Ein Rückwärtsgang ist eine technische Vorrichtung, ein Fahrzeug gegen dessen Hauptfahrtrichtung in Bewegung zu setzen. In Deutschland ist nach § 39 Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung bei bestimmten Arten von Kraftfahrzeugen eine Möglichkeit vorzusehen, diese vom Fahrersitz aus zum Rückwärtsfahren zu bringen.
Ein (im Getriebe realisierter) Rückwärtsgang ist dazu nicht zwingend vorgeschrieben, jedoch bei Fahrzeugen mit einem reinen Verbrennungsmotor als Antrieb notwendig.
Auch Fahrzeuge, die nicht unter diese Regelung fallen, sind teilweise mit Rückwärtsgang ausgestattet, so z. B. schwere Motorräder.
Bereits 1895 bot Daimler den sogenannten Riemenwagen mit Rückwärtsgang an. Benz folgte 1896, das Velociped war nun auf Kundenwunsch ebenfalls mit Rückwärtsgang erhältlich. Ab 1900 war bei Benz der Rückwärtsgang serienmäßig.
In technischer Hinsicht wird beim
- Schaltgetriebe zwischen Abtriebswellewelle und Vorgelegewelle ein Zahnrad zwischengeschaltet und beim
- Automatikgetriebe z. B. der Planetenradträger eines einfachen Planetenradsatzes festgehalten. Dadurch ändert sich die Drehrichtung der Antriebswelle. Manche Automatikgetriebe verfügen auch über zwei Rückwärtsgänge. Der zweite Gang dient dann dazu, das Anfahren auf glatter Fahrbahn zu vereinfachen.
Beim Toyota Prius existiert kein eigener Rückwärtsgang im Getriebe. Stattdessen wird der zweite Motorgenerator, der starr mit den Antriebsrädern gekoppelt ist, rückwärts angetrieben. Der Prius fährt somit rückwärts stets elektrisch, der Verbrennungsmotor steht währenddessen, sofern er nicht gerade zum Aufwärmen oder Laden der Batterie mit Leerlaufdrehzahl läuft.
Auch bei rein elektrisch betriebenen Fahrzeugen gibt es keinen Rückwärtsgang, der mit umgekehrter Drehrichtung laufende Elektromotor ermöglicht in solchen Fahrzeugen Rückwärtsfahren.
In älteren französischen Automobilen ist der Rückwärtsgang meist mit „AR“ statt „R“ gekennzeichnet, weil Rückwärts auf Französisch arrière heißt.
Der Rückwärtsgang hat meist ein Untersetzungsverhältnis ungefähr wie der 1. (langsamste) Vorwärtsgang. Hat ein Fahrzeug ein oder zwei weitere Getriebe, etwa Feinabstufungen (Vorgelege) bei Lkw oder eine auf alle Gänge wirkende Geländeuntersetzung, so stehen eventuell mehrere Übersetzungen für die Rückwärtsfahrt zur Verfügung.
Das Fahrgeräusch im Rückwärtsgang weicht oft stark von jenem der Vorwärtsfahrt ab und beinhaltet ein Heulgeräusch, weil häufig geradverzahnte Zahnräder statt schrägverzahnter Zahnräder zum Einsatz kommen. Der Rückwärtsgang funktioniert nach dem Prinzip eines Schieberadgetriebes und ist demzufolge auch nicht synchronisiert. Deshalb verursacht er laute Geräusche und lässt sich nicht einlegen, wenn beispielsweise versucht wird, ihn bei Fahrzeugstillstand mit erhöhter Motordrehzahl oder bei rollendem Fahrzeug mit Leerlaufdrehzahl einzulegen. Aus Kostengründen werden beim Rückwärtsgang diese nachteiligen Eigenschaften toleriert, denn er wird nur relativ selten und nur kurzzeitig gebraucht. Zu den ersten Automobilen mit synchronisiertem Rückwärtsgang zählen die gehobenen Ausstattungsvarianten des Mercedes W123 Kombi.
Arbeitsmaschinen haben mitunter gleich viele Rückwärts- wie Vorwärtsgänge. Im Fall von Schubraupen oder Radladern können diese sogar schneller als vorwärts untersetzt sein, da Schaufel oder Schild dann keine oder weniger Schubkraft benötigen.
Literatur
- Hans Jörg Leyhausen: Die Meisterprüfung im Kfz-Handwerk. Teil 1. 12. Auflage. Vogel Buchverlag, Würzburg 1991, ISBN 3-8023-0857-3.
- Max Bohner, Richard Fischer, Rolf Gscheidle: Fachkunde Kraftfahrzeugtechnik. 27. Auflage. Verlag Europa-Lehrmittel, Haan-Gruiten 2001, ISBN 3-8085-2067-1.