
Die Jägerkaserne in Marburg an der Lahn ist ein ehemaliger militärischer Gebäudekomplex, der über verschiedene Bauphasen hinweg entstand und für unterschiedliche militärische Einheiten bis in die 1990er Jahre genutzt wurde. Am präsentesten waren die Marburger Jäger und das Kurhessische Jäger-Bataillon Nr. 11. Die Jägerkaserne unterteilt sich in die Alte Jägerkaserne, die Kleine Jägerkaserne und die Große Jägerkaserne.
Die Jägerkaserne befand sich in Marburg an der Frankfurter Straße. Die Alte Jägerkaserne hat die Adresse Gutenbergstraße 18, während die Große Jägerkaserne das Gebiet zwischen der Frankfurter Straße und der Lahn umfasste. Die Kleine Jägerkaserne befand sich gegenüber der Großen Jägerkaserne auf der anderen Seite der Frankfurter Straße.
Die Ehem. Jägerkaserne ist ein Kulturdenkmal in Marburgs Südviertel.
Alte Jägerkaserne

Die Alte Jägerkaserne wurde zwischen 1867 und 1869 nach Plänen des Stadtbaumeisters Philipp Soff errichtet und aus städtischen Mitteln finanziert. Der Bauabschluss wurde am 3. November 1869 durch den damaligen Oberbürgermeister Georg August Rudolph vorgenommen. Am 11. November 1869 wurde die Kaserne von den Truppen bezogen. Ursprünglich war es eine dreiflügelige Anlage aus rötlichem Sandstein. Spätere Anbauten schlossen den Innenhof nach Norden.
Während des Nationalsozialismus ging die Alte Jägerkaserne in Staatsbesitz über. Das hatte zur Folge, dass die amerikanische Militärregierung in Hessen Rechtsnachfolgerin des Anwesens wurde. Von drei möglichen zukünftigen Nutzungen, die diskutiert wurden, entschied man sich für eine Nutzung durch die Universität. Dies wurde vor allem durch den Direktor der amerikanischen Militärregierung in Hessen James R. Newman gefördert. Dieser überzeugte General Clay, welcher wiederum den zuständigen General Huebner von einer Verwendung durch die Universität überzeugte. Nach der Planung sollten verschiedene Institute und das Collegium Gentium in der Alten Jägerkaserne untergebracht werden. Bei dem Collegium Gentium handelt es um ein Studentenwohnheim, dass primär für ausländische Studenten gedacht war. Die amerikanische Militärregierung in Hessen während der Nachkriegszeit bestand auf die Einrichtung des Collegium Gentiums in der Alten Jägerkaserne, wenn diese einer universitären Nutzung zugutekommen sollte. Mit der Einrichtung des Collegium Gentiums wurde wohl angestrebt, einen internationalen Austausch und Demokratisierungsprozess zu fördern, um nationalsozialistischem Gedankengut entgegenzuwirken. Dabei stand wohl vor allem das Entgegenwirken gegen die Deutsche Burse in Marburg, welche zur „Kultureinheit des deutschen Gesamtvolkes“ forschte, im Vordergrund.[1][2] Die Nutzung der Alten Jägerkaserne durch die Universität wurde in Marburg kontrovers diskutiert. Gefordert wurde in der Öffentlichkeit vielmehr, die Jägerkaserne für Wohnungen, an denen in der Nachkriegszeit Mangel herrschte, zu nutzen, was zu einem Briefwechsel zwischen dem Oberbürgermeister Karl Theodor Bleek und dem Rektor der Philipps-Universität Matz führte.[2] Da die Stadt kein Eigentumsrecht und somit kein Mitspracherecht hatte, war sie von einer Entscheidung über die Nutzung des Bauensembles ausgeschlossen. Genauso wenig konnte die Universität über die Nutzung mitentscheiden, sondern nur darüber diskutieren, welche Institute neben dem Collegium Gentium in die Alte Jägerkaserne einziehen sollten. Nach Vorstellungen der Universität sollten folgende Institute neben dem Collegium Gentium in die Alte Jägerkaserne einziehen: Physikalische Chemie, Psychologie, Gerichtsärztliche Medizin, Kristallstrukturforschung und Silicium Chemie. Das Collegium Gentium wurde 2006 aufgegeben, die Räumlichkeiten anschließend durch den Fachbereich Psychologie genutzt. Heute wird die Alte Jägerkaserne vom Fachbereich Psychologie und dem Institut für Bildende Kunst verwendet.
Eine weitere Kontroverse wurde durch den akuten Parkplatzmangel in den 1950er Jahren angestoßen. Es wurde gefordert, den Vorplatz zumindest zu einem Teil in Parkplätze umzuwandeln, was allerdings von der Stadtverwaltung nicht durchgeführt werden konnte, da die Universität das Verfügungsrecht von der Besatzungsmacht erhalten hatte.
Kleine Jägerkaserne

Von der Kleinen Jägerkaserne sind heute nur noch zwei Gebäude erhalten. Das Gebäude der ehemaligen Standortverwaltung wurde 1906 gebaut, das ehemalige Stabshaus wurde 1936 errichtet. Beide erfuhren 1994 mit dem Auszug der Bundeswehr aus Marburg eine Umwandlung in Wohnhäuser. Die restlichen Gebäude am Kämpfrasen, die ehemaligen Fahrzeughallen, wurden abgerissen: Von 1996 bis 1998 wurden hier von Günter Wolf, Hans-Uwe Schultze, Wolfgang Schulze und Justus Noll Wohnungen geplant und gebaut sowie eine Wohngegend mit Spielplatz gestaltet.
Große Jägerkaserne
Die Große Jägerkaserne besteht aus mehreren heute noch erhaltenen Gebäuden. Die ehemalige Speiseanstalt wurde 1896 bis 1897 nach den Plänen von Louis Broeg errichtet und 1994 von Günther Mergel zu einem Wohn- und Geschäftshaus umgestaltet. 1908 bis 1909 entstand das Bezirkskommandogebäude an der Frankfurter Straße, das nach dem Abzug des Militärs 1994 in Wohnraum umgewandelt wurde. Der Architekt des Umbaus war Joachim Kleinberg. Das ehemalige alte Mannschaftshaus der Jägerkaserne wurde 1913 bis 1914 errichtet und vom „Königlichen Militärbauamt I zu Cassel“ geplant.[3] Das ehemalige Wirtschaftsgebäude entstand zwischen 1936 und 1937 und wurde vom Heeresbauamt Gießen geplant. Es wurde 1994 von Hans-Uwe Schultze und Wolfgang Schulze in ein Wohn- und Geschäftshaus umgestaltet. Das Gelände der Großen Jägerkaserne liegt heute zwischen der Frankfurter Straße und der Lahn, in unmittelbarer Nähe des Softwarecenters.
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Ehemalige Speiseanstalt (Große Jägerkaserne)
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Ehemaliges Bezirks-Kommandogebäude (Große Jägerkaserne)
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Ehemaliges altes Mannschaftshaus Westseite (Große Jägerkaserne)
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Ehemaliges altes Mannschaftshaus (Große Jägerkaserne)
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Ehemaliges Wirtschaftsgebäude (Große Jägerkaserne)
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Ehemaliges Mannschaftsgebäude (Große Jägerkaserne)
Baubeschreibung
Die verschiedenen Teile der Jägerkaserne weisen unterschiedliche architektonische Stile auf. Während die Alte Jägerkaserne im Stil der Neorenaissance errichtet wurde, sind die neueren Kasernengebäude zweckmäßiger und schlichter gehalten. Besonders markant ist der Ehrenhof der Alten Jägerkaserne mit seinem Dreiecksgiebel und Arkaden im Eingangsbereich. Die Große Jägerkaserne besteht aus mehreren Gebäudekomplexen, die mehrheitlich sehr schlicht gehalten sind. Die Gebäude die in den 1930er errichtet wurden besitzen über den Eingängen in Sandstein gemeißelte Abbildungen von Soldaten. An einer Ecke des Gebäudes des ehemaligen Stabshauses in Richtung der Frankfurter Straße, dem Kämpfrasen abgewandt, befindet sich ein Adler aus Sandstein.
Nutzungsgeschichte
Nach ihrer Errichtung diente die Jägerkaserne zunächst als Unterkunft für die Marburger Jäger. Ab 1884 war das 2. Bataillon des Hessischen Füsilier-Regiments Nr. 80 dort untergebracht. Die Marburger Jäger waren in den 1880er Jahren in Hagenau im Elsass stationiert und kehrten erst 1887 zurück. Nach 1945 wurde die Alte Jägerkaserne von der Philipps-Universität übernommen und unter anderem als Studentenwohnheim genutzt. In den 1990er Jahren wurden die Große und Kleine Jägerkaserne von der Bundeswehr endgültig aufgegeben und für Wohn- und Büronutzung umgebaut.
Stationierte Einheiten
Im Laufe der Zeit waren verschiedene Einheiten in der Jägerkaserne stationiert, darunter:
- 2. Bataillon des Hessischen Füsilier-Regiments Nr. 80 (ab 1884 bis 1887)
- Kurhessisches Jäger-Bataillon Nr. 11 (von 1866 bis 1882 und 1887 bis 1919)
- 15. Infanterieregiment der Reichswehr (während der Weimarer Republik)
- Bundeswehr (von 1956 bis 1994)
Heutige Nutzung
Nach der Aufgabe der militärischen Nutzung wurden Teile der Kaserne für zivile Zwecke umgewidmet. Die Gebäude der Großen und Kleinen Jägerkaserne wurden ab 1994 zu Wohn- und Bürogebäuden umgebaut. Die Alte Jägerkaserne beherbergte bis 2006 das Collegium Gentium und wird seitdem vom Fachbereich Psychologie der Philipps-Universität Marburg genutzt. Auch das Institut der Bildenden Kunst ist heute in der Alten Jägerkaserne untergebracht.
Literatur
- Friedrich, Klaus-Peter (Hrsg.): Zur Geschichte der „Marburger Jäger“ (=Marburger Stadtschriften zur Geschichte und Kultur, 101). Rathaus-Verlag, Marburg, 2014, ISBN 978-3-942487-02-3.
- Hofmann, Hanns Hubert: Stadt und militärische Anlagen. Historische und raumplanerische Aspekte (= Akademie für Raumforschung und Landesplanung (Hrsg.): Forschungs- und Sitzungsberichte der ARL, 114). Schroedel, Hannover 1977. ISBN 3-507-91407-7.
- Huber, Hans (Hrsg.): Marburger Almanach. Heimatjahrbuch für die Stadt Marburg. Burgwald-Verlag, Schönstadt 1979–1987.
- Kemp, Ellen / Krause, Katharina / Schütte, Ulrich (Hrg.): Marburg. Architekturführer. Imhof, Petersberg 2002, ISBN 3-935590-67-9.
- Langkabel, Hermann: Marburg als Garnisonstadt. Festvortrag anläßlich des 25-jährigen Bestehens der Bundeswehrgarnison in Marburg 1981. Magistrat der Stadt Marburg, Marburg 1983. ISBN 3-923820-01-1.
- Erwin Schermuly, Marc Falinski: Kurze Geschichte der Hessisch-Preußischen Jägertruppe. Marburg 2005.
Weblinks
- Sarah Jawaid: 11 Jägerkaserne und Garnisonsbauten. In: Studierendenstadtführer Marburg. .
- Bundeswehr wieder in Marburg stationiert, 12. Oktober 1956. In: Zeitgeschichte in Hessen. .
- Norbert Nail: Deutsche Burse in Marburg. In: Studenten-Kurier. Band 1/15. Marburg 2015, S. 20–21 (uni-marburg.de [PDF]).
Einzelnachweise
- ↑ Wolfgang Hecker: Wie kam Abendroth in die Alte Jägerkaserne? Eine Hausbesichtigung Anfang der 1950er Jahre mit einem Ausblick auf das nachfolgende Jahrzehnt. In: Martin Göllnitz, Sabine Mecking (Hrsg.): Skandal!? Stadtgeschichten aus Marburg im 20. Jahrhundert. transcript, Bielefeld 2022, S. 256.
- ↑ a b UniA Marburg, 305 a, 487: Instituts-Gebäude der Universität (Alte Jägerkaserne) 1947–1951 (online)
- ↑ Ellen Kemp, Katharina Krause, Ulrich Schütte: 8. Wohnhaus, ehemaliges altes Mannschaftshaus der Grossen Jägerkaserne. In: Ellen Kemp, Katharina Krause, Ulrich Schütte (Hrsg.): Marburg. Architekturführer. Michael Imhof, Petersberg 2002, ISBN 3-935590-67-9, S. 135.
Koordinaten: 50° 48′ 16,6″ N, 8° 46′ 11,6″ O