Als Laufrad bezeichnet man die Gesamtheit eines Vorder- oder Hinterrades beim Fahrrad. Manchmal wird ein Laufrad umgangssprachlich als Felge oder Reifen bezeichnet, obwohl es sich dabei lediglich um Bestandteile des Laufrades handelt. Welche Teile genau der Begriff „Laufrad“ umfasst, ist nicht fest definiert und hängt von äußeren Umständen ab. Im Betrieb, d. h. im Rennen, bezeichnet der Begriff stets ein vollständiges und einsatzbereites Rad. Beim Kauf von Laufrädern werden diese meistens mit Felgenband und ohne Reifen, Schlauch, Zahnkranzpaket und Bremsscheibe geliefert. Alle Laufräder eines Fahrrades zusammen bezeichnet man als Laufradsatz (LRS).
Bauformen
Klassisches Laufrad
Bei einem klassischen Laufrad handelt es sich um ein Speichenrad, dessen Einzelteile alle genormt sind. Dadurch können beim Zusammenbau eines Laufrads problemlos Komponenten unterschiedlicher Hersteller verwendet werden. Alle Teile sind einzeln erhältlich, so dass defekte Teile einfach ausgetauscht werden können. Außerdem sind alle Werkzeuge leicht zu beschaffen. Ein klassisches Laufrad besteht aus:
- Felge,
- Speichen und Nippel,
- evtl. Unterlegscheiben für die Speichenköpfe,
- Nabe, am Hinterrad mit Freilaufkörper
- Achse, oft in Form eines Schnellspanners oder einer Steckachse,
- Bereifung mit Mantel (auch Decke genannt), Schlauch und Felgenband beziehungsweise (bei Schlauchreifen) Reifen und Felgenkleber (meistens Reifenkitt, früher Teerband),
- einem oder mehreren Kettenritzeln (nur am Hinterrad) und
- evtl. einer Bremsscheibe.
Die Anzahl der Speichen hängt von Preis des Laufrads und vom Einsatzzweck ab. Am meisten verbreitet sind Laufräder mit 36 Speichen, am weniger stark belasteten Vorderrad sind auch Laufräder mit 32 Speichen anzutreffen. Moderne Mountainbikelaufräder haben manchmal vorne und hinten jeweils 32 oder 28 Speichen. Speziell in der Vergangenheit waren an Tandems Laufräder mit 40 oder 48 Speichen verbreitet; mit modernen Komponenten sind 36 Speichen in der Regel ausreichend. Rennräder haben zur Reduzierung des Gewichts und Verbesserung der Aerodynamik häufig deutlich weniger als 36 Speichen; am Vorderrad sind Laufräder mit nur 12 Speichen möglich.
Für Trainingslaufradsätze am Rennrad werden selten noch klassische 36-Loch-Felgen verwendet. Im Straßenradsport wurden bis in die 90er Jahre fast ausschließlich 28-Loch-Felgen benutzt. Im Bahnradsport war dagegen die 36-Loch-Felge Standard, bis andere Bauarten sie ablösten.
Klassisches Laufrad mit geraden Speichen
Eine Abweichung des klassischen Laufrads ist eines mit geraden, ungekröpften Speichen. Zum Aufbau sind entsprechende Naben und Speichen erforderlich, die Felge und alle anderen Bauteile unterscheiden sich nicht. Der Vorteil ist, dass die Naben für gerade Speichen leichter sind und die Biegebelastung auf den Speichenbogen entfällt. Passende Naben und Speichen gibt es von unterschiedlichen Herstellern, sodass Defekte reparierbar sind. Es sind – je nach Nabentyp – radiale und tangentiale (gekreuzte) Einspeichungen mit geraden Speichen möglich. Die Speichen sind hier oft als Aero- oder Messerspeichen ausgebildet; zum Drehen der Nippel beim Spannen muss die Speiche mit einem Spezialwerkzeug an der abgeflachten Aero-Profilierung gegengehalten werden, da sich sonst lediglich die gesamte Speiche in der Nabe mitdreht und kein Zug am Nippelgewinde aufgebaut wird.
Systemlaufrad
Bei Systemlaufrädern verändern einzelne Hersteller die Einzelteile und Bauweisen von Laufrädern. Reifen, Schlauch und Felgenband entsprechen denjenigen klassischer Laufräder, um eine Auswahl und Austauschbarkeit zu gewährleisten.
Verbreitet sind insbesondere „umgekehrt“ eingebaute Speichen, also mit den Speichennippeln an der Nabe statt an der Felge. Das verringert das Massenträgheitsmoment des Laufrades und den Luftwiderstand, da die im Vergleich zum Speichenkopf etwas schwereren Nippel an der Nabe eine niedrigere Umlaufgeschwindigkeit haben. Solche Speichen sind oft durchgängig gerade statt mit abgewinkeltem Speichenkopf. Das Querschnittsprofil des Mittelteiles der Speichen von Rennrad-Laufrädern ist in der Regel oval oder schmal rautenförmig, um den Luftwiderstand zu verringern („Messerspeichen“). Durch eine Abstimmung der einzelnen Komponenten aufeinander lässt sich die Speichenanzahl reduzieren, teilweise werden im Vorderrad nur 12 Speichen verwendet. Die Speichen bestehen in der Regel aus festen Stahl-, seltener Aluminium-Legierungen und nur sehr vereinzelt, etwa bei teuren Wettkampflaufrädern, aus mit Kohlenstoff- oder Aramidfasern (Kevlar) verstärkten Kunststoffen. Als Felgenmaterial wird außer Aluminium zunehmend kohlenstofffaserverstärkter Kunststoff („Carbon“) verwendet.
Die Vorteile eines geringeren Luftwiderstandes werden erst ab etwa 40 km/h und somit nur im professionellen Renneinsatz relevant und messbar;[1] die Vorteile eines geringeren Massenträgheitsmoments zeigen sich durch effizienteres Beschleunigen. Systemlaufräder bringen in der Praxis nur im Hochleistungssport Vorteile, dort werden sie wegen der geringeren Stabilität der unsymmetrischen Einspeichung jedoch nicht mehr häufig verwendet.
Der Nachteil von Systemlaufrädern ist, dass Ersatzteile (außer Reifen, Schlauch und Felgenband) nur schwer oder gar nicht zu beschaffen sind, weil es sich nicht um genormte oder handelsübliche Bestandteile handelt. Laufradreparaturen sind daher oft nur durch den Hersteller möglich.
Die geringste Anzahl von Speichen hatte jahrelang das Shamal-Laufrad von Campagnolo mit 12 Speichen.
Scheibenrad
Speziell für das Zeitfahren und für den Bahnradsport werden Scheibenräder angefertigt. Diese verringern den Luftwiderstand und reduzieren Verwirbelungen. Nach Messungen im Windkanal sparen sie gegenüber normalen 36-Speichen-Laufrädern bei einer Geschwindigkeit von 40 km/h rund 15 Watt Leistung ein. Diese Räder haben auch ein hartes Abrollverhalten.
Ursprünglich bestanden Scheibenräder aus mit Folien verkleideten Speichenrädern, später wurden die Abdeckungen aus festeren Kunststoffen hergestellt. Die in derzeitigen Versionen werden vorwiegend aus leinwandgebundenem GFK oder CFK laminiert. Auf diese Weise übernimmt die Scheibe die Funktion der Speichen (Kraftübertragung, Seitensteifigkeit). Scheibenlaufräder wiegen zwischen 1300 g (für preisgünstige Laufräder) und 1000 g. Bei der weltleichtesten Serienscheibe Lightweight wurden 900 g realisiert, indem die Rovings (Kohlenstofffaserbündel) nur in den belasteten Richtungen liegen. Scheibenräder sind sehr anfällig gegenüber Seitenwind, was speziell am Vorderrad zu gefährlichen Situationen führen kann. Bei Seitenwinden, die unter einem Winkel von 60° von hinten kommen, wirken Scheibenräder allerdings wie ein Segel und können so zusätzlich einen Vortrieb erzeugen. Kommt der Seitenwind jedoch unter einem Winkel von 60° von vorn, tritt eine erhebliche Bremswirkung auf. Scheibenräder können, da sie durch die geschlossene Bauweise als Resonanzkörper wirken, bei schlechtem Untergrund starke Laufgeräusche entwickeln. Sie werden hauptsächlich hinten verwendet und sind bei UCI-Wettbewerben ausschließlich beim Zeitfahren zugelassen. Scheibenräder am Vorderrad sind aus Sicherheitsgründen bei Rennen der UCI meist verboten.
Sonderformen
Dreispeicher sind Laufräder mit drei Speichen. Die Aerodynamik ist nicht ganz so gut wie beim Scheibenrad, dafür sind Dreispeicher nicht anfällig gegenüber Seitenwind. Dreispeicher werden oftmals als Vorderrad im Zeitfahren benutzt. Sie zählen grundsätzlich zu den Systemlaufrädern, da sie nicht aus standardisierten Teilen bestehen.
Bei einfachen Mountainbikes und Kinderfahrrädern finden manchmal Laufräder Verwendung, die aus einem Stück Kunststoff gefertigt werden. Diese Bauart hat überwiegend finanzielle Aspekte. Solche Laufräder sind nicht reparabel und im Billigbereich anzutreffen.
Größe
Laufräder werden in unterschiedlichen Größen hergestellt, je nach Verwendungszweck und Tradition.
Einspeichen
Der grundlegende Schritt beim Zusammenbau eines Laufrads ist das Verbinden von Nabe und Felge mit den Speichen, das sogenannte Einspeichen. Dabei gibt es unterschiedliche Bauarten, je nach Verwendung des Laufrads und Geschmack des Laufradbauers.
Mit Abstand am weitesten verbreitet ist seit 1868 von E. Cowper entwickelt die tangentiale Einspeichung, bei der die Speichen schräg im Laufrad sind. Durch die Schrägstellung können die Speichen ein Drehmoment übertragen, ohne sich in den Speichenlöchern der Nabe drehen zu müssen. Das ist wichtig, wenn das Laufrad über die Nabe angetrieben wird oder eine Bremse in bzw. an der Nabe hat (Trommel-, Rollen- oder Scheibenbremse). Unabhängig von der Einspeichung übertragen die Speichen genau das Drehmoment, das der Antrieb oder die Bremse produzieren. Unterschiedliche Einspeichungen übertragen dasselbe Drehmoment dabei mit mehr oder weniger Materialbelastung.
Damit das Laufrad in sich stabil ist, müssen die Speichen abwechselnd schräg nach vorne bzw. hinten stehen, wodurch sich eine Überkreuzung der Speichen ergibt. Je schräger die Speichen von der Nabe abgehen, desto leichter, also mit weniger Spannungs-Zunahme, können sie Drehmoment übertragen und desto mehr Speichen überkreuzen sich. Allerdings bedeutet eine größere Schrägstellung auch längere Speichen und damit eine höhere Laufradmasse. Am häufigsten ist die Dreifachkreuzung. Sie kann für Laufräder von 24 bis 36 Speichen angewendet werden und überträgt das Drehmoment bereits sehr gut. Die Speichen übertragen das Drehmoment am leichtesten, wenn sie tangential zum Flansch von der Nabe abgehen. Das ist bei 24 Speichen mit der Dreifach-, bei 36 Speichen mit der Vierfachkreuzung und bei 40 Speichen mit der Fünffachkreuzung der Fall.
Je kleiner der Felgendurchmesser oder je größer der Nabendurchmesser (sogenannte Hochflanschnaben), umso schräger stehen bei ansonsten gleicher Geometrie die Speichen. Da die Speichenkrümmungen rechtwinklig sind, werden die Speichen umso mehr geknickt, je mehr sich derartige Werte ändern. Nur im theoretischen Fall der Nabenbreite fast Null stehen die Speichen ohne Spannung in ihrer 90°-Biegung.
Bei der Radialeinspeichung laufen die Speichen genau radial vom Nabenflansch zur Felge. Vorteile liegen in den kürzestmöglichen Speichen und der entsprechend geringen Masse des Laufrads sowie einer etwas höheren Seitensteifigkeit. Allerdings wird der Nabenflansch stärker belastet. Daher sind nicht alle Naben für diese Einspeichmethode freigegeben. Weil dabei keine Drehmomente übertragen werden können, eignet sich die Radialeinspeichung nur für nicht angetriebene Laufräder ohne Bremse in oder an der Nabe. Verbreitet ist sie bei vorderen Rennrad-Laufrädern.
Seltener sind Sondereinspeichungen, wie beim ganz oben in diesem Artikel abgebildeten Campagnolo-Laufrad. Manche Sondereinspeichungen dienen ausschließlich ästhetischen Zwecken, andere sollen die Funktion verbessern. So wird gelegentlich beim angetriebenen Laufrad die Zahnkranz-Seite tangential eingespeicht, während die gegenüberliegende Seite radial eingespeicht wird, oder gerade umgekehrt (sogenannte Kildemoes-Einspeichung).[3] Einige Sondereinspeichungen führen zu einer starken Belastung des Nabenflansches, sodass sie nur mit bestimmten Naben sinnvoll sind. Zu den Sondereinspeichungen zählen auch Methoden, Naben und Felgen mit einer unterschiedlichen Anzahl von Speichenlöchern zu verbinden.
Die Speichenlänge wird wie folgt berechnet:
- L = Speichenlänge
- s = Breite Nabenflansch
- Di = Felgeninnendurchmesser
- d = Durchmesser Nabenflansch
- nk = Anzahl der Kreuzungen
- ns = Anzahl der Speichen
Literatur
- Gerd Schraner: Die Kunst des Laufradbaus. 5. überarbeitete Aufl., Licorne-Verlag, Bern, 2010, ISBN 3-85654-101-2
- Bernd Rohr und Herbert Wiele: Lexikon der Technik -3., überarb. Aufl. Leipzig, Bibliographisches Institut 1986 Verlagslizenz-Nr. 433-130/203/86 E. Cowper / Tangential-S. beim Fahrrad S. 527
Weblinks
- Laufradbau, Sheldon Brown
- ADFC Fachausschuss Technik – Einspeichen und Zentrieren
- Laufräder, Smolik Velotech
- Einspeichen und Zentrieren, Fahrradmonteur.de
- Bilder von Sonder-Einspeichungen (englischsprachig)
Einzelnachweise
- ↑ Michael Gressmann: Fahrradphysik und Biomechanik, ISBN 3-89595-023-8
- ↑ Erhöhte Speichenbruchhäufigkeit bei Hochflanschnaben in Smolik Velotech
- ↑ Sonder-Einspeichungen in Smolik Velotech