Der Verein Kinderheim Nethanja Narsapur / Christliche Mission Indien e.V. (KNN) ist in Deutschland ansässig und unterstützt die im indischen Bundesstaat Andhra Pradesh tätige evangelische Nethanja-Kirche in ihrer pädagogischen und sozialen Arbeit. Der Verein hat 120 Mitglieder und wurde 1973 gegründet.
Geschichte
Im Dezember 1963 lernte der Sekretär des CVJM Sindelfingen Karl Ramsayer (1920–2013) den jungen Inder Jawaharlal (Jawa) Komanapalli aus Narsapur kennen. Ehepaar Ramsayer nahm Komanapalli für einige Monate in ihr Haus auf, während er ein Industriepraktikum absolvierte. Jawas Vater Kripanandam Komanapalli (1910–1989) war einst Aktivist im indischen Unabhängigkeitskampf der 1940er Jahre, mit persönlichen Kontakten zu Mahatma Gandhi und dem späteren Premierminister Nehru. Nach der Staatsgründung war er als Politiker in der Kongress-Partei tätig, zog sich dann aber ins Privatleben als Kaufmann zurück. Seine Herkunftsfamilie war bereits Mitte des 19. Jahrhunderts zum Christentum konvertiert. Inspiriert von der freundlichen Haltung des Ehepaars Ramsayer gegenüber seinem Sohn, nahm Komanapalli 1964 ein paar Straßenkinder der Kleinstadt Narsapur in sein Haus auf. Durch den Kontakt zu Ramsayer und dem CVJM Sindelfingen wurde dies finanziell so unterstützt, dass ein kleines Kinderheim errichtet werden konnte. Nach einigen Jahren des Wachstums scheiterte der Versuch, in Deutschland für dieses Projekt eine Kooperation mit dem kirchlichen Hilfswerk „Brot für die Welt“ oder dem sozialen Werk „Kindernothilfe“ einzugehen. So kam es 1973 zur Gründung eines eingetragenen Vereins, dessen Vorsitz Karl Ramsayer übernahm. Der heutige Vereinsname lautet „Kinderheim Nethanja Narsapur – Christliche Mission Indien e.V.“. Karl Ramsayer war sich nach eigenen Angaben von Anfang an bewusst, dass die Unterstützung der Kinderheimarbeit eine Aufgabe von großer Bedeutung ist. Er sagte: „Wir hatten den Eindruck, da kommt schon etwas auf uns zu! Und wir haben viel darüber gebetet und auch mit unseren Brüdern und Schwestern im CVJM gesprochen.“[1] In den darauffolgenden Jahren wuchs nicht nur die Arbeit in Indien, sondern auch der Verein und das Spendenaufkommen vergrößerten sich. Im Jahr 1982 übernahm Pfarrer Heiko Krimmer den Vorsitz des Vereins, 2016 Dekan Ekkehard Graf. Anfangs geschah die ganze Vereinsarbeit in Deutschland rein ehrenamtlich. In den frühen 2000er-Jahren wurde Pfarrer Reinhold Rückle mit der Geschäftsführung beauftragt, für die er seine Pfarrstelle um 50 % reduzierte und vom Verein mit angestellt wurde. Seit 2016 ist Pfarrer Markus Schanz mit einer halben Stelle in der Geschäftsführung, ihm zur Seite stehen eine Bürokraft und eine Finanzbuchalterin mit Teilzeitstellen.
Arbeitsgebiete der Nethanja-Kirche in Indien
Die Nethanja-Kirche wurde im Januar 2006 als Dachverband der fünf unabhängig voneinander agierenden wohltätigen Organisationen im indischen Bundesstaat Andhra Pradesh gegründet. Diese Organisationen entstanden aus dem großen Engagement der Familie Komanapalli seit den 1970er-Jahren und werden zum Teil heute noch von Familienangehörigen geleitet. An allen Standorten gibt es Kinderheime und weitere pädagogische und soziale Arbeitsschwerpunkte:
- Nethanja Children Home, Narsapur: Kinderheim für Jungen, Ausbildungsstätte für technische Berufe „Kripakamal Industrial Training Institute“, Tagesschulen
- Shalom Outreach Ministries, Rajamahendravaram: Bubenheim, Kinderdorf, Highschool von Kindergarten bis 10. Klasse, Tagesschulen, Elektrotechnikausbildung, medizinische Camps in den abgelegenen Dörfern
- Emmanuel Ministries, Kondalaagraharam und Tamaram: Kinderheim für Mädchen und Jungen, Behinderteneinrichtungen, Highschool mit Junior College von Kindergarten bis 12. Kasse, Tagesschulen, Vocational Trainings, Pädagogische Hochschule, Krankenhaus für Allgemeinmedizin und Geburtshilfe, TBC-Klinik, Aidshilfe, Krankenpflegeschule mit dreijähriger Ausbildung und vierjährigem Bachelorstudiengang, medizinische Camps in den abgelegenen Dörfern
- Holy Bells, Visakhapatnam: Kinderheim für Mädchen und Jungen, Highschool mit Junior College von Kindergarten bis 12. Kasse, Visakha Bible College, Blindenhilfe, Witwenunterstützung, Sozialarbeit in Slums, medizinische Hilfe in Slums, Nähschule
- UTKAL, Sileru u.a.: Kinderheim für Jungen, Tagesschulen, Community Centers, Sozialarbeit im Dschungelgebiet
Diese Organisationen werden zwar von Christen betrieben, die der Nethanja-Kirche angehören. Aber ihre Einrichtungen stehen allen Menschen offen, unabhängig von deren Religions- und Kastenzugehörigkeit. Die indischen Christen der Nethanja-Kirche verstehen sich als Bürger ihres Staates, die sich zum Wohl aller Inder engagieren.
Finanzierung
Die Finanzierung der pädagogischen und sozialen Arbeit der oben genannten Organisationen erfolgt durch über 2000 Spenderinnen und Spender aus ganz Deutschland, die sowohl von Einzelpersonen als auch durch Projektgelder evangelischer Kirchengemeinden eingehen. 2024 wurden dem deutschen Verein hierfür 1,7 Millionen Euro an Spenden und Vermächtnissen überlassen. Dieser Betrag ging nach Abzug der Aufwendungen in Deutschland für Verwaltung und Reisekosten in Höhe von 10 % zu den Partnern in Indien. Alle Zuwendungen werden satzungsgemäß verwendet und durch einen unabhängigen Wirtschaftsprüfer jährlich geprüft. Die Arbeit wird in Deutschland überwiegend durch ehrenamtliches Engagement getragen.
Die kirchlich-religiöse Arbeit der Nethanja-Kirche wird seitens des deutschen Vereins nicht mehr finanziell gefördert, weil dies von der derzeitigen indischen Regierung nicht gewünscht ist.
Vereinsarbeit und Kooperationen
Maßgebliches Vereinsziel ist die Unterstützung der sozialen und pädagogischen Arbeit der indischen Nethanja-Kirche.
Der Verein ist verbunden mit der Evangelischen Allianz Deutschland, Mitglied in der Arbeitsgemeinschaft evangelikaler Missionen (AEM), Mitglied in der Württembergischen Arbeitsgemeinschaft für Weltmission (WAW) der Evang. Landeskirche in Württemberg.
In einigen Bereichen gibt es eine enge Kooperation mit der Stiftung Friedenshort.
Während der Corona Pandemie haben Teams der Nethanja-Kirche, unterstützt durch den Verein insbesondere Spenden für Schutzanzüge und Schutzausrüstung gesammelt, in Indien die Begräbnisse von COVID-19 Toten durchgeführt, da staatliche Stellen und private Stellen sich wegen der Infektionsrisiken geweigert hatten.[1]
Literatur
- Christoph Zehendner: Namaste - Du bist gesehen! Abenteuer Mutmach Hoffnungs Geschichten aus Indien, Gießen 2017, Brunnen Verlag
- Christoph Zehendner: Was zählt ist die Liebe - Neue Mutmach.Hoffnungs.Geschichten aus Indien und Deutschland, Gießen 2025, Brunnen Verlag[2]
Weblinks
- Kinderheim Nethanja
- Baustelle Bildung - eine Schule der Hoffnung zum Missionszentrum UCIM Nethanja bei Bibel TV von 2012
- Dr. Ekkehard Graf neuer Vorsitzender „Kinderheim Nethanja Narsapur/Christliche Mission Indien“ bei Evangelische Allianz in Deutschland vom 12. Juli 2016
- Christoph Zehendner: Namaste - Eine Reise der Hoffnung bei Bibel TV von 2017
- Leiden und Glauben der Nethanja-Kirche in Indien bei ERF Plus vom 22. Mai 2018
- Lebensfreude trotz Verfolgung bei ERF Plus vom 3. Dezember 2019
Einzelnachweise
- ↑ Siegfried Dannecker: Hilferuf an Narsapur - Sindelfinger Verein bittet um Spenden für indisches Kinderheim. In: Kreiszeitung, Böblinger Bote. Kreiszeitung, Böblinger Bote, 10. Mai 2021, abgerufen am 21. März 2021 (deutsch).
- ↑ Was zählt ist die Liebe - Neue Mutmach.Hoffnungs.Geschichten aus Indien und Deutschland