Als Kammermohr (oder Hofmohr) bezeichnete man im deutschen Sprachraum ab dem 18. Jahrhundert bei Hofe einen Hausdiener schwarzer Hautfarbe. Er zählte zur sogenannten Kammer, den persönlichen Bediensteten eines Herrschers.
Geschichte
Menschen schwarzer Hautfarbe aus dem Orient, Afrika und Amerika wurden seit der Kolonialzeit oft als Sklaven nach Europa verschleppt, wo sie als Kammerdiener oder Page beliebt waren. Der Begriff ist als offizieller Terminus des Hofprotokolls erstmals 1747 im kursächsischen Codex Augusteus belegt.[1] Für Sachsen ist bereits unter Kurfürst August ein „Mohr“ als Torwärter überliefert, der gemeinsam mit seiner „schwarzen Frau“ am Hof lebte.[2]
Funktion
Der prächtig ausstaffierte und livrierte Kammermohr diente Herrschern, kirchlichen Würdenträgern oder wohlhabenden Kaufleuten als exotisches Prestigeobjekt und Statussymbol. Er sollte den Reichtum und Luxus des eigenen Hauses zur Schau stellen und fungierte darüber hinaus in vielen Fällen als Gesellschafter oder Privatlehrer. Frauen aus diesen Schichten hielten sich Mohrenkinder und ließen sich auf Gemälden mit diesen abbilden. Sie dienten ihnen hierbei als Symbol für Sexualität und Fruchtbarkeit.[3]
Vor allem versinnbildlichte der Kammerdiener aber die weltweiten Macht- und Fernhandelsbeziehungen seines Eigentümers. Die Schriftstellerin Sophie von La Roche berichtet von einem Kammermohren, den sie bei einem Besuch bei Friederike Juliane von Reventlow kennen lernte: Dieser berichtete, dass der Vater seiner Herrin Heinrich Carl von Schimmelmann ihn von seinen Plantagen in Dänisch-Westindien nach Kopenhagen habe bringen lassen, wo er Lesen, Schreiben und Chirurgie lernen sollte. Mit diesen Kenntnissen sollte er sich anschließend auf den Plantagen nützlich machen, doch da ihn die „Chirurgie nicht freute“, schenkte Schimmelmann ihn seiner Tochter.[4]
Offiziell kannte das Heilige Römische Reich den Rechtsstatus des Sklaven nicht, weshalb der Historiker Michael Zeuske die Kammermohren als „Sklaven ohne Sklaverei“ bezeichnet.[5]
Beispiele
Neben der optischen Ausstattung legte ein Teil der Herrscher beim Hauspersonal großen Wert auf höhere Bildung. So hatte beispielsweise Anton Wilhelm Amo Latein gelernt und Philosophie studiert. Angelo Soliman war so gut ausgebildet, dass er nicht nur als Gesellschafter fungierte, sondern vom kaiserlichen Feldmarschall Joseph Wenzel (Liechtenstein) auch als Privatlehrer des Prinzen Alois I. (Liechtenstein) eingesetzt wurde. Abraham Petrowitsch Hannibal war dagegen nicht nur Page am Hofe des Zaren Peter der Große, sondern auch sein Patenkind und brachte es selbst bis zum Generalmajor.
Bekannte Kammermohren waren unter anderem:
Name | Lebensdaten | Dienstherr bzw. Dienstherrin |
---|---|---|
Abraham Petrowitsch Hannibal | ca. 1696–1781 | Peter der Große |
Anton Wilhelm Amo | ca. 1703 – ca. 1760 | Anton Ulrich (Braunschweig-Wolfenbüttel) und August Wilhelm (Braunschweig-Wolfenbüttel) |
Angelo Soliman | 1721–1796 | Joseph Wenzel (Liechtenstein) |
Ignatius Fortuna | um 1730–1781 | Franziska Christine von Pfalz-Sulzbach und Maria Kunigunde von Sachsen |
Gustav Badin | ca. 1750–1820 | Luise Ulrike von Preußen und Sophie Albertine von Schweden |
Franz Wilhelm Yonga | ca. 1751–1798 | Franz Christian von Borries |
In Kunst und Kultur
Malerei
Neben den typischen künstlerischen Darstellungen von Kammermohren in ihrer Rolle als Diener, wie in den Darstellungen von Johann Jakob Schmitz, Giovanni Maria delle Piane und Stefano Torelli, gibt es auch eine Reihe von Gemälde, die weniger hierarchisch aufgebaut sind. Gerade bei einigen Bildern mit Damen ist der Kammermohr in unmittelbarer Nähe zu seiner Herrin zu sehen, wie beispielsweise auf den Gemälden von François de Troy und Pierre Mignard.
Im Jahr 1775 malte der schwedische Künstler Gustaf Lundberg ein Porträt des ehemaligen Sklaven Adolf Ludvig Gustav Albert Couschi, genannt Badin, auf dem er seine prächtigen, aus Indien stammenden Gewänder trägt.[6]
-
Louise de Kérouaille, 1682 von Pierre Mignard
-
Christian VI.
König von Dänemark und Norwegen -
Madame de Rupelmonde, 1707, von Nicolas Largillière
Literatur
Nicht nur auf Gemälden wurden Kammermohre künstlerisch dargestellt. Der schwedische Schriftsteller Magnus Jacob Crusenstolpe basierte in seinem Werk Morianen einen Charakter auf Gustav Badin, der nicht nur der Diener, sondern auch der Ziehsohn der schwedischen Königin Luise Ulrike von Preußen war.[7] Der russische Schriftsteller Alexander Sergejewitsch Puschkin ließ sich in seinem unvollendeten Werk Der Mohr Peters des Großen von der Lebensgeschichte seines Urgroßvaters Abraham Hannibal inspirieren.
Theater
Da schwarze Hausdiener oft an Herrscherhäusern zu finden waren, bauten auch Dramaturgen erstmals schwarze Rollen in Theaterstücke und Opern mit ein. Die Rollen wurde dabei in der Regel von geschminkten, hellhäutigen Darstellern übernommen und waren aus heutiger Sicht in vielen Fällen stereotypisch oder rassistisch geprägt.[8][9]
Zwei besonders berühmte Beispiele sind:[8][9]
- Monostatos in Die Zauberflöte, Wolfgang Amadeus Mozart, 1791
- Otello, von Giuseppe Verdi, 1887 nach dem Drama Othello, der Mohr von Venedig von Shakespeare
Siehe auch
Literatur
- Friedrich Christoph Förster: Friedrich Wilhelm I., König von Preussen. S. 55. Lieferliste aus dem Februar 1697 mit Wein für den Kammermohren
- Kammermohr. In: Jacob Grimm, Wilhelm Grimm (Hrsg.): Deutsches Wörterbuch. Band 11: K – (V). S. Hirzel, Leipzig 1873 (woerterbuchnetz.de).
Film
- Markus Schleinzer, Alexander Brom: Angelo. 2018.
Weblinks
- Vom Kindersklaven zum ausgestopften „Hofmohr“ von Wien. In: Der Standard, 28. September 2011, abgerufen am 2. Mai 2013
- Martin Rath: Hof-Recht und Hof-Mohr. In: Legal Tribune Online. 22. Dezember 2013, abgerufen am 31. Januar 2020.
Einzelnachweise
- ↑ Kammermohr. In: Vormalige Akademie der Wissenschaften der DDR, Heidelberger Akademie der Wissenschaften (Hrsg.): Deutsches Rechtswörterbuch. Band 6, Heft 6 (bearbeitet von Hans Blesken, Siegfried Reicke). Hermann Böhlaus Nachfolger, Weimar 1966, OCLC 832566952 (adw.uni-heidelberg.de).
- ↑ Karl von Weber: Anna Churfürstin zu Sachsen geboren aus königlichem Stamm zu Dänemark. Ein Lebens- und Sittenbild aus dem 16. Jahrhundert. Leipzig 1865,S. 87.
- ↑ "Es gibt viele Angelo Solimans". Abgerufen am 2. Februar 2023 (österreichisches Deutsch).
- ↑ Dietmar Pieper: Zucker, Schnaps und Nilpferdpeitsche. Wie hanseatische Kaufleute Deutschland zur Kolonialherrschaft trieben. Piper, München 2021, ISBN 978-3-492-07167-3, S. 47 f.
- ↑ Michael Zeuske: Handbuch Geschichte der Sklaverei. Eine Globalgeschichte von den Anfängen bis heute. De Gruyter, New York/Berlin 2019, ISBN 978-3-11-055884-5, S. 860 .
- ↑ Adolf Ludvig Gustav Albert Couschi, called Badin Schwedisches Nationalmuseum, aufgerufen am 19. Mai 2022
- ↑ Badin – ett experiment i fri uppfostran (auf Schwedisch) Populär Historia, aufgerufen am 19. Mai 2022
- ↑ a b Dagmar Penzlin: Forschung zu Rassismus in Opern. Dem Toxischen auf der Spur vom 21. Januar 2021 BR-Klassik, aufgerufen am 19. Mai 2022
- ↑ a b Monostatos, Jonny & Zauberflöte Forschung beleuchtet rassistische Facetten in Opernwerken vom 30. März 2021 MDR Klassik, aufgerufen am 19. Mai 2022