Parlamentarische Versammlung der NATO (NATO-PV) | |
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Rechtsform | Interparlamentarische Organisation |
Gründung | 1955 |
Sitz | Brüssel (Belgien) |
Vorsitz | Joëlle Garriaud-Maylam (Frankreich) / Präsidentin Zaida Cantera (Spanien) / Vizepräsidentin Kevan Jones (Vereinigtes Königreich) / Vizepräsident Linda Sánchez (Vereinigte Staaten) / Vizepräsidentin Nicu Falcoi (Rumänien) / Vizepräsident Michal Szczerba (Polen) / Vizepräsident |
Geschäftsführung | Ruxandra Popa / Generalsekretärin |
Website | http://www.nato-pa.int/ |
Die Parlamentarische Versammlung der NATO (NATO-PV; englisch NATO Parliamentary Assembly, kurz NATO-PA, französisch Assemblée parlementaire de l’OTAN, kurz AP-OTAN, ehemals Nordatlantische Versammlung) ist eine interparlamentarische Organisation. Seit 1955 bietet sie den Legislativen der NATO-Mitgliedstaaten eine Plattform, um sich über Sicherheitsprobleme von gemeinschaftlichem Interesse auszutauschen.
NATO und NATO-PV sind rechtlich unabhängig voneinander. Ohne formelle Verbindung mit der NATO pflegen beide dennoch intensive Arbeitsbeziehungen. Die parlamentarische Versammlung hat dabei ausschließlich beratende Rechte, etablierte sich aber inzwischen als ein wichtiges Diskussionsforum im Sicherheitsbereich. Regelmäßig berichtet der Generalsekretär der NATO den Mitgliedern der Parlamentarischen Versammlung, so beispielsweise während Tagungen von Unterausschüssen der Versammlung in Brüssel.[1] Die Parlamentarier haben so auch die Möglichkeit, an einer Sitzung des Nordatlantikrates teilzunehmen und verfügen über Rederecht.
Die Versammlung wird direkt von den Parlamenten und Regierungen der Mitgliedstaaten finanziert und ist somit finanziell unabhängig von der NATO. Der Sitz des aus 30 Personen bestehenden internationalen Sekretariats der Versammlung befindet sich in Brüssel.
Geschichte
Bei ihrer Gründung 1949 verzichtete die Organisation des Nordatlantikpaktes (NATO) auf ein Parlament. Das Bedürfnis nach einem parlamentarischen Instrument zur Begleitung der NATO wurde jedoch bald spürbar. So wurde bereits Anfang der 1950er Jahre die Idee einer Versammlung von Parlamentariern der Allianz zur Erörterung von Problemen, mit denen die NATO konfrontiert sein könnte, lanciert. Insbesondere der US-Senator Guy Gillette machte mit Forderungen nach einer Parlamentarischen Vereinigung Anfang der 1950er Jahre auf sich aufmerksam.[2][3] Auch der erste Präsident der Versammlung wurde vom kanadischen Senat gestellt.[4] Erste Forderungen und erste Stellung des Präsidenten unterstreichen die historische Bedeutung der Zweiten Kammern für die Gründung der Parlamentarischen Versammlung.
1955 fand die erste Jahreskonferenz der NATO-Parlamentarier statt. Sie wurde später institutionalisiert und aus ihr ging 1966 die Nordatlantische Versammlung (NAV) hervor. 1967 empfahl der Nordatlantikrat (NAC) die Aufnahme von informellen Beziehungen zwischen NATO und NAV. Seither nimmt der NATO-Generalsekretär nach Rücksprache mit dem NAC an den Vollversammlungen teil und verabschiedete Empfehlungen bzw. Entschließungen. Im Gegenzug wendet sich der Präsident der NATO-PV an die anlässlich ihrer Gipfeltreffen versammelten Staats- und Regierungschefs der NATO-Länder.
Infolge der historischen Ereignisse am Ende des Kalten Krieges weitete die PV ihr Mandat 1991 aus und verlieh ab diesem Zeitpunkt gewissen Ländern Zentral- und Osteuropas sowie später den meisten an der Partnerschaft für den Frieden beteiligten Ländern den Status eines assoziierten Mitglieds.
Die deutsche Delegation besteht aus Mitgliedern des Bundestages und des Bundesrates.[5][6] Der Leiter der Delegation des Bundestages, Lamers ist auch der Leiter der deutschen Delegation. Die Delegation des Bundesrates wird durch Staatsminister Peter Beuth angeführt.[7] Traditionell sind die Mitglieder des Bundesrates verantwortlich für die Innenressorts der Länder.
Zusammensetzung
Derzeit sind die Parlamente der 32 NATO-Mitgliedstaaten und der 12 assoziierten Staaten sowie Delegierte aus Algerien, Israel, Jordanien und Marokko in ihr vertreten.[8] Das Europäische Parlament entsendet Abgeordnete zur Vertretung der Europäischen Union, welche den Status eines assoziierten Staates besitzt. Die Delegierten sind zumeist Mitglieder in den Ausschüssen für Verteidigung oder für auswärtige Angelegenheiten der jeweiligen Parlamente, so dass sie bei ihrer Tätigkeit in der NATO-PV mit ihren Amtskollegen in Kontakt treten.
Wegen der Annexion der Krim hat Russland seinen Status als assoziiertes Mitglied im Frühjahr 2014 verloren.[9]
NATO-Staaten | Assoziierte Staaten und Staatenverbunde | ||||
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Albanien | 4 | Montenegro | 3 | Armenien | 3 |
Belgien | 7 | Niederlande | 7 | Aserbaidschan | 5 |
Bulgarien | 6 | Nordmazedonien | 3 | Bosnien und Herzegowina | 3 |
Dänemark | 5 | Norwegen | 5 | Europäische Union | 10 |
Deutschland | 18 | Polen | 12 | Georgien | 4 |
Estland | 3 | Portugal | 7 | Kosovo | 3 |
Finnland | 5 | Rumänien | 10 | Malta | 3 |
Frankreich | 18 | Schweden | 5 | Moldau | 3 |
Griechenland | 7 | Slowakei | 5 | Österreich | 5 |
Italien | 18 | Slowenien | 3 | ||
Island | 3 | Spanien | 12 | Schweiz | 5 |
Kanada | 12 | Tschechien | 7 | Serbien | 5 |
Kroatien | 5 | Türkei | 18 | Ukraine | 8 |
Lettland | 3 | Ungarn | 7 | ||
Litauen | 4 | Vereinigtes Königreich | 18 | ||
Luxemburg | 3 | Vereinigte Staaten | 36 | ||
gesamt: | 276 | gesamt: | 57 |
Präsidenten
- Wishart McLea Robertson (1955–1956)
- Wayne Hays (1956–1957)
- Johannes J. Fens (1957–1959)
- Antoine Béthouart (1959–1960)
- Nils Langhelle (1960–1961)
- Pietro Micara (1961–1962)
- Lord Crathorne (1962–1963)
- Georg Kliesing (1963–1964)
- Henri Moreau de Melen (1964–1965)
- José Soares da Fonseca (1965–1966)
- Jean-Eudes Dubé (1966–1967)
- Matthías Árni Mathiesen (1967–1968)
- Kasım Gülek (1968–1969)
- Wayne Hays (1969–1970)
- Romain Fandel (1970–1971)
- Terrence Murphy (1971–1972)
- John Peel (1972–1973)
- Knud Damgaard (1973–1975)
- Wayne Hays (1975–1977)
- Geoffrey de Freitas (1977–1979)
- Paul Thyness (1979–1980)
- Jack Bascom Brooks (1980–1982)
- Peter Corterier (1982–1983)
- Patrick Wall (1983–1985)
- Charles Mathias (1985–1986)
- Ton Frinking (1986–1988)
- Patrick Duffy (1988–1990)
- Charles Grandison Rose (1990–1992)
- Karsten Voigt (1994–1996)
- Rafael Estrella (2000–2002)
- Doug Bereuter (2002–2004)
- Pierre Lellouche (2004–2006)
- Bert Koenders (2006–2007)
- José Lello (2007–2008)
- John S. Tanner (2008–2010)
- Karl A. Lamers (2010–2012)
- Hugh Bayley (2012–2014)
- Mike Turner (2014–2016)
- Paolo Alli (2016–2018)
- Rasa Juknevičienė (2018)
- Madeleine Moon (2018)
- Attila Mesterházy (2019–2020)
- Gerry Connolly (2020–2022)
- Joëlle Garriaud-Maylam (seit November 2022)
Ausschüsse
Die Versammlung setzt sich aus fünf Ausschüssen für die zentralen Bereiche der Sicherheit zusammen
- Verteidigungs- und Sicherheitsausschuss
- Politischer Ausschuss
- Ausschuss Zivile Dimension der Sicherheit
- Wissenschafts- und Technologieausschuss
- Ausschuss Wirtschaft und Sicherheit
die über einen oder mehrere Unterausschüsse verfügen. Auf Grundlage jährlicher Arbeitsprogramme veranstalten die Ausschüsse und Unterausschüsse mehrere Treffen pro Jahr in einem der Mitgliedstaaten oder in einem assoziierten Staat, mit Vorträgen von hochrangigen Regierungs- und Parlamentsvertretern sowie Wissenschaftlern und Experten.
Die Ergebnisse der Ausschüsse werden an den zweimal jährlich stattfindenden Vollversammlungen diskutiert (eine Frühjahrs-, eine Herbstversammlung). Ihre Berichte werden in Form von Projekten im Frühjahr geprüft und dann revidiert und zur Diskussion, Änderung und Verabschiedung auf der Herbstjahresversammlung auf den neuesten Stand gebracht werden.
An der Jahresversammlung erarbeiten die Kommissionen zudem strategische Empfehlungen und Entschließungen. Sie werden der Vollversammlung zur Abstimmung vorgelegt und bei Annahme an den Nordatlantikrat oder die Regierungen der Mitgliedstaaten adressiert. An diesen Versammlungen, an denen auch Regierungsvertreter oder Fachpersonen (Vertreter aus akademischen und wissenschaftlichen Kreisen, von Nichtregierungsorganisationen oder der Presse) teilnehmen, werden außerdem verschiedene aktuelle Themen erörtert.
Weitere Ausschüsse und Gruppen
- Einen Ständigen Parlamentarischen Ausschuss NATO-PV – russisches Parlament.
Dieser neue Ausschuss, dessen erstes Treffen im November 2002 stattfand, tagt als „27er-Gruppe“, da er sich aus den Delegationsleitern der 26 Mitgliedstaaten der Versammlung und ihren Kollegen der Delegation der Russischen Föderation zusammensetzt. Unter der Leitung des Präsidenten der NATO-PV führt dieser ständige Ausschuss die Beziehungen zwischen der NATO-PV und dem russischen Parlament Grundsatzdiskussionen über bilaterale Fragen. Er tagt während der Plenarsitzungen der Parlamentarischen Versammlung;
- Eine gemeinsame Überwachungsgruppe NATO-PV – russisches Parlament, die schon früher bestand und die ihre Tätigkeiten in zwei Sitzungen pro Jahr weiterführt, eine in Brüssel am Sitz der NATO und eine in Moskau;
- Eine gemeinsame Überwachungsgruppe NATO-PV – ukrainisches Parlament, die sich jährlich in Moskau oder in Kiew trifft, um die Umsetzung der NATO-Ukraine-Charta von 1997 zu verfolgen und über alle Aspekte der Beziehungen zwischen den beiden Partnern zu sprechen;
- Eine Sondergruppe Mittelmeerraum, die eine Sitzung im Jahr abhält.
Ständiger Ausschuss
Der Ständige Ausschuss ist das Leitungsgremium der Versammlung. Er setzt sich zusammen aus
- dem Büro der Versammlung (Präsident, fünf Vizepräsidenten und ein Schatzmeister)
- den Delegationsleitern der Mitgliedstaaten sowie
- den Präsidenten der Ausschüsse
Er tagt während der beiden Vollversammlungen und ein drittes Mal im Laufe des Jahres. Das Büro legt die allgemeinen Leitlinien fest, koordiniert die Arbeiten der Ausschüsse, erstellt die Tagesordnung der Versammlungen und kontrolliert ihre Finanzen. Sein Generalsekretär leitet das internationale Sekretariat und sorgt für die Umsetzung der vom Ständigen Ausschuss beschlossenen politischen Ziele.
Derzeitiger Leiter der deutschen Delegation ist Karl A. Lamers (CDU), sein Vorgänger war seit 1998 Markus Meckel (SPD).
Ziele
Eines ihrer Ziele gilt der Schaffung parlamentarischer Mechanismen, Praktiken und Kenntnisse zum Zweck echter demokratischer Kontrolle der Streitkräfte. Dazu arbeitet die NATO-PV mit dem Genfer Zentrum für Demokratische Kontrolle der Streitkräfte (DCAF[10]) zusammen. Gemeinsam veranstalten sie eine Seminarreihe über verschiedene Aspekte der Beziehungen zwischen dem Zivil- und dem Armeebereich.
Der im Jahr 2020 gewählte Präsident der Versammlung, Gerald Connolly, verfolgt energisch das Ziel, ein Zentrum für demokratische Widerstandsfähigkeit (auf Englisch: Center for Democratic Resilience) zu gründen. Bereits in seiner Antrittsrede konnte er sich die Unterstützung der Versammlung sichern und trug die Idee sowohl an die Gruppe der Experten des NATO 2030-Reflexionsprozesses heran als auch in direkten Gesprächen an den Generalsekretär der NATO.[11]
Weblinks
- Homepage der Parlamentarischen Versammlung der NATO (englisch, französisch)
- Aufgaben-Überblick zur Parlamentarischen Versammlung der NATO auf bundestag.de
- NATO-Ukraine-Charta (PDF; 24 kB)
Einzelnachweise
- ↑ In Brussels, North American and European legislators affirm enduring commitment to transatlantic link | NATO PA. Abgerufen am 27. Februar 2020 (englisch).
- ↑ U.S. GOVERNMENT PRINGING OFFICE: Congressional Record. (PDF) In: Seite 1. U.S. GOVERNMENT PRINGING OFFICE, 1986, abgerufen am 27. Februar 2020 (englisch).
- ↑ Sarah Charman and Keith Williams: The Parliamentarians' Role in the Alliance. (PDF) In: Seite 2. North Atlantic Assembly, 1981, abgerufen am 27. Februar 2020 (englisch).
- ↑ Presidents from 1955–2019 | NATO PA. Abgerufen am 27. Februar 2020.
- ↑ Deutscher Bundestag - Parlamentarische Versammlung der NATO. Abgerufen am 27. Februar 2020.
- ↑ Parlamentarische Versammlung der NATO. Abgerufen am 27. Februar 2020.
- ↑ Staatsminister Peter Beuth ist neuer Delegationsleiter des Bundesrates in der NATO PV. Abgerufen am 4. März 2021.
- ↑ Members | NATO PA. Abgerufen am 6. September 2021 (englisch).
- ↑ Parlamentarier der NATO-Mitgliedsstaaten tagen in Budapest: Ukraine und Russland im Blickpunkt, Pressemitteilung Bundestag (archive.org)
- ↑ Geneva Centre for the Democratic Control of Armed Forces. Abgerufen am 31. August 2014 (englisch).
- ↑ The Case for a Center for Democratic Resilience in NATO - A Blue print for the Center for Democratic Resilience in NATO. Abgerufen am 4. März 2021 (englisch).