

Man Ray [] (* 27. August 1890 in Philadelphia, Pennsylvania; USA; â 18. November 1976 in Paris; eigentlich Emmanuel Rudnitzky oder Emmanuel Radnitzky) war ein US-amerikanischer Fotograf, Filmregisseur, Maler und ObjektkĂŒnstler. Man Ray zĂ€hlt zu den bedeutenden KĂŒnstlern des Dadaismus und Surrealismus, wird aber aufgrund der Vielschichtigkeit seines Werkes allgemein der Moderne zugeordnet und gilt als wichtiger Impulsgeber fĂŒr die moderne Fotografie und Filmgeschichte bis hin zum Experimentalfilm. Seine zahlreichen PortrĂ€tfotografien zeitgenössischer KĂŒnstler dokumentieren die Hochphase des kulturellen Lebens im Paris der 1920er Jahre.
Leben
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Kindheit und frĂŒhe Jahre
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Man Ray wurde als erstes von vier Kindern russisch-jĂŒdischer Eltern, Melech (Max) Rudnitzky und Manya geb. Luria, in Philadelphia geboren. Auf seiner Geburtsurkunde wurde der Junge als âMichael Rudnitzkyâ eingetragen, doch nach Aussage seiner Schwester Dorothy wurde er von der Familie âEmmanuelâ bzw. âMannyâ genannt. Die Familie nannte sich spĂ€ter âRayâ, um ihren Namen zu amerikanisieren. Auch Man Ray selbst zeigte sich in spĂ€teren Jahren sehr bedeckt, was seine Herkunft betraf.[1]
Zusammen mit seinen Geschwistern erhielt der junge Emmanuel eine strenge Erziehung. Der Vater arbeitete zu Hause als Schneider und die Kinder wurden in die Arbeit mit einbezogen; schon frĂŒh lernten sie nĂ€hen und sticken und das ZusammenfĂŒgen unterschiedlichster Stoffe in Patchwork-Technik. Diese Erfahrung sollte sich spĂ€ter in Man Rays Werk widerspiegeln: Der spielerische Umgang mit verschiedenen Materialien findet sich in vielen seiner Assemblagen, Collagen und anderen Bildern, ĂŒberdies zitierte er gern Utensilien aus dem Schneiderhandwerk, zum Beispiel Nadeln oder Garnspulen, in seiner Bildsprache.
1897 zog Man Rays Familie nach Williamsburg, Brooklyn. Dort begann der eigensinnige Junge mit sieben Jahren erste Buntstiftzeichnungen anzufertigen, was von den Eltern nicht fĂŒr gut befunden wurde, so dass er seine kĂŒnstlerischen Neigungen lange geheim halten musste. âIch werde von nun an die Dinge tun, die ich nicht tun sollâ wurde sein frĂŒher Leitsatz, dem er lebenslang folgen sollte.[2] Im höheren Schulalter durfte er jedoch Kurse in Kunst und Technischem Zeichnen belegen und beschaffte sich bald das RĂŒstzeug fĂŒr seine KĂŒnstlerlaufbahn. Nach dem Abschluss der High-School wurde Emmanuel ein Stipendium fĂŒr ein Architekturstudium angeboten, das er allerdings trotz Zuredens seiner Eltern ablehnte, da eine technische Ausbildung seinem festen Entschluss, KĂŒnstler zu werden, zuwiderlief. ZunĂ€chst versuchte er sich, eher unbefriedigend, in PortrĂ€t- und Landschaftsmalereien; schlieĂlich schrieb er sich 1908 an der National Academy of Design und der Art Students League in Manhattan, New York, ein. Wie er spĂ€ter einmal sagte, belegte er die Kurse fĂŒr Aktmalerei eigentlich nur, weil er âeine nackte Frau sehen wollteâ.[3] Der didaktisch konservative, zeitintensive und ermĂŒdende Unterricht war nichts fĂŒr den ungeduldigen Studenten. Auf Anraten seiner Lehrer gab er das Studium alsbald auf und versuchte selbststĂ€ndig zu arbeiten.
New York, 1911â1921
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Im Herbst 1911 trug sich Man Ray an der Modern School of New Yorks Ferrer Center, einer liberal-anarchisch orientierten Schule, ein; dort wurde er im Folgejahr aufgenommen und besuchte Abendkurse im Kunstbereich. Am Ferrer Center konnte er dank der unkonventionellen Lehrmethoden endlich frei und spontan arbeiten. Die teilweise radikalen, von freiheitlichen Idealen geprĂ€gten Ăberzeugungen seiner Lehrer sollten entscheidenden Einfluss auf seinen spĂ€teren kĂŒnstlerischen Werdegang, u. a. seine Zuwendung zum Dada, haben. In der Folgezeit arbeitete der KĂŒnstler â er hatte mittlerweile seinen Vor- und Nachnamen auf âMan Rayâ simplifiziert â als Kalligraf und Landkartenzeichner fĂŒr einen Verlag in Manhattan. In Alfred Stieglitzâ bekannter âGalerie 291â kam er zum ersten Mal mit Werken von Rodin, CĂ©zanne, BrĂąncuÈi sowie Zeichnungen und Collagen von Picasso in BerĂŒhrung und fĂŒhlte sich diesen europĂ€ischen KĂŒnstlern auf Anhieb stĂ€rker verbunden als ihren amerikanischen Zeitgenossen. Ăber Alfred Stieglitz fand Man Ray schnell Zugang zu dem völlig neuen Kunstgedanken der europĂ€ischen Avantgarde. Er erprobte in kĂŒrzester Abfolge wie besessen verschiedene Malstile: Beginnend mit den Impressionisten, gelangte er bald zu expressiven Landschaften, die einem Kandinsky Ă€hnelten (kurz bevor dieser den Schritt zur Abstraktion vollzog), um schlieĂlich zu einer eigenen futuristisch-kubistischen Figuration zu finden, die er abgewandelt sein Leben lang beibehielt.
Einen nachhaltigen Eindruck bei ihm hinterlieĂ die Armory Show, eine umfangreiche Kunstausstellung, die Anfang 1913 in New York stattfand. Schon allein die GröĂe der europĂ€ischen GemĂ€lde ĂŒberwĂ€ltigte ihn. Man Ray sagte spĂ€ter dazu: âIch habe sechs Monate nichts getan â so lange habe ich gebraucht, um zu verdauen, was ich gesehen hatte.â Bei der in seinen Augen âzweidimensionalenâ Kunst seines Geburtslandes hingegen â[âŠ] habe er geradezu eine Abneigung gegenĂŒber GemĂ€lden gehabt, bei denen kein Raum fĂŒr eigene Ăberlegungen blieb.â[3]
Ebenfalls im FrĂŒhjahr 1913 verlieĂ Man Ray sein Elternhaus und zog in eine KĂŒnstlerkolonie in Ridgefield, New Jersey, wo er der belgischen Dichterin Adon Lacroix, bĂŒrgerlich Donna Lecoeur, begegnete; im Mai 1913 heirateten die beiden. Etwa 1914/15 kaufte sich Man Ray einen Fotoapparat, um seine eigenen Werke reproduzieren zu können. Am 31. MĂ€rz 1915 veröffentlichte er eine Ausgabe von The Ridgefield Gazook, einem von ihm selbst entworfenen anarchisch-satirischen Pamphlet, das bereits GrundzĂŒge der spĂ€teren Dadazeitschriften aufwies, sowie A Book of Diverse Writings mit Texten von Donna und Illustrationen von ihm. Im Herbst 1915 hatte Man Ray seine erste Einzelausstellung in der New Yorker Daniel Gallery, bei der er sechs GemĂ€lde verkaufte. Vermutlich traf er dort auf Marcel Duchamp, der in Amerika gerade durch sein Aufsehen erregendes Bild Akt, eine Treppe herabsteigend Nr. 2, das er in der Armory Show gezeigt hatte, bekannt geworden war. Es waren vor allem Duchamps revolutionĂ€re Ideen und Theorien, die Man Ray unvermittelt, aber nachhaltig beeindruckten. Duchamp und Man Ray wurden bald gute Freunde.
Entwicklung des eigenen Stils
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Man Ray war fasziniert von Duchamps Werk, insbesondere von dessen Darstellungen simpler, technisch âabsurderâ, unlogischer Maschinen mit ihren pseudomechanischen Formen, die eine scheinbare âgeheimnisvolleâ Funktion vortĂ€uschten, ebenso wie von Duchamps Manier, einfache AlltagsgegenstĂ€nde als objet trouvĂ©s zu Kunstobjekten zu erklĂ€ren, die er Readymades nannte. Ein weiterer wichtiger Impulsgeber war Francis Picabia mit seinem Gedankengang zur âĂberhöhung der Maschineâ: âDie Maschine ist zu mehr geworden als nur zu einer Beigabe des Lebens [âŠ] sie ist wirklich ein Teil des menschlichen Lebens â vielleicht sogar seine Seele.â[5] Vermutlich gegen Ende des Jahres 1915 begann auch Man Ray, mit solchen Objekten zu experimentieren und vollzog langsam den Schritt von der zweidimensionalen zur dreidimensionalen Kunst. Alsbald schuf Man Ray erste Assemblagen aus FundstĂŒcken, so z. B. das Self Portrait von 1916, das aus zwei Klingeln, einem Handabdruck und einem Klingelknopf ein Gesicht bildete. Nun begann Man Ray sich auch regelmĂ€Ăig an Ausstellungen zu beteiligen; so wurde der Sammler Ferdinand Howald auf den NachwuchskĂŒnstler aufmerksam und begann ihn mehrere Jahre als MĂ€zen zu fördern.
Auf Marcel Duchamps Anregung hin befasste sich Man Ray sehr bald auch intensiv mit Fotografie und Film. Gemeinsam mit Duchamp, dessen Werk Man Ray in etlichen Fotografien dokumentierte, entstanden in New York zahlreiche Foto- und Filmexperimente. Um 1920 erfanden Marcel Duchamp und Man Ray das Kunstgeschöpf Rose SĂ©lavy. Der Name war ein Wortspiel aus âEros câest la vieâ, Eros ist das Leben. Rose SĂ©lavy war der als Frau verkleidete Duchamp selbst, der unter diesem Namen Werke signierte, wĂ€hrend ihn Man Ray dabei fotografierte.
Zunehmend interessierte sich der KĂŒnstler fĂŒr das Unbewusste, Scheinbare und das angedeutet Mystische, welches hinter dem Dargestellten und âNicht-Dargestelltenâ verborgen schien. Im Verlauf des Jahres 1917 experimentierte er mit allen verfĂŒgbaren Materialien und Techniken und entdeckte neben dem Glasklischeedruck (ClichĂ© verre) die Aerographie, eine frĂŒhe Airbrushtechnik, fĂŒr sich, indem er Fotopapier mit Farbe, respektive mit Fotochemikalien, besprĂŒhte.
Eine frĂŒhe Aerographie nannte er Suicide (1917), eine Thematik, mit der sich Man Ray â wie viele andere Dadaisten und Surrealisten aus seinem Bekanntenkreis auch â oft beschĂ€ftigte (vgl. Jacques Rigaut[6]). Man Ray machte sich schnell mit den Techniken in der Dunkelkammer vertraut. Geschah dies anfangs noch aus dem einfachen Beweggrund, seine GemĂ€lde zu reproduzieren, fand er im fotografischen VergröĂerungsprozess bald eine Ăhnlichkeit zur Aerographie und entdeckte die kreativen Möglichkeiten dieser âLichtmalereiâ.
âRayographieâ
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Einhergehend mit der Arbeit in der Dunkelkammer, experimentierte Man Ray um 1919/20 mit Fotogrammen. Wie er sagte, habe er bei der Entdeckung der Technik âvollkommen mechanisch und intuitivâ gehandelt.
Das âFotografieren ohne Kameraâ entsprach ganz seinem Wunsch, die Metaphysik, die er bereits in seinen Malereien und Objekten suchte, âautomatisch und wie eine Maschine einfangen und reproduzieren zu könnenâ.[7] In einem Brief an Katherine Dreier schrieb er: âIch versuche meine Fotografie zu automatisieren, meine Kamera so zu benutzen, wie ich eine Schreibmaschine benĂŒtzen wĂŒrde â mit der Zeit werde ich das erreichen.â[8] Dieser Gedanke geht mit der Methode des âAutomatischen Schreibensâ, die AndrĂ© Breton fĂŒr den Surrealismus adaptierte, einher.
Obwohl die Idee, GegenstĂ€nde auf lichtempfindlichem Papier zu arrangieren und zu belichten, so alt ist wie die Geschichte der Fotografie selbst â bereits Fox Talbot hatte 1835 erste Fotogramme geschaffen â, belegte Man Ray das von ihm weiterentwickelte Verfahren sofort mit dem Begriff Rayographie. In der Folgezeit produzierte er etliche solcher âRayographienâ wie am FlieĂband: Fast die HĂ€lfte seines gesamten Ćuvres an Rayographien beziehungsweise âRayogrammenâ entstand in den ersten drei Jahren nach der Entdeckung âseiner Erfindungâ. Bereits Anfang 1922 hatte er alle technischen Möglichkeiten der damaligen Zeit am Fotogramm ausprobiert.[9]
SpĂ€ter, in Paris, veröffentlichte er Ende 1922 eine limitierte Auflage mit zwölf Rayographien unter dem Titel Les Champs dĂ©licieux (Die köstlichen Felder); das Vorwort dazu schrieb Tristan Tzara, der darin noch einmal deutlich auf den Neologismus âRayographieâ hinwies. Die Zeitschrift Vanity Fair griff diese âneueâ Art der Fotokunst in einem ganzseitigen Beitrag auf.[10] Von diesem Moment an sollten Man Rays fotografische Arbeiten die Runde in sĂ€mtlichen europĂ€ischen Avantgarde-Zeitschriften machen. So kam es zu zahlreichen Reproduktionen der ClichĂ© verre â Arbeiten Man Rays aus dessen New Yorker Zeit (die Originale hatte Man Ray auf 18 Ă 24 cm groĂen Glasnegativen angefertigt).[9]
Man Ray legte sich in seiner gesamten KĂŒnstlerlaufbahn nie auf ein bestimmtes Medium fest: âIch fotografiere, was ich nicht malen möchte, und ich male, was ich nicht fotografieren kannâ, sagte er einmal.[11] Durch die vielfĂ€ltigen Möglichkeiten der Fotografie hatte die Malerei zwar vorerst ihren kĂŒnstlerischen Zweck fĂŒr ihn erfĂŒllt. Er zog damit seinem Vorbild Duchamp gleich, der bereits 1918 sein letztes GemĂ€lde anfertigte; letztlich durchzog aber das ewige Vexierspiel aus Malerei und Fotografie Man Rays Gesamtwerk. Er selbst erklĂ€rte dazu widersprĂŒchlich: âVielleicht war ich nicht so sehr an der Malerei interessiert, wie an der Entwicklung von Ideen.â[3]
Vom âFoto-Objektâ zum âObjekt-Fotoâ
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In den Jahren 1918â1921 entdeckte Man Ray, dass ihm Foto- und Objektkunst vorlĂ€ufig als beste Mittel dienten, seine Ideen zu formulieren. TatsĂ€chlich hatte Man Ray 1921 die traditionelle Malerei vorĂŒbergehend ganz aufgegeben und experimentierte ausschlieĂlich mit den Möglichkeiten des Arrangierens und âDe-Arrangierensâ von GegenstĂ€nden. Im Unterschied zu Duchamp tat er dies durch die bewusste âZweckentfremdungâ von GegenstĂ€nden oder durch die Darstellung eines bekannten Gegenstands in einem anderen Zusammenhang. Meistens fotografierte er diese Objekte und versah sie mit Titeln, die bewusst andere Assoziationen hervorriefen; so beispielsweise die kontrastreiche Fotografie eines Schneebesens mit dem Titel Man und analog dazu Woman (beide 1918), bestehend aus zwei Reflektoren, die als BrĂŒste gesehen werden können und einer mit sechs WĂ€scheklammern versehenen Glasscheibe als âRĂŒckgratâ. Eines der bekanntesten Objekte in Anlehnung an Duchamps Ready-mades war das spĂ€tere Cadeau (1921): Ein mit ReiĂnĂ€geln gespicktes BĂŒgeleisen, das als humorvolles âGeschenkâ fĂŒr den Musiker Erik Satie gedacht war, den Man Ray bei einer Ausstellung in Paris in der Buchhandlung und Galerie Librairie Six kennenlernen sollte.
Auch wenn die Ehe mit Adon Lacroix, die ihn mit französischer Literatur und Werken von Baudelaire, Rimbaud oder Apollinaire bekannt gemacht hatte, nur von kurzer Dauer war â die Ehe wurde 1919 geschieden â, befasste sich der KĂŒnstler weiterhin mit französischer Literatur. Der Einfluss wird in Man Rays Fotografie The Riddle oder The Enigma of Isidore Ducasse von 1920 besonders deutlich, die ein mit Sackleinen verschnĂŒrtes Paket zeigt, dessen Inhalt dem Betrachter jedoch verborgen bleibt. Die Lösung des RĂ€tsels konnte nur ĂŒber die Kenntnis der Schriften des französischen Autors Isidore Ducasse, der auch als Comte de LautrĂ©amont bekannt war, erfolgen. Man Ray nahm jene berĂŒhmt gewordene Stelle aus dem 6. Gesang der âGesĂ€nge des Maldororâ als Ausgangspunkt, in der LautrĂ©amont als Metapher fĂŒr die Schönheit eines JĂŒnglings âdas zufĂ€llige Zusammentreffen einer NĂ€hmaschine und eines Regenschirms auf einem Seziertischâ beschrieben hatte. Das Interesse der Dadaisten an dem 50 Jahre zuvor verstorbenen Ducasse war durch AndrĂ© Breton geweckt worden, der in den Schriften frĂŒhes dadaistisch-surreales Gedankengut sah. Das Sujet des in Stoff gehĂŒllten Gegenstandes kann indes auch als Reflexion Man Rays auf seine Kindheit in der Schneiderwerkstatt des Vaters interpretiert werden; das Objekt âan sichâ hatte Man Ray nur zum Zweck der Fotografie geschaffen.[12]
âSociĂ©tĂ© Anonyme Inc. & New York Dadaâ
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Am 29. April 1920 grĂŒndete Man Ray zusammen mit Marcel Duchamp und der KĂŒnstlerin Katherine Dreier die SociĂ©tĂ© Anonyme Inc. als Vereinigung zur Förderung moderner Kunst in Amerika.[13] Im April 1921 erfolgte die Veröffentlichung von New York Dada zusammen mit Duchamp. In New York galt Man Ray mittlerweile als Hauptvertreter des wenig beachteten amerikanischen Dadaismus; wann genau er mit der europĂ€ischen Dada-Bewegung in BerĂŒhrung gekommen war, ist unbekannt, vermutlich entstand um 1919/20 ein brieflicher âDreiecks-Kontaktâ zwischen Marcel Duchamp, der allerdings nie aktiv im Dada tĂ€tig war, und Tristan Tzara, dem WortfĂŒhrer und MitbegrĂŒnder der Bewegung. In einem Brief an Tzara klagte Man Ray ĂŒber die Ignoranz der New Yorker Kunstszene: â⊠Dada kann nicht in New York leben. New York ist Dada und wird keinen Rivalen dulden [âŠ] es ist wahr: Alle Anstrengungen es publik zu machen wurden getan, aber da ist niemand der uns unterstĂŒtzt.â.[14] Man Ray konstatierte spĂ€ter, âes habe nie so etwas wie New York-Dada gegeben, weil die Idee des Skandals und der Provokation als eines der Prinzipien von Dada dem amerikanischen Geist völlig fremd gewesen sei.â[15]
Man Rays Ambivalenz zu Amerika und seine Begeisterung fĂŒr Frankreich sowie der drĂ€ngende Wunsch, endlich der progressiven europĂ€ischen Kunstwelt anzugehören, gipfelten schlieĂlich im Juli 1921 in dem Entschluss des KĂŒnstlers, seinen Freunden Marcel Duchamp und Francis Picabia nach Frankreich zu folgen.
Pariser Jahre, 1921â1940
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Foto um 1909
Man Ray kam am 22. Juli 1921[16] in Frankreich an. Duchamp machte ihn in Paris im beliebten Dadaistentreff CafĂ© Certa in der Passage de lâOpĂ©ra sogleich mit AndrĂ© Breton, Louis Aragon, Paul Ăluard und dessen Frau Gala (die spĂ€tere Muse und Ehefrau des spanischen KĂŒnstlers Salvador DalĂ) und Jacques Rigaut bekannt. Die EuropĂ€er akzeptierten Man Ray, der bald flieĂend Französisch sprach, schnell als einen der Ihren.
Man Ray verbrachte anfangs viel Zeit damit, die Metropole Paris zu erkunden, konzentrierte sich aber schon bald auf das Zentrum der Pariser Kunstszene: Montparnasse. In den CafĂ©s der Rive Gauche, am Boulevard du Montparnasse, traf er auf die unterschiedlichsten KĂŒnstler: Matisse, Diego Rivera, Piet Mondrian, Salvador DalĂ, Max Ernst, Yves Tanguy, Joan MirĂł und viele andere mehr. Die meisten von ihnen fanden spĂ€ter als PortrĂ€ts Einzug in Man Rays fotografisches Werk.
Gegen Ende des Jahres zog Man Ray in das berĂŒhmte KĂŒnstlerhotel HĂŽtel des Ecoles am Montparnasse. Anfang November nahm Man Ray zusammen mit Max Ernst, Hans Arp und Marcel Duchamp an einer Sammelausstellung in der Galerie des KunsthĂ€ndlers Alfred Flechtheim in Berlin teil. Man Ray, der nicht selbst nach Berlin reiste, schickte dafĂŒr ein Bild von Tristan Tzara mit einer Axt ĂŒber dem Kopf und auf einer Leiter sitzend, neben ihm das ĂŒbergroĂe Bildnis eines Frauenaktes (PortrĂ€t Tristan Tzara / Tzara und die Axt, 1921). Auf Bestreben Tzaras, der den neuen Dada-KĂŒnstler aus Amerika fĂŒr âseine Bewegungâ etablieren wollte, fand noch im Dezember des Jahres in der Librairie Six die erste Ausstellung Man Rays in Paris statt.

Um die gleiche Zeit entstand Man Rays âoffizielle Photographieâ der mittlerweile untereinander zerstrittenen Dadaisten. In der von Egozentrikern durchsetzten Dada-Gruppe, die sich in exzessiven Ausschweifungen erging, fand Man Ray lĂ€ngst nicht die UnterstĂŒtzung, die er sich erhoffte, zumal bildende KĂŒnstler in dieser von Literaten beherrschten Szene wenig Beachtung fanden. Die Dadaisten hatten Dada in ihrer AbsurditĂ€t bereits lakonisch-scherzhaft fĂŒr tot erklĂ€rt: âMan liest ĂŒberall in den Zeitschriften, dass Dada schon lange tot ist [âŠ] es wird sich zeigen ob Dada wahrhaftig tot ist oder nur die Taktik geĂ€ndert hat;â und so wurde Man Rays erste Ausstellung mit den Dadaisten eher zu einer Farce; auch der Mangel an VerkĂ€ufen machten dem KĂŒnstler insgeheim zu schaffen. Verursacht durch eine Kontroverse, die der rebellische AndrĂ© Breton in Vorbereitung seiner âSurrealistischen Manifesteâ entfacht hatte, und einem damit verbundenen Disput Bretons mit Tzara, Satie, Eluard und weiteren Dadaisten kam es am 17. Februar 1922 mit einem Zensurbeschluss gegen Breton zur Spaltung zwischen Dadaisten und Surrealisten. Unter den 40 Unterzeichnern des Beschlusses befand sich auch Man Ray. Dies war das erste und letzte Mal, dass Man Ray Stellung zu einer kĂŒnstlerischen Doktrin bezog.[17]
Fotografie
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Erfolglos in der Malerei fasste Man Ray Anfang 1922 den Entschluss, sich ernsthaft der Fotografie zu widmen. Obwohl er seit seiner Ankunft in Paris schon zahlreiche PortrĂ€ts von Picabia, Tzara, Cocteau und vielen anderen Protagonisten der Pariser Kunstszene angefertigt hatte, wollte er sich nun die PortrĂ€tfotografie als Einnahmequelle sichern und gezielt Auftraggeber suchen. âIch habe jetzt meine Aufmerksamkeit darauf gerichtet, ein Atelier zu mieten und es einzurichten, damit ich effizienter arbeiten kann. Ich wollte ja Geld machen â nicht auf Anerkennung warten, die vielleicht kommt oder sich vielleicht nie einstellt.â[18] Dieser Entschluss ging mit dem drĂ€ngenden Wunsch einher, sich von der bisherigen belastenden Situation âim Wettkampf mit den anderen Malernâ zu befreien. Seine ersten Auftragsarbeiten kamen selbstverstĂ€ndlich aus der Kunstszene: Picasso, Georges Braque, Juan Gris, Henri Matisse und viele andere lieĂen sich im FrĂŒhjahr/Sommer 1922 von ihm ablichten. Noch immer lebte und arbeitete Man Ray in einem Hotelzimmer und so beklagte er in einem Brief an seinen Freund und Förderer Ferdinand Howald: âIch lebe und arbeite immer noch in einem Hotelzimmer, das sehr eng und teuer ist. Aber die Ateliers hier sind unmöglich â ohne Wasser oder Licht fĂŒr die Nacht, wenn man nicht einen sehr hohen Preis zahlen kann, und auch dann muss man erst eines finden.â[19]
Im Juli 1922 fand Man Ray schlieĂlich ein geeignetes Wohnatelier mit KĂŒche und Bad in der Rue Campagne PremiĂšre 31. Schnell wurde sein neues Studio zu einem beliebten Treffpunkt der Maler und Schriftsteller. Eine weitere wichtige Auftragsquelle wurden die angloamerikanischen Emigranten und so entstanden im Laufe der Zeit zahlreiche PortrĂ€ts durchreisender KĂŒnstler, vornehmlich Schriftsteller wie James Joyce oder Hemingway, die sich u. a. in literarischen Salons, wie dem von Gertrude Stein und Alice B. Toklas, oder in Sylvia Beachs renommierter Buchhandlung Shakespeare and Company trafen. Zwar war dies die etablierte Pariser Literaturszene, jedoch hat Man Ray mit Ausnahme von Marcel Proust auf dem Totenbett, den er auf ausdrĂŒcklichen Wunsch Cocteaus fotografierte, keinen der fĂŒhrenden französischen Schriftsteller verewigt. Bald wurden auch die Pariser Aristokraten auf den ungewöhnlichen Amerikaner aufmerksam: Das verwackelte PortrĂ€t der exzentrischen Marquise Casati, einer frĂŒheren Geliebten des italienischen Dichters Gabriele DâAnnunzio, das die Marquise mit drei Augenpaaren zeigt, wurde trotz der BewegungsunschĂ€rfe zu einer der signifikantesten Fotografien Man Rays. Die Marquise war ob des verwackelten Fotos so begeistert, dass sie gleich Dutzende von AbzĂŒgen bestellte, die sie an ihren Bekanntenkreis verschickte.
Zu dieser Zeit entdeckte Man Ray die Aktfotografie fĂŒr sich und fand in Kiki de Montparnasse, bĂŒrgerlich Alice Prin, einem beliebten Modell der Pariser Maler, seine Muse und Geliebte. Kiki, die Man Ray im Dezember 1922 in einem CafĂ© kennengelernt hatte und die bis 1926 seine LebensgefĂ€hrtin war, avancierte schnell zum Lieblingsmodell des Fotografen; in den 1920er Jahren entstanden unzĂ€hlige Fotografien von ihr, darunter eine der berĂŒhmtesten von Man Ray: Das surrealistisch-humorvolle Foto Le Violon dâIngres (1924),[20] das den nackten RĂŒcken einer Frau (Kiki) mit Turban zeigt, auf dem sich die beiden aufgemalten f-förmigen Ăffnungen einer Geige befinden. Die Fotografie wurde zu einer der am meisten publizierten und reproduzierten Arbeiten Man Rays. Den Titel Le Violon dâIngres (Die Violine von Ingres) als französisches Idiom fĂŒr âHobbyâ oder âSteckenpferdâ wĂ€hlte Man Ray mutmaĂlich in doppeldeutiger Anspielung auf den Maler Jean-Auguste-Dominique Ingres, der sich bevorzugt dem Violinenspiel und der Aktmalerei gewidmet hatte. Ingresâ GemĂ€lde La Grande Baigneuse (Das TĂŒrkische Bad) war offenkundig Vorlage fĂŒr Man Rays geistreiches FotorĂ€tsel.[21]
Film
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Man Ray hatte bereits in New York zusammen mit Marcel Duchamp einige experimentelle Kurzfilme gedreht; so zeigte der âanrĂŒchigsteâ Streifen eine Schamhaarrasur der exzentrischen DadakĂŒnstlerin Baronin Elsa von Freytag-Loringhoven. SpĂ€ter in Paris brachte ihn Tristan Tzara sofort mit diesem Film in Verbindung und stellte Man Ray bei einem Dada-Ereignis, das sich sinnigerweise SoirĂ©e du cĆur Ă barbe (Der Abend des Bartherzens) nannte, prahlerisch als âprominenten amerikanischen Filmemacherâ vor. An diesem Abend im Juli 1923 fĂŒhrte Man Ray seinen ersten 35-mm-Film in âSpielfilmlĂ€ngeâ vor: den dreiminĂŒtigen schwarzweiĂen Stummfilm Retour Ă la raison (RĂŒckkehr zum Grund), eine Auftragsarbeit von Tzara. Der Film zeigt stakkatoartig animierte Rayographien: Tanzende Nadeln, Salzkörner, eine ReiĂzwecke und andere GegenstĂ€nde, die Man Ray auf dem Filmstreifen verteilt und dann belichtet hatte, und schlieĂlich Schriftfragmente, sich drehende Papierrollen und Eierkartons. Der Film endet mit dem sich drehenden Torso von Kiki de Montparnasse, auf dem sich ein Fensterkreuz als Lichterspiel abzeichnet.[22] Der Experimentalfilm fand viel Beachtung und Man Rays Studio in der Rue Campagne PremiĂšre 31 wurde bald Anlaufstelle fĂŒr viele Filmenthusiasten und Rat suchende Jungfilmer. 1924 trat Man Ray selbst als âDarstellerâ auf: In den Filmen Entrâacte und CinĂš-sketch von RenĂ© Clair spielte er an der Seite von Duchamp, Picabia, Eric Satie und Bronia Perlmutter, Clairs spĂ€terer Frau.
1926 kam endlich ein finanzieller Erfolg fĂŒr Man Ray: Der amerikanische Börsenspekulant Arthur S. Wheeler und dessen Frau Rose traten mit der Absicht, ins FilmgeschĂ€ft einzusteigen, an den KĂŒnstler heran. Die Wheelers wollten Man Rays Filmprojekte âohne Auflagenâ fördern, nur sollte ein Film innerhalb eines Jahres fertiggestellt sein. Arthur Wheeler sicherte Man Ray eine Summe von 10.000 Dollar zu. Kurzum ĂŒbergab Man Ray alle kommerziellen AuftrĂ€ge an seine neue Assistentin Berenice Abbott[23] und konzentrierte sich ob der neugewonnenen kĂŒnstlerischen Freiheit völlig auf das neue Filmprojekt. Im Mai 1926 begann Man Ray mit den Dreharbeiten in Biarritz.
Im Herbst kam schlieĂlich der fast zwanzigminĂŒtige mit Jazzmusik von Django Reinhardt unterlegte Film Emak Bakia in Paris zur AuffĂŒhrung; die Premiere in New York fand im darauf folgenden FrĂŒhjahr statt. Man Ray skizzierte sein Werk als âPause fĂŒr Reflexionen ĂŒber den gegenwĂ€rtigen Zustand des Kinos.â[22] Emak Bakia basierte ohne bestimmte Handlung auf Improvisationen, die mit Rhythmik, Geschwindigkeit und Licht spielen und somit auf das Medium Film an sich reflektieren. Der Film sollte ein cinepoeme, eine âvisuelle Poesieâ sein, wie Man Ray auch im Untertitel betonte.
Der Film wurde ambivalent aufgenommen. Man Ray, der zumeist alles genau einplante, hatte fĂŒr mögliche Kritiker bereits eine passende ErklĂ€rung: âMan kann sich auch mit der Ăbersetzung des Titels âEmak Bakiaâ befassen: Das ist ein hĂŒbscher alter baskischer Ausdruck und bedeutet: Gib uns eine Pause.â Die Kritiker gewĂ€hrten Man Ray diese Pause und ignorierten den Film. Das Medium Film galt zu der Zeit nicht als Kunst und so blieb Emak Bakia auĂerhalb der New Yorker Avantgarde unbekannt.[24]
Etwa einen Monat nach seinem enttĂ€uschenden New Yorker FilmdebĂŒt kehrte Man Ray nach Paris zurĂŒck. Mit seinem Assistenten Jacques-AndrĂ© Boiffard produzierte er noch zwei weitere surreale Filme Ă€hnlicher Art: LâĂtoile de mer (1928) und Le MystĂšre du chĂąteau de dĂ©s (1929). Mit EinfĂŒhrung des Tonfilms und des Aufsehen erregenden Erfolges von Buñuels und Salvador DalĂs LâAge dâOr (Das goldene Zeitalter) verlor Man Ray jedoch weitgehend das Interesse an dem Medium. 1932 verkaufte er seine Filmkamera. WĂ€hrend seiner âExilzeitâ in Hollywood Anfang der 1940er sollte er sich noch ein letztes Mal kurz dem Film zuwenden.
Anfang der 1930er Jahre widmete sich Man Ray fast ausschlieĂlich der Fotokunst, nachdem er der Malerei wieder einmal eine klare Absage erteilt hatte: âMalerei ist tot, vorbei [âŠ] ich male nur noch manchmal um mich gĂ€nzlich von der Nichtigkeit der Malerei zu ĂŒberzeugen.â.[25] Die Rayographie â er verwandte den Begriff mittlerweile fĂŒr sein gesamtes fotografisches Ćuvre â kam fĂŒr Man Ray mittlerweile der Malerei gleich. Vergleichsweise Ă€hnlich arbeiteten zu der Zeit nur Raoul Hausmann, El Lissitzky, Moholy-Nagy und Christian Schad.
Modefotografie, Solarisation, Farbe
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Neben progressiven Publikationen wie VU oder Life, die sich vornehmlich der kĂŒnstlerischen Fotografie widmeten und groĂe Bildstrecken veröffentlichten, wurden bald auch Modezeitschriften wie Vogue oder Harperâs Bazaar auf den erfindungsreichen FotokĂŒnstler aufmerksam. Bereits 1922 hatte Man Ray Modefotografien fĂŒr den Modeschöpfer Paul Poiret angefertigt. Ab 1930 machte er schlieĂlich regelmĂ€Ăig Modeaufnahmen fĂŒr Vogue und Harperâs. Bekannte Aufnahmen aus der Zeit zeigen beispielsweise die Modeschöpferinnen Coco Chanel oder Elsa Schiaparelli (ca. 1934/35). Im Zuge der ârealenâ Modefotografie verlieĂ Man Ray dabei den rein abstrakten Fotogramm-Stil und konzentrierte sich auf surreal-traumhafte Arrangements, die er mit experimentellen Techniken mischte: so arbeitete er in der Zeit oft mit Spiegelungen und Doppelbelichtungen. Eine bekannte Serie war das Portfolio electricitĂ© (1931) als edle Werbepublikation fĂŒr die Pariser ElektrizitĂ€tswerke CPDE. Die Mappe entstand in Zusammenarbeit mit Lee Miller, einer jungen, gut aussehenden ambitionierten und ehrgeizigen Amerikanerin, die fest entschlossen war, Man Rays SchĂŒlerin zu werden. Miller war im Februar 1929 auf ein Empfehlungsschreiben von Edward Steichen nach Paris gekommen und arbeitete bald mit Man Ray vor und hinter der Kamera zusammen. Mit ihr perfektionierte Man Ray seine bis dato streng geheim gehaltene Technik der Solarisation und Pseudo-Solarisation (Sabattier-Effekt) und erreichte durch die scharfe kontrastreiche Trennung des Effektes völlig neue Möglichkeiten in der Bildsprache. Lee Miller ĂŒberzeugte auch als Modell vor der Kamera: Die eleganten Akte und Modefotos mit der schönen, unterkĂŒhlt wirkenden Blondine glichen durch die neue akzentuierende, aber nicht völlig abstrahierende Solarisationstechnik anatomischen Studien. Zu dieser Zeit experimentierte Man Ray auch mit der Farbfotografie, dabei entdeckte er eines der ersten Verfahren, um druckfĂ€hige PapierabzĂŒge von Farbnegativen herzustellen. 1933/34 veröffentlichte das surrealistische KĂŒnstlermagazin Minotaure ein Farbbild Man Rays, zwei Jahre bevor der erste Kodachrome-Film auf den Markt kam.[26] In Minotaure hatte Man Ray zuvor Les Larmes als schwarzweiĂe Bildstrecke veröffentlicht.
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Lee Miller
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Zusammenarbeit mit Lee Miller hatte eine irritierende Wirkung auf Man Ray. Im Gegensatz zu seinen frĂŒheren Modellen und Geliebten, wie der unbefangenen Kiki, war Miller sexuell unabhĂ€ngig, intelligent und sehr kreativ. Aus der Faszination fĂŒr Lee entwickelte sich bald eine merkwĂŒrdig obsessiv-destruktive Liebesbeziehung, die sich auch in Man Rays Werk niederschlug. Seine Sujets drehten sich zunehmend um sadomasochistische Phantasien, bekamen sexualfetischistischen Charakter und spielten mit dem Gedanken der weiblichen Unterwerfung, angedeutet bereits in seinem berĂŒhmten Object of Destruction (1932),[27] einem Metronom, das in seiner bekanntesten Version mit einer Fotografie von Lee Millers Auge versehen war und im Original in StĂŒcke geschlagen wurde, bis hin zu seinem bekanntesten Ălbild A lâheure de lâobservatoire â Les Amoureux (Die Sternwartenstunde â Die Liebenden, 1932â1934), das mutmaĂlich Lees Lippen zeigt, aber die Assoziation mit einer ĂŒberdimensionalen Vagina weckt, die ĂŒber einer Landschaft schwebt. Der KĂŒnstler zerstört âseinâ Modell, reduziert oder idealisiert es, wie schon in frĂŒheren Arbeiten, zum Objekt seiner Begierde. Man Ray war zunehmend fasziniert von den Schriften des Marquis de Sade; einige seiner Arbeiten weisen direkt auf de Sades Gedankengut hin, so z. B. ein PortrĂ€t von Lee Miller mit einem DrahtkĂ€fig ĂŒber dem Kopf, ein Frauenkopf unter einer Glasglocke oder Fotografien mit gefesselten, entpersonalisierten Frauenkörpern.[28] Letztlich scheiterte die kĂŒnstlerische wie private Beziehung zwischen Man Ray und Lee Miller, 1932 kehrte Miller nach New York zurĂŒck. Sie wurde spĂ€ter eine berĂŒhmte Kriegsfotografin.
Ende der Pariser Jahre
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Fotograf: Carl Van Vechten
Mit dem Weggang Lee Millers vollzog sich ein kreativer Einbruch in Man Rays Schaffen. In den Folgejahren bis zu seiner Flucht nach Amerika 1940 machte er eher durch Ausstellungen, die sein internationales Renommee als KĂŒnstler festigten, als durch stilistische Innovationen auf sich aufmerksam. Seine kommerziellen Modefotografien waren zwar perfekt und routiniert in Szene gesetzt, dennoch lieferten sie keine wirklichen neuen kreativen Impulse. Neben dem aufkommenden modernen Fotojournalismus mit seinen âneuenâ innovativen Fotografen wie Henri Cartier-Bresson, Chim und Robert Capa in ihrer politischen EmotionalitĂ€t wirkten Man Rays kĂŒhle Studioproduktionen mittlerweile âstatischâ und ĂŒberkommen.
Bald verdrĂ€ngten lebendige StraĂenreportagen, wie die des sehr viel jĂŒngeren Robert Doisneau oder die eines BrassaĂŻ, der anfangs ebenso surrealistische AnsĂ€tze verfolgt hatte, Man Rays Kunstfotografie aus den Magazinen. Der Surrealist Louis Aragon zog auf einem Pariser Kultursymposium 1936 einen direkten Vergleich zwischen dem âSchnappschuĂfotografenâ Henri Cartier-Bressons und dem Studiofotografen Man Ray: â⊠er (Man Ray) verkörpert das Klassische in der Fotografie [âŠ] eine Atelierkunst mit allem was dieser Begriff bedeutet: vor allem der statische Charakter der Fotografie [âŠ] im Unterschied dazu die Fotografien meines Freundes Cartier, die im Gegensatz zu der friedlichen Nachkriegszeit steht und wirklich durch ihren beschleunigten Rhythmus zu dieser Zeit der Kriege und Revolutionen gehört.â[29]
Man Ray beobachtete diese Entwicklung ebenso wie Aragon, schloss sich aber dem âneuenâ Trend der schnelllebigen realistischen Fotografie letztlich nicht an; vielmehr zog er sich noch mehr in seine eigene Traumwelt zurĂŒck. Zeitweise gab er die Fotografie â mit Ausnahme einiger kommerzieller Modefotos â sogar völlig auf und wandte sich wieder der Malerei zu. Er fĂŒhlte sich in der Entscheidung bestĂ€tigt, als A lâheure de lâobservatoire â Les Amoureux bei einer groĂen Retrospektive surrealistischer Kunst im New Yorker Museum of Modern Art groĂen Anklang fand. Das GemĂ€lde war Man Ray so wichtig, dass er es immer wieder in zahlreichen Fotografien einbrachte: Modefotos, SelbstportrĂ€ts und Aktaufnahmen.
Der Bildhauer Alberto Giacometti machte Man Ray um 1934 mit der jungen KĂŒnstlerin Meret Oppenheim bekannt. Oppenheim stand ihm Modell in der Fotoserie Ărotique voilĂ©e (1934). Die berĂŒhmteste Aufnahme zeigt Oppenheim nackt, mit von DruckerschwĂ€rze beschmierter Hand vor einer Kupferstichpresse.[30] UngefĂ€hr zu dieser Zeit entstanden auch zwei weitere wichtige Arbeiten: Die BĂŒcher Facile (1935) und La Photographie nâest pas lâart (1937). Facile entstand mit Man Rays altem Freund Paul Ăluard und dessen zweiter Frau Nusch. Das Buch bestach durch feinste, teils solarisierte teils invertierte oder doppelbelichtete Aktfotografien von Nusch Eluard und ein neuartiges Layout, welches, ausgewogen zwischen Text und Bild, viel meditative WeiĂflĂ€che lieĂ, um das GefĂŒhl von Unendlichkeit zu evozieren. Neben Nusch Eluard ist nur ein Paar Handschuhe abgebildet. Das andere Werk La Photographie nâest pas lâart war eher eine Mappe, die in der Zusammenarbeit mit Breton entstand. Es sollte eine fotografische Antithese zu Man Rays Fotografien der 1920er Jahre werden: Zeichneten sich diese durch die Abbildung âschönerâ Dinge aus, so lieferte La Photographie nâest pas lâart mit harten, teilweise abstoĂenden und verstörenden Sujets eine sarkastische Antwort auf die durch Krieg und Zerfall bedrohte Gesellschaft der ausgehenden 1930er Jahre.[31]
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Die fatalen Auswirkungen des Nationalsozialismus zeigten sich bald in Paris. SpĂ€testens ab 1938 hatte sich die Situation in der einstmals gastfreundlichen Metropole drastisch verĂ€ndert; die Diskriminierung und Verfolgung der jĂŒdischen Bevölkerung eskalierte in Gewalttaten gegenĂŒber allem âAuslĂ€ndischenâ. FĂŒr Man Ray, den Einwanderer mit jĂŒdischen Vorfahren, war dies nicht mehr der Ort, an dem er noch vor fast zwanzig Jahren so freundlich empfangen wurde. Das Ende seiner Pariser Zeit war gekommen. Den letzten groĂen Auftritt, bevor er nach Amerika ging, hatte er 1938 bei der Exposition Internationale du SurrĂ©alisme in Georges Wildensteins Galerie Beaux-Arts in Paris, die fĂŒr ihn den ganz persönlichen Höhepunkt des Surrealismus markierte. Von nun an wurde Man Rays Bildsprache zunehmend dĂŒsterer und pessimistischer. Ein wichtiges malerisches ResĂŒmee auf seine âschönen Pariser Zeitenâ sollte das GemĂ€lde Le Beau Temps werden, das 1939 kurz vor Beginn des Zweiten Weltkrieges und seiner Abreise nach Amerika entstand. Es ist sowohl autobiografische Bilanz wie kĂŒnstlerische Situationsbeschreibung. Das Bild hat einen Ă€hnlichen Aufbau wie viele Werke der Pittura metafisica:
âEine Harlekinade zweier hervorstechend farbiger, geometrischer Figuren vor einer von zerstörtem Mauerwerk abgegrenzten alptraumhaft dĂŒsteren Landschaft. Die linke offenbar mĂ€nnliche Figur, deren Kopf eine Laterne bildet, steht vor spitzen forkenartigen Spalieren; neben dem Harlekin liegen ein aufgeschlagenes Buch mit geometrischen Studien, sowie zwei gemusterte Steine. Der Harlekin dreht an dem TĂŒrknauf einer offenbar unbeweglichen TĂŒr, die eher einem Paravent Ă€hnelt, wĂ€hrend aus dem SchlĂŒsselloch eine Blutspur zu Boden rinnt. Auf den vier Feldern der ParaventtĂŒr sind zarte Akte in verschiedenen Stellungen angedeutet. Hinter der TĂŒr lugt ein ĂŒberdimensionaler Stecknadelkopf hervor. Auf der rechten Seite der TĂŒr steht eine weibliche Figur mit einem bunten Rock, der einem bunten Zirkuszelt Ă€hnelt; die Figur besitzt einen mechanischen Körper, der an eine Garnspule mit Propeller erinnert; im Hintergrund zitiert Man Ray sein zuvor entstandenes GemĂ€lde La Fortune (1938): drei Kugeln, die einer gewellten Schlangenlinie folgend wie auf einem Karambolage-Tisch oder einer Boule-Bahn liegen, die schlieĂlich an einem erleuchteten GebĂ€ude endet, das vermutlich Man Rays ehemaliges Landhaus sein soll; in dem Haus sind eine Staffelei und der Schattenriss eines Liebespaar zu erkennen, wĂ€hrend auf dem Dach des Hauses ein Minotaurus dargestellt ist, der ein Reptil beim Liebesakt verschlingt.â
Das Bild ist nicht nur eine Bilanz seines bisherigen Ćuvres, sondern es weist auch zugleich etliche autobiografische Elemente auf; der Minotaurus ist beispielsweise ein stilistischer Fingerzeig auf Picasso, mit dem Man Ray befreundet war und den er zeitlebens bewunderte. Mit Picasso, Dora Maar, den Eluards, sowie Lee Miller und Roland Penrose hatte Man Ray zusammen mit seiner damaligen Geliebten Adrienne viele glĂŒckliche Stunden im SĂŒden Frankreichs verbracht. Die TĂŒr schlieĂlich ist eine Anspielung auf AndrĂ© Breton, der Auseinandersetzung mit dem Surrealismus und dessen Verklausulierung einer âTĂŒr zur RealitĂ€tâ.[32] FĂŒr Man Ray schien sie den schmerzhaften Eintritt in eine neue RealitĂ€t zu bedeuten oder ein Symbol fĂŒr âDie TĂŒr hinter sich schlieĂenâ.
Sehr bald nach Fertigstellung des Werkes sollte eine Odyssee quer durch Europa beginnen. Nach einer fehlgeschlagenen Flucht aus Paris per Flugzeug gelangte er schlieĂlich per Zug ĂŒber Spanien nach Portugal. Am 8. August 1940 schiffte er sich in Lissabon an Bord der Excambion nach New York ein.
Im Exil in Amerika, 1940â1951
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Im SpĂ€tsommer 1940 kam Man Ray im Hafen von New York an. Obwohl noch amerikanischer StaatsbĂŒrger, war er in seinem Geburtsland ein Fremder. Er lieĂ nicht nur seine Freunde und seinen Status als KĂŒnstler in Paris zurĂŒck, sondern auch seine wichtigsten Werke der letzten zwanzig Jahre: Fotografien, Negative, Objekte und zahlreiche GemĂ€lde, einschlieĂlich seines Meisterwerkes A lâheure de lâobservatoire â Les Amoureux. Die meisten Arbeiten hatte er wohl bei Freunden versteckt, dennoch sind zahlreiche Arbeiten im Krieg zerstört worden oder verschollen. Bei seiner Ankunft wurde Man Ray von einer tiefen Depression erfasst. Ăberdies erregte sein ReisegefĂ€hrte und Freund, der exaltierte Salvador DalĂ, sofort die Aufmerksamkeit der Fotoreporter, wĂ€hrend er in Bedeutungslosigkeit versank. DalĂ hatte es die ganzen Jahre zuvor verstanden, seinen Namen und seine Kunst auch in Ăbersee publik zu machen, wohingegen sich Man Ray fast ausschlieĂlich in Europa aufgehalten hatte; so war es nicht verwunderlich, dass die Amerikaner so gut wie nichts ĂŒber ihn wussten. Bei einer Ausstellungsbeteiligung im Museum of Modern Art im Dezember 1940 wurden lediglich drei alte Fotoarbeiten aus den 1920er Jahren von ihm gezeigt, die neben einer Vielzahl neuerer Arbeiten der âDaheimgebliebenenâ Edward Weston und Alfred Stieglitz wenig Beachtung fanden. Ungeachtet des fehlenden kĂŒnstlerischen Ruhms fand Man Ray zwar schnell AuftrĂ€ge als kommerzieller Fotograf, der Kampf indes, als KĂŒnstler jemals wieder Anerkennung zu finden, sollte Man Ray fĂŒr den Rest seines Lebens beschĂ€ftigen.
Ohne Förderer oder respektable Galerie sah die Situation fĂŒr ihn als KĂŒnstler in New York schlecht aus und so hielt ihn dort nichts. Hatte der frankophile Man Ray zunĂ€chst New Orleans in ErwĂ€gung gezogen, folgte er wohl dem allgemeinen Ruf, dem damals viele EuropĂ€er folgten, nach Hollywood zu gehen. WĂ€hrend des Krieges unterstĂŒtzte Los Angeles, vor allem die ansĂ€ssigen Filmstudios, mehr als jede andere US-amerikanische Stadt die Kunstszene. Bereits im November 1940 traf Man Ray in Hollywood ein. Da dort bereits einstige Kollegen von ihm wie Luis Buñuel und Fritz Lang erfolgreich arbeiteten, hoffte auch er wieder im FilmgeschĂ€ft FuĂ zu fassen; doch dies sollte sich als Irrtum erweisen: An âKunstâ in Man Rays Sinne waren die kommerziell orientierten Studiobosse nicht interessiert. Seine Karriere beim Film sah er damit bald beendet. EnttĂ€uscht rekapitulierte Man Ray spĂ€ter in seiner Autobiografie, dass er â⊠die Kamera in dem Wissen beiseite legte, dass sein Ansatz beim Filmen ein vollkommen anderer war als das, was die Industrie und die Ăffentlichkeit von ihm erwarteteâ.[33] Dennoch blieb er elf Jahre in Hollywood und arbeitete als inoffizieller Berater bei Filmprojekten mit oder steuerte Objekte oder GemĂ€lde als Requisiten bei. Sein einziger erwĂ€hnenswerter Beitrag blieb Ruth, Roses and Revolvers (1945), eine Drehbuch-Episode fĂŒr den zwei Jahre spĂ€ter fertiggestellten Film Dreams That Money Canât Buy von Hans Richter, an dem auch Alexander Calder, Marcel Duchamp, Max Ernst und Fernand LĂ©ger mitwirkten. Man Ray widmete sich in diesen Jahren wieder verstĂ€rkt der Malerei, nur gelegentlich griff er noch zum Fotoapparat und wenn, dann war seine zweite Frau Juliet das Hauptmotiv. Juliet Browner, die Man Ray 1940 in Hollywood kennengelernt hatte, war jung und lebendig und inspirierte ihn stets zu neuen Ideen. Von Juliet entstanden zahlreiche PortrĂ€tserien, die er sein Leben lang ergĂ€nzte. Einen Ă€hnlich starken Einfluss auf den KĂŒnstler hatten zuvor nur seine erste Frau Adon Lacroix, Kiki de Montparnasse und Lee Miller.
Mitte der 1940er Jahre begann Man Ray vereinzelt Vorlesungen ĂŒber Dadaismus und Surrealismus zu halten. In der Zeit entstanden zahlreiche Objekte, die Man Ray Objects Of My Affection nannte. Zehn dieser Objekte stellte er 1946 bei der Ausstellung Pioneers of Modern Art in America im New Yorker Whitney-Museum aus. Die neuen Arbeiten zeugten von Humor und einer gewissen Selbstironie, so bezeichnete Man Ray das Object Silent Harp (1944), das aus einem Geigenhals bestand, als âViolon dâIngres eines frustrierten Musikers. Er kann Farbe so selbstverstĂ€ndlich hören, wie er Töne sehen kann.â.[34] Am 24. Oktober 1946 heirateten er und Juliet Browner in einer Doppelhochzeit zusammen mit Max Ernst und Dorothea Tanning in Beverly Hills. Um 1947 erhielt Man Ray die frohe Botschaft aus Paris, dass sein Haus in Saint-Germain-en-Laye und zahlreiche seiner Arbeiten vom Krieg verschont worden waren. Zusammen mit Juliet machte er sich im Sommer auf den Weg nach Paris, um den Fundus zu sichten. Bis auf das GemĂ€lde Le Beau Temps verschiffte Man Ray alle Arbeiten nach Hollywood. Im Herbst desselben Jahres kehrte er nach Amerika zurĂŒck. 1948 kombinierte er die aus Paris ĂŒberfĂŒhrten Arbeiten mit dem neuen abstrakt-geometrischen GemĂ€ldezyklus Equations for Shakespeare fĂŒr eine Ausstellung unter dem Titel Paintings Repatriated from Paris in der William Copley Gallery in Los Angeles. Genau genommen waren die Equations for Shakespeare eine Neuaufnahme einer bereits vor zehn Jahren in Paris begonnenen Serie. FĂŒr die Ausstellung in der Copley Gallery entstand der aufwendige Katalog To Be Continued Unnoticed der als ungebundene Mappe nebst Ausstellungsverzeichnis auch zahlreiche Reproduktionen von Werkzeichnungen, Objekten und Fotoarbeiten sowie Ausstellungskritiken frĂŒherer Jahre im charakteristischen Nonsens-Stil der damaligen Dada-Zeitschriften in einem konzeptionellen Kontext zusammenfasste. Die Ausstellungseröffnung am 13. Dezember 1948 war ein groĂes Ereignis und erinnerte noch einmal an die âgutenâ Pariser Jahre. Zahlreiche internationale bildende KĂŒnstler, Schriftsteller und Filmemacher zĂ€hlten zu den GĂ€sten des CafĂ© Man Ray, wie die Vernissage in Anspielung auf die Pariser KaffeehĂ€user genannt wurde. Man Rays Ausstellung war zugleich Höhepunkt und Abschluss seines Schaffens in Los Angeles. Ungeachtet des respektablen Erfolgs an der WestkĂŒste empfand Man Ray die Resonanz des Publikums in den USA als zu gering und so lag es nahe, dass er 1951 wieder nach Paris zurĂŒckkehrte.
RĂŒckkehr nach Paris, 1951â1976
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Im Mai 1951 bezog Man Ray mit seiner Frau Juliet eine Pariser Studiowohnung in der Rue FĂ©rou, die er bis zu seinem Lebensende bewohnte. In den Folgejahren wurde es trotz intensiver Ausstellungsbeteiligungen in Europa und Ăbersee ruhiger um den KĂŒnstler, der sich nun bevorzugt der abstrakten Variationen respektive der Reproduktion frĂŒherer Arbeiten (unter anderem Cadeau, Reproduktion 1974)[35] widmete und gelegentlich mit der Farbfotografie experimentierte. Auch die PortrĂ€tfotografie verfolgte er weiterhin; so entstanden in den 1950er/1960er Jahren u. a. Fotografien von Juliette GrĂ©co, Catherine Deneuve und anderen KĂŒnstlerkollegen. Zu dieser Zeit entstanden auch Arbeiten in Acryl, wie die so genannten Natural Paintings zwischen 1957 und 1965, in denen er mit zufĂ€lligen Anordnungen pastoser Acrylaufstriche experimentierte (Decembre ou le clown, Othello II, 1963). 1958 nahm er an der Ausstellung Dada, Dokumente einer Bewegung im Kunstverein DĂŒsseldorf und an einer Dada-Ausstellung im Stedelijk Museum in Amsterdam teil. Im Folgejahr 1959 arbeitete er als kinematografischer Berater an der kurzen filmischen Dokumentation Paris la belle von Pierre PrĂ©vert mit. 1960 war er auf der Photokina in Köln vertreten; auf der Biennale von Venedig erhielt er 1961 die Goldmedaille fĂŒr Fotografie. 1963 legte Man Ray in London seine Autobiografie Self-Portrait vor. Zum fĂŒnfzigsten JubilĂ€um des Dadaismus 1966 nahm Man Ray an einer groĂen Dada-Retrospektive teil, die in Paris im MusĂ©e National dâArt Moderne, im Kunsthaus ZĂŒrich und im Civico Museo dâArte Contemporanea in Mailand gezeigt wurde. 1966 erhielt Man Ray seine erste groĂe Retrospektive im Los Angeles County Museum of Art. AnlĂ€sslich seines 85. Geburtstages fand 1974 eine von Roland Penrose und Mario Amaya organisierte Einzelausstellung mit 224 Werken unter dem Motto Man Ray Inventor-Painter-Poet im New York Cultural Center statt, die anschlieĂend 1975 im Institute of Contemporary Arts in London, der Alexander Iolas Gallery in Athen und schlieĂlich im Palazzo delle Esposizioni in Rom gezeigt wurde. Man Ray starb am 18. November 1976 in Paris. Er wurde auf dem CimetiĂšre du Montparnasse (7. Division) beigesetzt. Die Inschrift seines Grabsteins lautet: âunconcerned, but not indifferentâ (unbekĂŒmmert, aber nicht gleichgĂŒltig).[36]
Im Jahr 1984 widmete der Kunstverein Ingolstadt Man Ray eine Ausstellung.
Seine Frau Juliet Browner Man Ray kĂŒmmerte sich bis zu ihrem Tod 1991 um den Nachlass von Man Ray und spendete zahlreiche seiner Arbeiten an Museen. Sie grĂŒndete die Stiftung âMan Ray Trustâ. Die Stiftung besitzt eine groĂe Sammlung von Originalarbeiten und hĂ€lt die Urheberrechte des KĂŒnstlers. Juliet wurde neben Man Ray beigesetzt.
Werke
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Fotografien
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Man â Woman 1918.
- Dust Raising. 1920.
- The Enigma of Isidore Ducasse (The Riddle). 1920.
- Larmes (Glass Tears). Versch. Versionen, 1920â1933.
- KEEP SMILING â dadaphoto. 1921.
- Marquise Casati. 1922.
- Kiki im Café. Etwa 1923.
- Le Violon dâIngres. 1924.
- Noire et blanche. 1926.
- Mr and Mrs Woodman. 1927â1945.
- La PriĂšre. 1930.
- LâĆuf et le coquillage. 1931.
- Nature Morte. Silbergelatineabzug, 1933; ex: Ambroise Vollard
- Ărotique voilĂ©e. 1934.
- Dora Maar. 1936.
- Space Writings. 1937.[37]
- Selfportrait. 1963.
- La Télévision. 1975.
Ferner:
- Diverse PortrĂ€tfotografien (-serien) berĂŒhmter Personen aus Kunst und Kultur, die gröĂtenteils in den 1920er Jahren entstanden sind
- Zahlreiche, teilweise unbetitelte Fotoserien, die das Bild A lâheure de lâobservatoire â Les Amoureux im Hintergrund zeigen
Malerei
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Ramapo Hills. 1914/1915.
- Arrangement of Forms, No. 1. 1915.
- The Revolving Doors. 1916/1917, zehn Serigrafien.
- La VoliĂšre (Aviary). 1919.
- Une nuit Ă Saint-Jean-de-Luz. 1929.
- A lâheure de lâobservatoire â Les Amoureux. 1932â1934.
- La Fortune. 1938.
- Le Rebus. 1938.
- Imaginary Portrait of D.A.F. de Sade. 1938.
- Le Beau Temps. 1939.
- Juliet. 1943.
Objekte
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Lampshade. 1919.
- Obstruction. 1920.
- Schachspiel (Chessboard). 1920 (Neufassung 1945).
- The Object to be Destroyed. 1921 (Object of Destruction, 1932, Lost Object 1945; Indestructible Object, 1958; Last Object, 1966; Perpetual Motif, 1972).
- Catherine Barometer. 1920.
- Cadeau. 1921, BĂŒgeleisen mit ReiĂnĂ€geln (Neufassung 1971).
- Table for Two. 1944, Holztisch.
- Silent Harp. 1944, Geigenhals, Spiegel und Gitter mit Pferdehaaren.
- Optical Hopes and Illusions. 1945, hölzerner Banjorahmen mit Ball und Spiegel.
Viele Objekte Man Rays entstanden einzig zu dem Zweck, fotografiert zu werden und wurden anschlieĂend zerstört
Filmografie
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- 1923: Le retour Ă la raison
- 1923: Rue Campagne-PremiĂšre
- 1924: Ă quoi rĂȘvent les jeunes films
- 1927: Emak Bakia
- 1928: LâĂtoile de mer
- 1929: Corrida
- 1929: Les mystĂšres du chĂąteau de DĂ©
- 1930: Autoportrait ou Ce qui manque Ă nous tous
- 1933: Poison
- 1935: Essai de simulation de délire cinématographique
- 1935: Lâatelier du Val de GrĂące
- 1937: Course landaise
- 1937: La Garoupe
- 1938: Ady
- 1938: Dance
- 1940: Juliet
Schriften (Auswahl)
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Alphabet for Adults. Copley Gallery, Beverly Hills 1948.
- Analphabet. Nadada Editions, New York 1974.
- Les Champs dĂ©licieux. SociĂ©tĂ© Generale dâImprimerie, 1922.
- New York Dada. Eigenverlag mit Marcel Duchamp, New York 1921.
- A Note on the Shakespearean Equations. Copley Gallery, Beverly Hills 1948.
- La Photographie nâest pas lâart. GLM, Paris 1937.
- Man Ray, Selbstportrait. Eine illustrierte Autobiographie. Neuauflage, Schirmer/Mosel, MĂŒnchen 1998, ISBN 978-3-88814-149-2.
Rezeption
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« J'ai toujours envié ceux pour qui une oeuvre est un mystÚre. »
âIch habe immer jene beneidet, fĂŒr die ein Werk ein Geheimnis ist.â
Man Ray blieb vielen Menschen rĂ€tselhaft, schwer zugĂ€nglich und fand erst spĂ€t Beachtung. Allein der Umfang seines vielschichtigen Gesamtwerks erschwert eine formale ErschlieĂung und somit die Kategorisierung in bestimmte Stile. Er vereinigte nahezu sĂ€mtliche Richtungen der modernen Kunst des beginnenden 20. Jahrhunderts, weshalb er oft verallgemeinernd als âModernistâ oder âErneuerer des Modernismusâ bezeichnet wurde.[38] Man Ray war neben Marcel Duchamp und Francis Picabia zwar die treibende Kraft des New York Dada, stand aber schon dort deutlich an der Schwelle zum Surrealismus. AndrĂ© Breton bezeichnete Man Ray als einen âPrĂ€-Surrealistenâ, weil viele seiner Werke richtungsweisend fĂŒr die spĂ€tere Bewegung waren. Obwohl Man Ray zeitlebens viele SchriftstĂŒcke mit kunsttheoretischen AnsĂ€tzen und Betrachtungen verfasste, war er selbst nie wirklich an einer Manifestation respektive am dogmatischen Ăberbau einer bestimmten Kunstrichtung interessiert oder beteiligt. Mit dieser teilweise aus der Not geborenen âAuĂenseiterpositionâ und dem drĂ€ngenden Wunsch, sich stĂ€ndig neu zu erfinden, folgte er wahrscheinlich seinem Freund und Mentor Duchamp.[39]
Der französische Museumsdirektor und Ausstellungsmacher Jean-Hubert Martin[40] skizzierte Man Ray als âeinen unermĂŒdlichen Wanderer im grenzenlosen Reich der KreativitĂ€t. [âŠ] In der Fotografie hat er alles ausprobiert ohne sich jemals in Konventionen einschlieĂen zu lassen. Sein Werk ist unglaublich vielfĂ€ltig und quantitativ bis heute nicht voll erfasst. [âŠ] Seine zahlreichen Objekt-Assemblagen, die aus allem möglichen zusammengesetzt sind, wirken anregend fĂŒr die Phantasie.â[41]
Typisch fĂŒr Man Rays Werk ist die Idee der stĂ€ndigen mechanischen Wiederholung und Reproduktion, auch in kommerzieller Hinsicht, womit er ein grundlegendes Prinzip Andy Warhols sowie der Pop Art im Allgemeinen vorwegnimmt. Mit Warhol hat Man Ray auch biographische Gemeinsamkeiten: beide stammten aus armen Immigrantenfamilien und verkehrten spĂ€ter in höheren Gesellschaftskreisen, von denen sie zumeist ihre AuftrĂ€ge bezogen, waren aber im Wesentlichen EinzelgĂ€nger.[42]
Man Ray war einer von Warhols Helden, so dass Warhol, als er es sich leisten konnte, eine Reihe seiner Fotografien, GemĂ€lde und frĂŒhen BĂŒcher erwarb.[43]
Der Turiner Galerist Luciano Anselmino (1943â1979) vermittelte den Kontakt zwischen Man Ray und Andy Warhol. Seine âGalleria Il Faunoâ war auf Surrealismus und Pop Art spezialisiert und stellte KĂŒnstler wie Max Ernst, Marcel Duchamp, Man Ray und Andy Warhol aus.
Am 30. November 1973 fotografierte Andy Warhol Man Ray in seinem Atelier in Paris.[44] Man Ray war damals 83 Jahre alt. Laut Timothy Baum[45] hatte Man Ray noch nie von Andy Warhol gehört. Luciano Anselmino[46] beauftragte Andy Warhol zunĂ€chst mit einer Grafikserie mit dem PortrĂ€t von Man Ray, spĂ€ter mit drei verschiedenen PortrĂ€ts von Man Ray auf drei verschiedenen groĂen LeinwĂ€nden in Acryl und Siebdruck. Die Werke wurden ab 1974 in der Galerie Il Fauno - Alexander Iolas in Mailand ausgestellt.[47]
Bedeutung fĂŒr die Fotografie
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Man Ray kam von der Malerei zur Fotografie und hob dabei die Grenzen zwischen der âdokumentarisch-utilitaristischenâ und der âkreativenâ Fotografie auf: Zum einen lieferte er als Zeitzeuge wichtige Fotodokumente aus den âKinderjahrenâ der modernen zeitgenössischen Kunst des 20. Jahrhunderts, zum anderen erweiterte er durch seine Experimentierfreude das Spektrum der damaligen âLichtbildnereiâ, in einer Zeit, als man glaubte, âalles sei schon durchfotografiert worden.â[48] Er portrĂ€tierte fast sĂ€mtliche bedeutenden Personen des kulturellen Zeitgeschehens im kreativen Zenit des Paris der 1920er Jahre und schuf damit ein Ćuvre wie vor ihm nur Nadar.
Man Ray löste mit seiner Vielfalt der Techniken, der Fotocollage, dem Rayogramm â respektive der Solarisation â einen wichtigen Impuls fĂŒr den Surrealismus aus. Indem er die gewöhnliche Bedeutung der Objekte aufhob und ihnen eine traumhaft-sinnliche, sogar erotische Komponente zukommen lieĂ, unterschied er sich von seinen europĂ€ischen Zeitgenossen wie Moholy-Nagy oder Lissitzky, die, ganz dem Gedanken des Bauhauses und des Konstruktivismus folgend, das nĂŒchterne gegenstandslose Abbild suchten.[49]
Der Kunsttheoretiker Karel Teige bezeichnete ihn hingegen als âzweitrangigen kubistischen Maler, der dank der Mode jener Zeit zum Dadaisten wurde, aufhörte zu malen und begann, metamechanische Konstruktionen â den suprematischen Konstruktionen der Russen Rodtschenko und Lissitzky Ă€hnlich â zu konstruieren um sie schlieĂlich mit genauer Kenntnis des fotografischen Handwerks zu fotografieren.â.[50] Womit Man Rays Dilemma, dass die Fotografie lange nicht als âKunstâ angesehen wurde, deutlich wird: Die von Literaten beherrschten Dadaisten schĂ€tzen ihn als Freund und Dokumentaristen, die kĂŒnstlerische Anerkennung als Maler und Fotograf verwehrten sie ihm jedoch.[51]
WĂ€hrend ihn die meisten zeitgenössischen amerikanischen KĂŒnstlerkollegen und Kritiker wie Thomas Hart Benton eher distanziert-abwertend als âHandwerkerâ betrachteten â da ja die Fotografie âuntrennbarâ mit der Mechanik verbunden sei und allenfalls Alfred Stieglitz, Paul Strand und Edward Steichen anerkannten â war einzig Georgia OâKeeffe, die sich selbst mit den Möglichkeiten der Fotografie befasste, bereit ihn als âjungen Maler mit ultramodernen Tendenzenâ hervorzuheben.[39] Der Kritiker Henry McBride nannte ihn anlĂ€sslich einer Ausstellung in der Vallentine Gallery in New York â⊠einen Ursprungs-Dadaisten und den einzigen von Bedeutung, den Amerika produziert hat.â[39]
FĂŒr viele Fotografen und Filmemacher war Man Ray Berater, Entdecker, Lehrmeister und spiritus rector zugleich: unter ihnen finden sich bekannte Namen wie EugĂšne Atget, Berenice Abbott, Bill Brandt oder Lee Miller.
Bedeutung fĂŒr den Film
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Man Ray produzierte nur vier kurze Filme in den 1920ern, die, neben Buñuels und Salvador DalĂs Aufsehen erregenden Werken Ein andalusischer Hund (1928) und LâAge dâOr (Das goldene Zeitalter), als Pionierarbeiten des poetisch-surrealistischen Experimentalfilms gelten. DarĂŒber hinaus wirkte er zumeist beratend bei anderen Filmproduktionen mit. Durch seine Bekanntschaften mit RenĂ© Clair, Jean Cocteau und anderen Filmschaffenden Anfang der 1930er Jahre hat sich Man Ray auch mit dem poetischen Realismus des französischen Films auseinandergesetzt. Der stilistische Einfluss Man Rays auf die Kinematographie findet sich in zahlreichen Kunstfilmen wieder; so unter anderem bei Marcel CarnĂ©, Jean Genet oder Jean Renoir oder in den Undergroundfilmen der Nachkriegszeit von beispielsweise Kenneth Anger, Jonas Mekas oder Andy Warhol.[52]
Bedeutung fĂŒr die Malerei
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]In der Malerei rekapitulierte und reproduzierte Man Ray innerhalb kĂŒrzester Zeit, explizit von 1911 bis 1917, fast sĂ€mtliche Stile seiner Zeitgenossen: Angefangen beim Impressionismus fĂŒhrte ihn die fast zwanghafte Suche nach einer eigenen Ikonografie zu futurokubistischen Stilelementen, die sich teilweise auch in Picabias Werken wiederfinden. Man Ray stand damit malerisch an einen Scheideweg, der kennzeichnend fĂŒr den beginnenden PrĂ€zisionismus als erste âeigeneâ amerikanische Kunstrichtung und als Trennung von der europĂ€ischen Moderne zugleich war. Man Ray beschritt jedoch nicht den tradierten Weg des Tafelbildes. Der Prozess seiner Bildfindung glich eher einem seriellen Prozess, der getrieben war von der Suche ânach einem System, das den Pinsel ersetzen, ihn sogar ĂŒbertreffen könnte.â[53] Zwischen 1917 und 1919 fĂŒhrte Man Ray mit Hilfe von Spritzpistolen und Schablonen die von ihm weiterentwickelte Aerographie als âmaschinellesâ multifunktionales Stilmittel in die Malerei ein. Damit nahm er das Konzept der Warholschen Serigrafien und ihrer beliebigen Reproduzierbarkeit vorweg. In dem lyrisch abstrahierten kubistischen Werk Revolving Doors (1916/17) zeigt Man Ray in Collagen aus transparenten Papieren chromatische Ăberlagerungen, die einem konstruktivistischen Prinzip folgen und scheinbare âStandbilderâ eines kinetischen Kunst-Apparates sind, wie er spĂ€ter, 1930, unabhĂ€ngig von Man Ray im Bauhaus als âLicht-Raum-Modulatorâ bei Moholy-Nagy zu finden ist. Die Revolving Doors legte Man Ray 1926 als Serie auf.
Im Gegensatz zu seinen signifikanten Fotografien und Objekten wirkt Man Rays malerisches Werk weniger âverspieltâ und unzugĂ€nglicher und gipfelt letztlich in seinem surrealen MeisterstĂŒck A lâheure de lâobservatoire â Les Amoureux (1932â1934), von dem Man Ray so angetan war, dass er es selbst immer wieder rezipierte. Seine spĂ€teren Werke schöpfen aus dem synthetischen Kubismus, greifen Ideen seiner New Yorker Jahre auf oder lehnen sich in Bildern wie La Fortune II an RenĂ© Magrittes verschlĂŒsselte Tautologien und die bĂŒhnenhaften Kompositionen der Pittura metafisica an. An die malerischen Tendenzen der Moderne nach 1945 konnte Man Ray indes nicht anknĂŒpfen. Kritiker wie der Surrealismusexperte RenĂ© Passeron stuften Man Rays Bedeutung fĂŒr die Malerei gleichwohl als weniger relevant ein: âWĂ€re Man Ray nur Maler gewesen, so wĂŒrde er bestimmt nicht zu den wichtigsten bildenden KĂŒnstlern des Surrealismus gehören.â[54]
Ehrungen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]2017 wurde eine auf Kuba heimische Spinne nach ihm benannt: Spintharus manrayi.[55]
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Merry Foresta, Stephen C. Foster, Billy KlĂŒver, Julie Martin, Francis Naumann, Sandra S. Phillips, Roger Shattuck, Elisabeth Hutton Turner: Man Ray 1890â1976. Sein Gesamtwerk. Edition Stemmle, Schaffhausen 1989, ISBN 978-3-7231-0388-3.
- Man Ray Photograph. Neuauflage. Schirmer/Mosel, MĂŒnchen 1997, ISBN 978-3-88814-187-4.
- Arturo Schwarz: Man Ray: The Rigour of Imagination. Rizzoli International, New York 1977.
- Patterson Sims (Vorwort), Francis M. Naumann: Conversion to Modernism: The Early Works of Man Ray. Rutgers University Press, New Brunswick u. a. 2003, ISBN 978-0-8135-3148-9, eingeschrÀnkte Vorschau in der Google-Buchsuche.
- Herbert R. Lottman: Man Rayâs Montparnasse. Verlag Harry N. Abrams, New York 2001, ISBN 978-0-8109-4333-9, (englisch).
- Man Ray, Manfred Heiting, Emmanuelle de LâĂcotais: Man Ray 1890â1976. Neuauflage, Taschen Verlag, Köln 2004, ISBN 978-3-8228-3483-1.
- Man Ray â Aus FundstĂŒcken des Alltags. In: Markus Stegmann: Architektonische Skulptur im 20. Jahrhundert. Historische Aspekte und Werkstrukturen. Dissertation, Wasmuth, TĂŒbingen 1995, ISBN 978-3-8030-3071-9, S. 69â73.
- stern Spezial Fotografie: Man Ray. teNeues Verlag, 2004, ISBN 978-3-570-19444-7.
- Arthur Lubow: Man Ray : the artist and his shadows. Yale University Press, New Haven 2021, ISBN 978-0-300-23721-4
Film
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Liebe am Werk: Lee Miller & Man Ray. (OT: Lâamour Ă lâĆuvre â Lee Miller et Man Ray.) Dokumentarfilm, Frankreich, 2019, 26:22 Min., Buch und Regie: StĂ©phanie Colaux und AgnĂšs Jamonneau, Produktion: Bonne Compagnie, arte France, Reihe: Liebe am Werk (OT: Lâamour Ă lâĆuvre. Couples mythiques dâartistes), Erstsendung: 28. April 2019 bei arte, Inhaltsangabe von ARD.
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Man Ray Trust â Official Site (englisch)
Datenbanken
- Literatur von und ĂŒber Man Ray im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Werke von und ĂŒber Man Ray in der Deutschen Digitalen Bibliothek
- Publikationen von und ĂŒber Man Ray im Katalog Helveticat der Schweizerischen Nationalbibliothek
- Man Ray in Swisscovery, dem schweizerischen Suchportal der wissenschaftlichen Bibliotheken
- Man Ray bei IMDb
Fotos
- Man Ray Photo (französisch, englisch)
- Man Ray bei photography-now.com
Verschiedenes
- Dada in New York (englisch)
- Man Ray â Filme auf ubu.com (englisch)
- Linksammlung. artcyclopedia.com
Anmerkungen, Einzelnachweise und Quellen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Soweit nicht anders vermerkt, basiert der Hauptartikel auf den chronologisch voneinander abweichenden Monografien und Werkbetrachtungen von Merry Foresta, Stephen C. Foster, Billy KlĂŒver, Julie Martin, Francis Naumann, Sandra S. Phillips, Roger Shattuck und Elisabeth Hutton Turner, die teilweise in gekĂŒrzter Fassung in der englischsprachigen Originalausgabe Perpetual Motif: The Art of Man Ray erschienen sind (deutsche Ausgabe: Man Ray â Sein Gesamtwerk), Edition Stemmle, ZĂŒrich, 1989, ISBN 3-7231-0388-X. Anmerkungen zur Technik basieren auf Floris M. NeusĂŒss: Das Fotogramm in der Kunst des 20. Jahrhunderts. DuMont, Köln 1990, ISBN 3-7701-1767-0.
- â Man Rays Original-Geburtsurkunde ist bei einem Feuer zerstört worden. Die Frage nach dem genauen Familiennamen ist ungeklĂ€rt. In einigen Quellen wird der Name mit âRadnitzkyâ bzw. als âRadinskyâ angegeben; vermutlich amerikanisierte die Familie den Namen erst 1911/12 in âRayâ (Francis Nauman, Man Ray â Sein Gesamtwerk, Edition Stemmle, ZĂŒrich 1989, S. 52).
- â Interview mit Arturo Schwarz: Arts 51, Nr. 9, Mai 1977.
- â a b c Francis Nauman: Man Ray â Sein Gesamtwerk, 1989, S. 52â55.
- â Foto: Francis Picabia. Library of Congress; abgerufen am 18. Mai 2019.
- â Francis Picabia â His Art, Life and Times. Princeton University Press, 1979, S. 71â100.
- â Der französische Schriftsteller Jacques Rigaut beschĂ€ftigte sich in seinem knappen Lebenswerk ausnahmslos mit dem Suizidgedanken. Rigaut verĂŒbte 1929 Selbstmord.
- â Foresta, Man Ray â Sein Gesamtwerk, 1989, S. 29f.
- â Brief an Katherine Dreier, 20. Februar 1921
- â a b Floris M. NeusĂŒss, Das Fotogramm in der Kunst des 20. Jahrhunderts, DuMont, Köln 1990, S. 68f.
- â Vanity Fair, November 1922
- â Susan Sontag: Ăber Fotografie, Frankfurt 1989, S. 176.
- â Die Fotografie The Enigma of Isidore Ducasse wurde am 1. Dezember 1924 in La RĂ©volution surrĂ©aliste, Nr. 1 veröffentlicht.
- â Die SociĂ©tĂ© Anonyme Inc. wurde am 30. April 1950 zum 30-jĂ€hrigen JubilĂ€um ihrer ersten Ausstellung von Duchamp und Dreier bei einem Abendessen aufgelöst.
- â Man Ray: Brief an Tristan Tzara im Juni 1921.
- â Helmut Schneider: Dada in New York. In MĂŒnchen ausgestellt: Man Ray, Duchamp, Picabia. ( vom 13. August 2018 im Internet Archive). In: Die Zeit, 4. Januar 1974, Nr. 2.
- â Abweichende Quellen datieren seine Ankunft in Paris auf den französischen Nationalfeiertag, dem 14. Juli, (Man Ray Photograph, Schirmer/Mosel MĂŒnchen, 1982, S. 253).
- â Martin KlĂŒver, Man Ray â Sein Gesamtwerk, S. 102ff.
- â Martin KlĂŒver, Man Ray â Sein Gesamtwerk, S. 108ff.
- â Brief an Ferdinand Howald, 28. Mai 1922.
- â Die Fotografie wurde im Juni 1924 erstmals in der Ausgabe Nr. 13 der Zeitschrift LittĂ©rature veröffentlicht.
- â Foto: Le Violon dâIngres (Ingresâs Violin). In: Getty Museum. Abgerufen am 15. Juni 2021 (englisch).
- â a b Elisabeth Hutton-Turner, Man Ray â Sein Gesamtwerk, 1989, S. 152ff.
- â Berenice Abbott (1898â1991), die spĂ€ter durch ihre SchwarzweiĂfotografien von New York bekannt wurde, erlernte das Fotohandwerk als Studentin bei Man Ray.
- â Elisabeth Hutton-Turner, Man Ray â Sein Gesamtwerk, S. 164.
- â Sandra S. Phillips, Man Ray â Sein Gesamtwerk, S. 179.
- â Nicole Heinicke: âMan Rayâ prĂ€sentiert eine Werkschau mit den ausgetĂŒftelten Unikaten des berĂŒhmten Foto-Pioniers. ( vom 20. Januar 2013 im Internet Archive). In: stern spezial Fotografie, Nr. 35, 9. MĂ€rz 2004.
- â a b Das oft reproduzierte und unterschiedlich betitelte Metronom-Objekt hieĂ in der Urfassung The Object to Be Destroyed (1923) und wurde tatsĂ€chlich von einem Ausstellungsbesucher zerstört; in den Neufassungen hieĂ es dann Object of Destruction (1932), Lost Object (1945), Indestructible Object (1958/64), Last Object (1966) und schlieĂlich Perpetual Motif (1972).
- â Sandra S. Phillips, Man Ray â Sein Gesamtwerk, 1989, S. 212â220.
- â zitiert nach Aragon: Painting and Reality â A Discussion, 1936.
- â Veröffentlicht in Minotaure, Nr. 5, 1934â1935, S. 15.
- â Sandra S. Phillips, Man Ray â Sein Gesamtwerk, S. 221ff.
- â Breton hatte 1929 in einem StreitgesprĂ€ch mit RenĂ© Magritte die Frage aufgeworfen, wo sich die TĂŒr zwischen RealitĂ€t und Traum befindet. (RenĂ© Passeron: Lexikon des Surrealismus â RenĂ© Magritte, Paris, 1978)
- â Foresta, Man Ray: Self Portrait, Neuauflage 1999, S. 345.
- â Merry Foresta: Man Ray â Sein Gesamtwerk, 1989, S. 297.
- â Graham Spicer: Surreal Things â Surrealism & Design Explored At The V&A Museum London. In: culture24.org, 2. April 2007; vgl. GroĂformate im Guardian, 20. MĂ€rz 2007.
- â Klaus Nerger: Das Grab von Man Ray. In: knerger.de. Abgerufen am 16. Mai 2024.
- â Die Idee der âLichtmalereiâ (Light Painting), d. h. in einem abgedunkelten Raum mit einer kleinen Taschenlampe Figuren âin die Luftâ zu zeichnen und diese auf Film zu bannen oder mit einem Fotoapparat mit Langzeitbelichtung festzuhalten, hatte spĂ€ter auch Pablo Picasso aufgegriffen und 1949 von dem Fotografen Gjon Mili im Bild fixieren lassen.
- â Francis Nauman, Gail Stavitsky: Conversion to Modernism: The Early Work of Man Ray (online)
- â a b c Merry Foresta, Man Ray â Sein Gesamtwerk, 1989, EinfĂŒhrung.
- â Jean-Hubert Martin (* 1944) war u. a. Museumsdirektor des Centre Georges-Pompidou und des Museums Kunstpalast in DĂŒsseldorf.
- â Vorwort von Jean-Hubert Martin in Man Ray Photographer, 1982, S. 9.
- â Marin KlĂŒver, Man Ray â Sein Gesamtwerk, 1989, S. 134.
- â Tate: âMan Rayâ, Andy Warhol, 1974. Abgerufen am 11. MĂ€rz 2023 (britisches Englisch).
- â The Andy Warhol Catalogue RaisonnĂ©. Volume 3: Paintings and Sculptures 1970-1974; studio: 33 Union Square West; 703 entries, featuring Rain Machine and other sculptures, Mao, Man Ray, and 450 commissioned portraits. Phaidon Press, London 2010
- â Timothy Baum | Contributors | Gagosian Quarterly. Abgerufen am 11. MĂ€rz 2023.
- â Luciano Anselmino. Abgerufen am 11. MĂ€rz 2023 (amerikanisches Englisch).
- â Galeria Il Fauno âą Alexander Iolas, WARHOL, Mailand 1974, Ausstellungskatalog
- â Herbert Molderings in Man Ray Photograph, 1982, S. 15f.
- â Floris M. NeusĂŒss, Das Fotogramm, 1990, S. 14/15.
- â Karel Teige: Der Fall Man Ray aus NeusĂŒss, Das Fotogramm, S. 76.
- â Sandra S. Phillips, Man Ray â Sein Gesamtwerk, 1989, S. 177ff.
- â Brett Kashmere, Underground Film, Into the Light â Two Sides of the Projected Image in American Art, 1945â1975, (online)
- â aus dem einleitenden Essay von Janus zu Man Ray Photograph. Schirmer/Mosel, MĂŒnchen 1982, S. 29.
- â RenĂ© Passeron: Lexikon des Surrealismus. ( vom 15. Oktober 2005 im Internet Archive) In: g26.ch, ( vom 14. Juli 2011 im Internet Archive), abgerufen am 28. Februar 2008.
- â Ingi Agnarsson et al.: A radiation of the ornate Caribbean âsmiley-faced spidersâ, with descriptions of 15 new species (Araneae: Theridiidae, Spintharus). In: Zoological Journal of the Linnean Society, Vol. 182, Issue 4, April 2018, p. 758â790, doi:10.1093/zoolinnean/zlx056.
| Personendaten | |
|---|---|
| NAME | Ray, Man |
| ALTERNATIVNAMEN | Rudnitzky, Emmanuel (wirklicher Name); Radnitzky, Emmanuel |
| KURZBESCHREIBUNG | US-amerikanischer Fotograf, Filmregisseur, Maler und ObjektkĂŒnstler |
| GEBURTSDATUM | 27. August 1890 |
| GEBURTSORT | Philadelphia, Pennsylvania |
| STERBEDATUM | 18. November 1976 |
| STERBEORT | Paris |
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- Geboren 1890
- Gestorben 1976
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