene Handlung Rechtsfolgen herbeizuführen. Rechtshandlungen bewirken, dass Auswirkungen auf andere Rechtssubjekte (als Handelnde) geschaffen werden.[3]
Das deutsche BGB verwendet den Begriff des Rechtssubjekts nicht. Der erste Abschnitt des ersten Buches des BGB trägt die Überschrift „Personen“. Dessen erster Titel (§§ 1–14) wiederum heißt „Natürliche Personen, Verbraucher, Unternehmer“, der zweite (§§ 21–89) „Juristische Personen“.[4]
Das BGB regelt die wesentlichen privatrechtlichen Beziehungen der Rechtssubjekte[5] in den §§ 1–89 BGB oder der Rechtsobjekte (§§ 90–103 BGB). Die Rechtsordnung ermöglicht den Personen, in bestimmten Grenzen die eigenverantwortliche Gestaltung (Privatautonomie) ihrer Rechtsverhältnisse, deren Instrument das Rechtsgeschäft darstellt.[6]
Geschichte
Das römische Recht unterschied freie Menschen (Bürger, Peregrini mit abgestuften Rechten; vgl. hierzu ius civile, ius gentium) und Sklaven. Der Sklave war nicht Rechtssubjekt, sondern Rechtsobjekt und stand im Eigentum seines Patrons.[7]
Die Auffassung, dass nicht der Staat, sondern nur die Person des jeweiligen Herrschers Rechtssubjekt sein kann, hat sich in England uneingeschränkt über das Mittelalter hinaus behauptet.[8] Noch heute zeigt sich im englischen Recht, dass die Vorstellung eines Staates als Rechtssubjekt theoretisch schwach entwickelt ist.[9] Für den deutschen Verwaltungsrechtler Otto Mayer war 1909 der Staat ebenfalls noch kein Rechtssubjekt.[10] Der Staatsrechtler Hans Kelsen verlangte 1913, dass sich der Staat als Rechtssubjekt dem Recht unterwerfen müsse.[11] Der Rechtswissenschaftler Franz von Liszt stufte 1925 Staaten mindestens im Völkerrecht als Völkerrechtssubjekte ein, weil sie Träger von völkerrechtlichen Rechten und Pflichten sind. In ihrer Funktion als Vermögensträger oder Schuldner sind sie auch im Privatrecht für ihn Rechtssubjekte.[12]
Der deutsche Philosoph Immanuel Kant verstand 1784 unter Personen zurechnungsfähige Subjekte, „vernünftige Wesen unter moralischen Gesetzen“, die sich als Volk (die Menge der Rechtssubjekte) selbst zu einem Staat konstituierten.[13] „Das Rechtssubjekt führt also nicht nur Handlungen […] aus, sondern es ist in der Lage, für sich und für andere den Zweck dieser Handlungen gültig zu bestimmten“, womit Kant die Rechtlosen zu Rechtssubjekten erhebt. Für seinen Kollegen Adolf Lasson stand im Jahre 1882 fest, dass das, was innerhalb der Grenzen eines Gesetzes liegt, als die Sphäre der Befugnis aller Rechtssubjekte gilt.[14]
Der Allgemeine Teil des im Januar 1900 in Kraft getretenen BGB folgte der römisch-rechtlichen Einteilung in Personen als Rechtssubjekte (lateinisch personae), Sachen als Rechtsobjekte (lateinisch res) und Rechtshandlungen (lateinisch actiones). Demnach handeln Personen als Rechtssubjekte, indem sie Rechtsgeschäfte (meist Verträge) über Rechtsobjekte (Sachen oder Rechte) abschließen. Der Rechtsphilosoph Julius Binder kritisierte 1907, dass bisherige Theorien lediglich erklärten, was „Rechtsubjekt sein“ heiße, aber nicht, was ein Rechtssubjekt ist.[15]
Arten
Die nachstehenden Beispiele sind dem deutschen Recht entnommen. Sie gelten jedoch auch in Österreich, der Schweiz und jedenfalls dem sonstigen kontinentaleuropäischen, vom römischen Recht geprägten Rechtskreis. Kleinere Unterschiede sind bei den einzelnen juristischen Personen möglich.
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Natürliche und juristische Personen sind rechtsfähig. Das BGB kennt als juristische Personen den rechtsfähigen Verein (§§ 21 ff. BGB) und die rechtsfähige Stiftung (§§ 80 ff. BGB); die Rechtsfähigkeit verleiht ihnen den Status als Rechtssubjekte. Exemplarisch entschied der Bundesgerichtshof (BGH) im Januar 2001, dass auch die (Außen-)Gesellschaft der Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) Rechtsfähigkeit besitzt, sodass auch sie ein Rechtssubjekt darstellt.[16] Daraus folgt vor allem, dass ein Gesellschafterwechsel keinen Einfluss mehr auf die bestehenden Rechts- und Schuldverhältnisse der GbR hat.
Wegen ihrer besonderen wirtschaftlichen Bedeutung sind Rechtssubjekte auch die Kaufleute und die Handelsgesellschaften (Personengesellschaften und Kapitalgesellschaften, Genossenschaften oder der Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit). Auch die juristischen Personen des öffentlichen Rechts (Anstalten, Körperschaften, Stiftungen des öffentlichen Rechts und Gebietskörperschaften) sind Rechtssubjekte. Als Gebietskörperschaften zählen auch Bund, Länder und Kommunen dazu.
Tiere sind nicht rechtsfähig und damit keine Rechtssubjekte, sondern sind den Rechtsobjekten zuzuordnen (§ 90a BGB).[17] Dass sie damit Sachen gleichgestellt sind, beruht nicht auf mangelnder ethischer Sensibilität, sondern darauf, dass die Regeln des Sachenrechts auf Tiere ebenso gut passen wie auf andere Sachen. Die stille Gesellschaft ist eine reine Innengesellschaft, weil sich die Rechte und Pflichten des stillen Gesellschafters ausschließlich auf das Innenverhältnis beschränken; damit ist sie kein Rechtssubjekt.
Literatur
- Norbert Campagna: Person. In: Eric Hilgendorf, Jan C. Joerden (Hrsg.): Handbuch Rechtsphilosophie. Metzler, Stuttgart 2017, ISBN 978-3-476-05309-1, S. 373–378.
- Reinhard Damm: Personenrecht. Klassik und Moderne der Rechtsperson. In: Archiv für die civilistische Praxis (AcP). Band 202, 2002, S. 840–879 (2. Teilband).
- Stefan Klingbeil: Der Begriff der Rechtsperson. In: Archiv für die civilistische Praxis (AcP). Band 217, 2017, S. 848–885 (2. Teilband).
Weblinks
- Literatur von und über Rechtssubjekt im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
Einzelnachweise
- ↑ Reinhard Bork: Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Gesetzbuchs. 4. Auflage 2016, Rn. 151.; Stefan Klingbeil: Der Begriff der Rechtsperson. In: Archiv für die civilistische Praxis (AcP), Band 217, 2017, S. 848 (857 f., 871, 884 f.).
- ↑ Reinhard Bork: Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Gesetzbuchs. 2006, S. 64 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
- ↑ Jan C. Schuhr: Rechtsdogmatik als Wissenschaft. 2006, S. 50.
- ↑ Reinhard Bork: Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Gesetzbuchs. 2006, S. 63.
- ↑ Reinhard Bork: Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Gesetzbuchs. 2006, S. 26.
- ↑ Reinhard Bork: Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Gesetzbuchs. 2006, S. 155.
- ↑ Rudolph Sohm: Institutionen des römischen Rechts. 1923, S. 168.
- ↑ Wilhelm Kleineke: Englische Fürstenspiegel vom Policraticus Johanns von Salisbury bis zum Basilikon Doron König Jakobs I. 1937, S. 3.
- ↑ Hans-Dieter Gelfert: Typisch englisch. Wie die Briten wurden, was sie sind. 2011, S. 101.
- ↑ Otto Mayer: Das Staatsrecht des Königreichs Sachsen. 1909, S. 14.
- ↑ Hans Kelsen: Zur Lehre vom öffentlichen Rechtsgeschäft. In: Archiv des öffentlichen Rechts. Band 31, 1913, S. 212.
- ↑ Franz von Liszt, Max Fleischmann: Das Völkerrecht. 1925, S. 94 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
- ↑ Immanuel Kant: Einleitung in die Rechtslehre. 1784, S. 31.
- ↑ Adolf Lasson: System der Rechtsphilosophie. 1882, S. 207 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
- ↑ Julius Binder: Das Problem der juristischen Persönlichkeit. 1907, S. 46.
- ↑ BGH, Urteil vom 29. Januar 2001, Az.: II ZR 331/00
- ↑ Reinhard Bork: Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Gesetzbuchs. 2006, S. 99.
