Külliye ist der moderne Begriff aus dem frühen 20. Jahrhundert für eine sozio-religiöse Stiftung, die zu einer großen Moschee gehört und oft auch karitativen Zwecken dient. In osmanischen Urkunden wurde ein solcher Komplex meist als İmaret oder İmaret mit Freitagsmoschee bezeichnet.[2]
Bauwerke und deren Funktionen
Zu der Einrichtung einer Külliye gehören meist eine Armenküche (osmanisch عمارت İmaret), eine oder mehrere Hochschulen (Medrese / مدرسه), eine Bibliothek (Kütüphane oder Darülkütüb / دارالکتب), eine Elementarschule (Mektep / مکتب), ein Hospital (Darüşşifa / دارالشفاء), ein Bad (Hammam / حمام), Latrinen, ein öffentliches Brunnenhäuschen mit Getränkeausschank (Sebil / سبيل) und eine Karawanserei (Kervansaray / کاروان سرای) für Reisende. Manchmal sind ein sufitischer Derwisch-Konvent (Tekke / تكيه) oder ein Gästehaus für wandernde Derwische (Tabhane / طبع خانه) sowie ein offener oder geschlossener Markt angegliedert, dessen Mieterlöse der Stiftung zugutekommen und der der Versorgung des umgebenden Wohnviertels (Mahalle / محله) dient. Manche großen Sultanskülliyen sind mit einem Institut zur astronomischen Bestimmung der Gebetszeiten und ähnlichem (Muvakkithane / موقت خانه) ausgestattet. In den Moscheegärten ruhen in Mausoleen (Türbe / تربه) die Stifter der Külliyen und weitere bedeutende Persönlichkeiten. Heute dienen die Gebäude häufig anderen Zwecken.[3][4]
Architekturgeschichte
Das Konzept der Külliye geht zurück auf die verschiedenen Funktionen einer Moschee in der Frühzeit des Islam, als die Moschee ein Ort des Gebets und der religiösen Lehre war und als Herberge diente. Die ersten Külliyen in Anatolien wurden von den Artukiden errichtet. Ein bis heute erhaltenes Beispiel dieser Bauwerke ist die im frühen 12. Jahrhundert erbaute Eminüddin Külliyesi in Mardin.[5] Im osmanischen Reich des 14. und 15. Jahrhunderts wurde es üblich, die Funktionen von Külliyen zu erweitern und den verschiedenen Funktionen eigene Gebäude zuzuweisen.[3] Die bald nach der Eroberung Konstantinopels, in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts errichtete, in der Stiftungsurkunde Neues İmaret genannte Külliye der Istanbuler Fatih-Moschee wurde zum Vorbild ähnlicher Komplexe im gesamten Osmanischen Reich.[6][7] Die größten und bedeutendsten Külliyen wurden in der Folge von den osmanischen Sultanen und ihren Familienangehörigen sowie von den hohen Würdenträgern des Reiches gestiftet.
„Külliye“ ist auch seit Januar 2015 die offizielle Bezeichnung des Präsidentschaftspalastes der Türkei, wobei mit diesem Namen an ottomanische Tradition angeknüpft werden soll.[8]
Weblinks
- Sultan-Mehmed-Fatih-Komplex, Istanbul, abgerufen am 21. Januar 2011
- Şehzade-Komplex, Istanbul, abgerufen am 21. Januar 2011
- Süleymaniye-Komplex, Istanbul, abgerufen am 21. Januar 2011
- Yeni-Valide-Komplex, Istanbul, abgerufen am 21. Januar 2011
Einzelnachweise
- ↑ Lageplan und Grundriss in: Amy Singer: Constructing Ottoman Benefice. An Imperial Soup Kitchen in Jerusalem. State University of New York 2002, S. 2 und 47
- ↑ Gülru Necipoğlu: The Age of Sinan. Architectural Culture in the Ottoman Empire. London 2005, S. 71
- ↑ a b Godfrey Goodwin: Külliyye. In: Encyclopaedia of Islam, Second Edition. Edited by: P. Bearman, Th. Bianquis, C.E. Bosworth, E. van Donzel and W.P. Heinrichs. Brill, 2011. Brill Online, abgerufen am 21. Januar 2011
- ↑ Heinz Jürgen Sauermost und Wolf-Christian von der Mülbe: Istanbuler Moscheen. München 1981, S. 30 f.
- ↑ Seite des Kultur- und TourismusMinisteriums der Türkei, abgerufen am 23. Januar 2011
- ↑ Ömür Bakırer: Quellen und Dokumente zu Mehmet dem Eroberer als Patron der Architektur. In: Neslihan Asutay-Effenberger (Hrsg.): Sultan Mehmet II: Eroberer Konstantinopels, Patron der Künste. Köln et altera 2009, S. 47
- ↑ Rekonstruktion des Grundrisses des Fatih-Camii-Komplexes (Seite nicht mehr abrufbar, festgestellt im April 2019. Suche in Webarchiven) Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. bei archnet.org, abgerufen am 21. Januar 2011
- ↑ Hürriyet Daily News 16. Januar 2015