Das Büro- und Geschäftshaus Leinstraße 32 in der Altstadt von Hannover ist ein 1950er-Jahre-Bau[1] und ehemaliger Stammsitz der Hahnschen Buchhandlung.[2] In der Fassade des auch als Haus der Hahnschen Buchhandlung bekannten Gebäudes schräg gegenüber dem im Leineschloss tagenden Niedersächsischen Landtag[3] sind denkmalgeschütze Elemente des im 16. Jahrhundert im Stil der Weserrenaissance errichteten Vorgängerbaus erhalten: Die Rahmung der Eingangstür und der mit Ornamenten verzierte Giebel aus Sandstein datiert laut der Inschrift auf das Baudatum Anno Domini 1583.[4]
Geschichte
Das Grundstück war ab 1492 im Besitz der hannoverschen Patrizier-Familie Stech, die schon im Wäskenbook verzeichnet wurde. Doch erst ein knapp hundert Jahre später ließ Gevert Stech 1593 das heute in Teilen erhaltene Haus errichten, das „mit großer Wahrscheinlichkeit von dem Petershagener Meister (Friedrich) Meersmann“ erbaut wurde;[5] mutmaßlich als erstes Wohnhaus in Hannover mit steinerner Renaissancefassade.[6]
Während des Dreißigjährigen Krieges war der in Ricklingen tätige Junker Ernst Wrampe Eigentümer des Hauses: Mit Datum 1638 – Herzog Georg von Braunschweig-Calenberg ließ sich auf der anderen Straßenseite gerade sein Leineschloss errichten – hat sich im Lapidarium des Historischen Museum Hannover ein Fragment mit Wappen und dem Namen „Ernst Wramp[..]“ erhalten.[6]
Während die Residenzstadt Hannover als Wirkungsstätte von Leibniz diente, war das Haus in der Leinstraße im Jahr 1691 Wohnsitz des Herzoglich Braunschweig-Lüneburgischen Oberforst- und Jägermeisters Otto Friedrich von Moltke der im selben Jahr in die Verschwörung des späteren Kurfürsten Ernst August verwickelt war[5] und deshalb 1692 hingerichtet wurde.[7]
Kurz zuvor war im Zuge der Zweiten Wiener Türkenbelagerung auf der griechischen Peloponnes-Halbinsel 1687 der Osmane Mustapha gefangen genommen worden, der als sogenannter „Beutetürke“ nach seiner Taufe[8] in der hannoverschen Soldatenkirche[9] dann Ernst August Mustapha von Misitri genannt wurde.[10] Als Kammerdiener von Kurfürst Georg Ludwig, der dann in Großbritannien als Georg I. den Tron des Britischen Weltreichs bestieg, folgte Mustapha seinem Landesherrn nach London, bevor er nach seiner Rückkehr nach Hannover im Jahr 1738 das Haus an der Leinstraße für 5000 Thaler erwarb.[8][Anm. 1]
1792 gründete Heinrich Wilhelm Hahn der Ältere die spätere Königlich Hannoversche Hof-Buchhandlung mit angeschlossenem Verlag der Gebrüder Hahn in der Leinstraße 32 als Stammsitz des Unternehmens.[2]
Während der Luftangriffe auf Hannover im Zweiten Weltkrieg wurde das Gebäude 1943 größtenteils durch Fliegerbomben zerstört.[2] In der Nachkriegszeit wurden in die Fassade des in den 1950er errichteten Neubaus Leinstraße 31 / 32 die bau- und kunstgeschichtlich bedeutenden Reste des vormaligen Weserrenaisance-Gebäudes integriert.[4]
Siehe auch
Literatur
- zur Baubeschreibung mit Abschriften der Inschriften, Grundriss, Fassadenfoto 1928 und Zeichnung des Zustands vor 1830:
- Arnold Nöldeke (Bearb.): Leinstraße 32, in ders.: Die Kunstdenkmale der Stadt Hannover, Teil 1: Denkmäler des „alten“ Stadtgebietes Hannover = Kunstdenkmälerinventare Niedersachsens, Neudruck des gesamten Werkes 1889-1976, Band 17, hrsg. in Zusammenarbeit mit dem Niedersächsischen Verwaltungsamt – Institut für Denkmalpflege – Hannover, H. Th. Wenner, Osnabrück 1979, ISBN 3-87898-151-1, S. 550–553
- zur Patrizierfamile Stech:
- Wäskenbook, in: Hannoversche Geschichtsblätter, 1920, S. 186[5]
- zum Oberjägermeister von Moltcke:
- 125 Jahre des Geschäftshauses Hahnsche Buchhandlung in Hannover, Hannover 1917[5]
- zu Ernst August Mustapha
- Günter Max Behrendt: Ernst August Mustapha – ein Mann in der zweiten Reihe, in: Hannoversche Geschichtsblätter, Neue Folge Band 73, Hannover 2019, S. 25–45; ähnlich auf der Seite max-behrendt.de
Weblinks
- Leinstraße 32 im Bildindex der Kunst und Architektur
- Sabine Wehking: Leinstr. 32 † / Historisches Museum auf der Seite Deutsche Inschriften Online (DIO)
Anmerkungen
- ↑ Bei Klinkoström wird - wohl als versehentlicher Zahlendreher - das Jahr 1783 als Erwerbsjahr genannt.
Einzelnachweise
- ↑ Gerd Weiß, Marianne Zehnpfennig: Steinbauten In: Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland, Baudenkmale in Niedersachsen, Stadt Hannover. Teil 1, Band 10.1 (DTBD 10.1), hrsg. von Hans-Herbert Möller, Niedersächsisches Landesverwaltungsamt – Institut für Denkmalpflege, Friedr. Vieweg & Sohn Verlagsgesellschaft mbH, Braunschweig 1983, ISBN 3-528-06203-7, S. 10f., sowie Mitte im Addendum zu Teil 2, Band 10.2: Verzeichnis der Baudenkmale gem. § 4 (NDSchG) (ausgenommen Baudenkmale der archäologischen Denkmalpflege), Stand: 1. Juli 1985, Stadt Hannover, Niedersächsisches Landesverwaltungsamt – Veröffentlichungen des Instituts für Denkmalpflege, S. 7ff.; hier: S. 8.
- ↑ a b c Hugo Thielen: Hahnsche Buchhandlung. In: Stadtlexikon Hannover, S. 249f.
- ↑ Georg Schnath, Rudolf Hillebrecht, Helmut Plath: Das Leineschloss. Kloster, Fürstensitz, Landtagsgebäude, Neuausgabe, Hannover: Hahn, 1962, S. 174
- ↑ a b o. V.: ehem. Hahnsche Buchhandlung - Türrahmung und Sandsteingiebel auf der Seite vom Denkmalatlas Niedersachsen in der Version vom 31. Oktober 2024
- ↑ a b c d Arnold Nöldeke (Bearb.): Leinstraße 32, in ders.: Die Kunstdenkmale der Stadt Hannover, Teil 1: Denkmäler des „alten“ Stadtgebietes Hannover( = Kunstdenkmälerinventare Niedersachsens, Neudruck des gesamten Werkes 1889-1976, Band 17), hrsg. in Zusammenarbeit mit dem Niedersächsischen Verwaltungsamt - Institut für Denkmalpflege - Hannover, H. Th. Wenner, Osnabrück 1979, ISBN 3-87898-151-1, S. 550–553
- ↑ a b Sabine Wehking: Leinstr. 32 † / Historisches Museum auf der Seite Deutsche Inschriften Online (DIO)
- ↑ Matthias Blazek: Die Jagd auf den Wolf. Isegrims schweres Schicksal in Deutschland. Beiträge zur Jagdgeschichte des 18. und 19. Jahrhunderts, ibidem: Stuttgart 2014, ISBN 978-3-8382-0647-9 (online-Ausgabe)
- ↑ a b Georg von Klinkowström (Bearb.): Geschichte derer von Klinkowström, Hof- und Waisenhaus-Buchdruckerei, Kassel 1889, S. 65; Google-Books
- ↑ Günter Max Behrendt: Ernst August Mustapha – ein Mann in der zweiten Reihe auf der Seite max-behrendt.de in der Version vom 12. September 2023, zuletzt abgerufen am 31. Oktober 2024
- ↑ Benjamin Bühring: Die Deutsche Kanzlei in London. Kommunikation und Verwaltung in der Personalunion Großbritannien - Kurhannover 1714-1760 ( = Göttinger Schriften zur Landesgeschichte, Band 1), zugleich Dissertation 2013 an der Universität Göttingen, Universitätsverlag Göttingen: Göttingen 2021, ISBN 978-3-86395-490-1 und ISBN 3-86395-490-4, S. 85; Vorschau über Google-Bücher
Koordinaten: 52° 22′ 15,7″ N, 9° 43′ 55,4″ O