Bakterien der Art Mycoplasma hominis sind zellwandlose Organismen, die sich aufgrund dieser Eigenschaft nicht nach Gram anfärben lassen. Das heißt, dass sie im mikroskopischen Bild gramnegativ erscheinen würden, auch wenn sie aufgrund ihrer Verwandtschaftsverhältnisse der Gruppe der grampositiven Bakterien zugerechnet werden müssten. Sie gehören als Kommensale zur Normalflora des Menschen, sind jedoch unter Umständen an der Entstehung von Erkrankungen wie der Urethritis (Harnröhrenentzündung) oder Zervizitis (Gebärmutterhalsentzündung) beteiligt.[1][2] Synonym von Mycoplasma hominis ist die Bezeichnung Metamycoplasma hominis.[3] Individuen der Art Mycoplasma hominis waren die ersten Mykoplasmen, die 1937 aus Menschen isoliert worden waren.[4]
Mycoplasma hominis | ||||||||||||
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Systematik | ||||||||||||
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Wissenschaftlicher Name | ||||||||||||
Mycoplasma hominis | ||||||||||||
(Freundt 1953) Edward 1955 |
Morphologie und Eigenschaften
Charakteristisch für Organismen der Art M. hominis ist das Fehlen jeglicher genetischer Information zur Ausbildung von Murein, dem Hauptbestandteil von Bakterienzellwänden, sie gehören somit der Klasse der Mollicutes an (übersetzt sich etwa als „Weichhäuter“).[5] Dies hat zwei wesentliche relevante Auswirkungen: Erstens können Mykoplasmen nicht nach Gram eingeteilt werden, weil ihnen die Zellwand als Angriffspunkt für die Gramfärbung fehlt. Zweitens kann keines der Antibiotika zur Anwendung kommen, deren Wirkprinzip es ist die Bildung der Bakterienzellwand zu stören, was praktisch bedeutet, dass zum Beispiel Penicillin therapeutisch nicht genutzt werden kann. Das Fehlen der Zellwand hat dazu noch zur Folge, dass Mykoplasmen mit nur 0,3 – 0,8 µm kleiner als viele andere Bakterien sind und auch außergewöhnlich vielgestaltig wirken (pleomorph).[1][2] Auch ist ihr Genom klein und kodiert nur für wenige Stoffwechselprozesse, Glykolyse zum Beispiel kann nicht zur Energiegewinnung herangezogen werden. Energie wird stattdessen aus Arginin und Thymidin gewonnen, sodass die Erreger darum auch nur in mäßiger Wachstumsgeschwindigkeit innerhalb von 12 – 48 Stunden auf Herz-Hirn-haltigen Nährmedien gedeihen (keine Routinemethode) und verhältnismäßig sensibel auf Umwelteinflüsse reagieren.[4][6] Trotz der geringen Größe von M. hominis, kann der Erreger sich selbstständig vermehren und ist in dieser Hinsicht nicht parasitär auf fremde Zellen angewiesen.[7] Dennoch handelt es sich um einen intrazellulären Erreger.[8] Im elektronenmikroskopischen Bild imponieren Organismen der Spezies M. hominis kokkoid (rundlich), Lichtmikroskopie ist nicht möglich.
Pathogenität
Anders als die bekannte Mykoplasmenart M. pneumoniae, die nicht zur Normalflora des Menschen gehört, kann M. hominis vielfach im Urogenitaltrakt gesunder Menschen nachgewiesen werden. Der Erreger ist als Kommensale des menschlichen Genitaltrakts, jedoch auch als potentielles Pathogen (Krankheitserreger) bekannt.[1][2][3][4] Ausgelöste Krankheitsbilder können an unterschiedlichen Situs (Orten des Organismus) und in unterschiedlicher Schwere verlaufen.[4] Insgesamt handelt es sich außerhalb des Urogenitaltrakts zwar um eher seltene Infektionsereignisse, doch sind zum Beispiel Endokarditiden (Herzklappenentzündungen), Abszesse, Entzündungen künstlicher Gelenke, Entzündungen der Hirnhäute (Meningitis) u. a. m. beschrieben worden.[4][9] Liegen urogenitale Infektionen oder auch nur Besiedelungen vor, können diese im Rahmen von Geburtsvorgängen an Neugeborene übertragen werden. Bedeutung hat M. hominis auch in der Entstehung von Infertilität, u. a. da sich im Zervixkanal Entzündungen und Vernarbungen entwickeln können. Abgesehen von Erkrankungen der Harnwege und Geschlechtsorgane, sind Infektionen mit M. hominis häufiger mit eingeschränkter Immunkompetenz assoziiert. Dabei spielen die Lipoproteine der Oberfläche des Erregers eine große Rolle, sie interagieren direkt mit den Zellen des Wirts, zum Beispiel zum Zwecke des Anhaftens an Zielzellen oder zur Interaktion mit Immunzellen. Unklar ist, welche Inkubationszeiten den verschiedenen Krankheitsprozessen zugrunde liegen.
Diagnostik
Je nach Fragestellung/ Krankheitsbild sind unterschiedliche Untersuchungsgänge zur Diagnosefindung nötig. Die Kultur von M. hominis ist kein Routineprozedere und wird nicht standardmäßig durchgeführt, da sie mit höherem Aufwand verbunden ist. Es existieren schnellere und kostengünstigere Verfahren, wenn der alleinige Nachweis des Erregers gefragt ist. Der serologische Nachweis (also der Nachweis von Antikörpern) ergibt für M. hominis jedoch keinen Sinn, da der Erreger auch bei circa 20 % der Gesunden vorhanden ist.[10] Nachweise müssen also direkt vom Ort der Infektion aus geführt werden, beispielsweise in Form eines Abstrichs, der einer PCR (Polymerasekettenreaktion) zugeführt wird. Auch Prostatasekret und Ejakulat sind geeignete Untersuchungsmaterialien. Besteht die Absicht einer quantitativen Analyse, kann jedoch nicht auf eine Kultur verzichtet werden. Dies kann der Unterscheidung von Besiedlung versus Infektion dienen, da Besiedelungen eher niedrigere Keimzahlen aufweisen. Da Mykoplasmen empfindliche Erreger sind, muss der Transport in das analysierende mikrobiologische Labor dann jedoch rasch erfolgen.[10] Zudem muss der mäßigen Wachstumsgeschwindigkeit des Erregers Rechnung getragen und eventuell vorhandene Begleitflora unterdrückt werden. Große Teile der zum Beispiel in der Vagina vorkommenden Bakterien gedeihen schneller als Mykoplasmen und können durch Antibiotikazusätze im Wachstum gehemmt werden. Hierzu kann Penicillin angewandt werden, da es wie oben beschrieben, Mykoplasmen nicht schadet. Semiquantitative Komplettsysteme verschiedener Hersteller existieren.
Therapie und Prävention
M. hominis ist primär resistent gegenüber Penicillin und Erythromycin. Teilweise entwickeln sich Resistenzen gegenüber Tetrazyklinen und Chinolonen. Nicht selten wird bei einfachen Infektionen dennoch zunächst ein Tetrazyklin verordnet und erst bei Unwirksamkeit ein anderes Antibiotikum verwendet. Bei schweren bzw. komplizierten Infektionen müssen unter Umständen mehrere Antibiotika gegeben und mit anderen Therapiemaßnahmen kombiniert werden (z. B. die Behandlung eines eventuell vorhandenen Grundleidens). Da M. hominis meist sexuell übertragen wird, kann (bei Geschlechtsverkehr an dem Männer beteiligt sind) durch den Gebrauch von Kondomen eine Risikoreduktion herbeigeführt werden.[11] Da jedoch nicht alle Übertragungsmodalitäten bekannt sind, können unter Umständen auch nicht alle Übertragungen vermieden werden. Die Datenlage hierzu ist nicht einheitlich.[12]
Literatur
- Birgid Neumeister, Heinrich K. Geiss, Rüdiger W. Braun, Peter Kimmig. Mikrobiologische Diagnostik: Bakteriologie – Mykologie – Virologie – Parasitologie, Begründet von Friedrich Burkhardt. 2., vollständig überarbeitete Ausgabe, 2009, ISBN 978-3-13-743602-7, S. 602–609
- Herbert Hof, Rüdiger Dörries, Gernot Geginat, Dirk Schlüter, Constanze Wendt. Medizinische Mikrobiologie. 5. Auflage, 2014, ISBN 978-3-13-125315-6, S. 456–459
Einzelnachweise
- ↑ a b c Ute Krause: Mycoplasma hominis. In: Pschyrembel. Pschyrembel online, Juli 2021, abgerufen am 26. Dezember 2023.
- ↑ a b c Herbert Hof, Rüdiger Dörries, Gernot Geginat, Dirk Schlüter, Constanze Wendt: Medizinische Mikrobiologie: Virologie, Bakteriologie, Mykologie, Parasitologie, Immunologie, klinische Infektiologie, Hygiene (= Duale Reihe). 6., unveränderte Auflage. Thieme, Stuttgart 2017, ISBN 978-3-13-125315-6, S. 459.
- ↑ a b Metamycoplasma hominis. In: LPSN - List of Prokaryotic names with Standing in Nomenclature. Leibniz Institute DSMZ, abgerufen am 26. Dezember 2023 (englisch).
- ↑ a b c d e Jaweed Ahmed, Jyoti Rawre, Neha Dhawan, Neena Khanna, Benu Dhawan: Mycoplasma hominis: An under recognized pathogen. In: Indian Journal of Medical Microbiology. Band 39, Nr. 1, 1. Januar 2021, ISSN 0255-0857, S. 88–97, doi:10.1016/j.ijmmb.2020.10.020 (sciencedirect.com [abgerufen am 26. Dezember 2023]).
- ↑ Birgid Neumeister, Heinrich K. Geiss, Rüdiger W. Braun, Peter Kimmig: Mikrobiologische Diagnostik: Bakteriologie - Mykologie - Virologie - Parasitologie. 2., vollständig überarbeitete Auflage. Georg Thieme Verlag, Stuttgart New York 2009, ISBN 978-3-13-743602-7, S. 602.
- ↑ Daria V. Evsyutina, Tatiana A. Semashko, Maria A. Galyamina, Sergey I. Kovalchuk, Rustam H. Ziganshin, Valentina G. Ladygina, Gleb Y. Fisunov, Olga V. Pobeguts: Molecular Basis of the Slow Growth of Mycoplasma hominis on Different Energy Sources. In: Frontiers in Cellular and Infection Microbiology. Band 12, 7. Juli 2022, ISSN 2235-2988, doi:10.3389/fcimb.2022.918557, PMID 35873139, PMC 9301678 (freier Volltext).
- ↑ Xuefeng Huang, Minghang Yu, Bingbing Wang, Yanlong Zhang, Junjing Xue, Yu Fu, Xi Wang: Prevention, Diagnosis and Eradication of Mycoplasma Contamination in Cell Culture. In: Journal of Biological Methods. Band 10, 1. November 2023, ISSN 2326-9901, S. e99010005, doi:10.14440/jbm.2023.407, PMID 38023772, PMC 10668599 (freier Volltext).
- ↑ Infectious Substances: Mycoplasma hominis. In: Pathogen Safety Data Sheets. Government of Canada, 18. Februar 2011, abgerufen am 26. Dezember 2023 (englisch).
- ↑ Guanglu Che, Fang Liu, Li Chang, Shuyu Lai, Jie Teng, Qiuxia Yang: Mycoplasma hominis Meningitis Diagnosed by Metagenomic Next-Generation Sequencing in a Preterm Newborn: a Case Report and Literature Review. In: Laboratory Medicine. Band 54, Nr. 1, 5. Januar 2023, ISSN 0007-5027, S. e24–e28, doi:10.1093/labmed/lmac078 (oup.com [abgerufen am 26. Dezember 2023]).
- ↑ a b Birgid Neumeister, Heinrich K. Geiss, Rüdiger W. Braun, Peter Kimmig: Mikrobiologische Diagnostik: Bakteriologie - Mykologie - Virologie - Parasitologie. 2., vollständig überarbeitete Auflage. Georg Thieme Verlag, Stuttgart New York 2009, ISBN 978-3-13-743602-7, S. 608.
- ↑ Wei Pingmin, Pu Yuepu, Zhao Jiwen: Prevalence survey on condom use and infection of urogenital mycoplasmas in female sex workers in China. In: Contraception. Band 72, Nr. 3, September 2005, ISSN 0010-7824, S. 217–220, doi:10.1016/j.contraception.2005.05.002.
- ↑ R. Verteramo, A. Patella, E. Calzolari, N. Recine, V. Marcone, J. Osborn, F. Chiarini, A. M. Degener: An epidemiological survey of Mycoplasma hominis and Ureaplasma urealyticum in gynaecological outpatients, Rome, Italy. In: Epidemiology and Infection. Band 141, Nr. 12, Dezember 2013, ISSN 0950-2688, S. 2650–2657, doi:10.1017/S0950268813000277, PMID 23445723, PMC 9151370 (freier Volltext).