Friedrich Robert Helmert (* 31. Juli 1843 in Freiberg, Sachsen; † 15. Juni 1917 in Potsdam) war ein deutscher Geodät und Mathematiker.
Leben und Wirken
Helmert gilt als Begründer der mathematischen und physikalischen Theorien der modernen Geodäsie und war der erste, der die Grundlagen zu den Methoden der Geoidbestimmung erarbeitete. Sie konnten wegen des Fehlens geeigneter, feldtauglicher Messinstrumente aber erst einige Jahrzehnte später in größerem Maße durchgeführt werden. Helmert begründete die inzwischen klassische Definition der Geodäsie als Wissenschaft von der Ausmessung und Abbildung der Erdoberfläche.
Zu Helmerts wichtigsten Werken zählt ein zweibändiges, 1880 erschienenes Lehrbuch, in dem er die Theoretische Geodäsie begründete, ein sich rasch verbreitendes Buch über die Ausgleichungsrechnung nach der Methode der kleinsten Quadrate und Abhandlungen zu den Koordinatentransformationen. Nach ihm benannt wurde eine bis heute oft verwendete Methode, die sogenannte Helmert-Transformation. Auch die als Winkel zwischen dem Schwerevektor und der Ellipsoidnormalen in einem Oberflächenpunkt definierte Lotabweichung ist nach ihm benannt, ebenso wie das Helmert-Ellipsoid, mit dem der führende Geodät seiner Zeit die Achsen des Erdellipsoids genauer anzugeben vermochte, als es anderen Wissenschaftlern in den folgenden 50 Jahren gelang.
Als Direktor des Geodätischen Instituts Potsdam (1886–1917) machte Helmert Potsdam zum Weltzentrum für die wissenschaftliche Geodäsie. Er definierte sie – was im Wesentlichen noch heute akzeptiert wird – als die Wissenschaft von der Erdfigur und dem Schwerefeld der Erde. Der Potsdamer Absolutwert der Schwerebeschleunigung war von 1909 bis 1971 der internationale Referenzwert („Potsdamer Schwerewert“).
In Freiberg geboren, studierte er von 1859 bis 1863 an der damaligen Königlich Sächsischen Polytechnischen Schule in Dresden unter August Nagel, er promovierte 1867 in Leipzig bei Wilhelm Scheibner und Wilhelm Gottlieb Hankel mit der Arbeit „Studien über rationelle Vermessungen im Gebiet der höheren Geodäsie“.[1][2] Durch seine Intelligenz und seinen herausragenden Fleiß erwarb er sich schon in dieser Zeit Anerkennungen, die in der Verleihung von Belobigungsdekreten zum Ausdruck kamen.
Helmert war auch Präsident des Zentralbüros der Internationalen Erdmessung, ordentliches Mitglied der Preußischen Akademie der Wissenschaften, auswärtiges Mitglied der Accademia dei Lincei in Rom und der Königlich Niederländischen Akademie der Wissenschaften (seit 1913), korrespondierendes Mitglied der Russischen Akademie der Wissenschaften in Sankt Petersburg (seit 1907) und der Académie des sciences (seit 1899) sowie Professor an der TH Aachen (1870–1886) und an der Friedrich-Wilhelms-Universität Berlin. Im Jahr 1886 wurde er zum Mitglied der Leopoldina gewählt.
Er ist der wohl meistzitierte Geodät aller Zeiten, doch leidet sein Werk aus heutiger Sicht – wie Karl Ledersteger 1970 feststellte – an seiner etwas umständlichen mathematischen Diktion. Dies hängt wohl damit zusammen, dass Helmert für eine große Zahl geodätischer Aufgabenstellungen erst die geeigneten Theorien entwickeln musste.
Außerdem wird die Einführung der Chi-Quadrat-Verteilung 1876 Helmert zugeschrieben, auch wenn die Bezeichnung erst von Karl Pearson stammt (1900).[3]
Der Mondkrater Helmert ist nach ihm benannt, ebenso der astronomisch-geodätische Beobachtungsturm auf dem Telegrafenberg in Potsdam (Helmertturm) wie auch der Helmertplatz in seiner Geburtsstadt Freiberg. In Potsdam trägt seit dem 6. November 2001 die Professor-Doktor-Helmert-Straße seinen Namen, in Karlsruhe seit 1960, in Mannheim seit 1982 und im Leipziger Ortsteil Rückmarsdorf seit 2018 die Helmertstraße.
Am 8. Juli 2013 wurde in Berne bei Bremen der Neubau eines rund 42 m langen Vermessungsschiffes auf den Namen Fugro Helmert getauft und zu Wasser gelassen. Bereits seit 1997 ist er Namensgeber für die Helmertbank im antarktischen Weddell-Meer.
Der DVW – Gesellschaft für Geodäsie, Geoinformation und Landmanagement verleiht zu besonderen Anlässen die Helmert-Gedenkmünze an bedeutende Geodäten.
Aus Anlass seines 100. Todestages wurde 2017 in Freiberg ein Georeferenzpunkt eingerichtet.[4]
Schriften (Auswahl)
- Die Ausgleichungsrechnung nach der Methode der kleinsten Quadrate: mit Anwendungen auf die Geodäsie und die Theorie der Messinstrumente. Verlag Teubner, Leipzig 1872.
- Die mathematischen und physikalischen Theorien der Höheren Geodäsie, Band I. Verlag Teubner, Leipzig 1880.
- Die mathematischen und physikalischen Theorien der Höheren Geodäsie, Band II. Verlag Teubner, Leipzig 1884.
Literatur
- Otto Eggert: Friedrich Robert Helmert †. In: Zeitschrift für Vermessungswesen. Jg. 46 (1917), S. 281 ff. (online).
- Rudolf Sigl: Helmert, Friedrich Robert. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 8, Duncker & Humblot, Berlin 1969, ISBN 3-428-00189-3, S. 497 f. (Digitalisat).
- Karl Ledersteger: Astronomische und Physikalische Geodäsie (Erdmessung) (= Handbuch der Vermessungskunde. Bd. 5). Metzler, Stuttgart 1969.
- Bialas, Volker: Erdgestalt, Kosmologie und Weltanschauung. Die Geschichte der Geodäsie als Teil der Kulturgeschichte der Menschheit. Stuttgart: Verlag Konrad Wittwer 1982: ISBN 9783879191352.
- Kurrer K.-E.: Rezension des Buches von Bialas in: Das Argument; Nr. 154; 1985, S. 885–887.
- Schwerpunktthema: Zum 150. Geburtstag von Friedrich Robert Helmert. Mit Beiträgen von Helmut Wolf, Reiner Rummel und Wolfgang Torge. In: Zeitschrift für Vermessungswesen. Jg. 118 (1993), H. 12, S. 583–605.
- Oscar Sheynin: Helmert’s work in the theory of errors. Archive for the History of Exact Sciences, Band 49, 1995, S. 73–104.
- Christoph Reigber, Karl-Heinz Ilk, Wolf-Dieter Schuh, Joachim Höpfner, Harald Schuh: Friedrich Robert Helmert. Hrsg.: Erich Weiß (= Förderkreis Vermessungstechnisches Museum [Hrsg.]: Schriftenreihe. Nr. 42). Dortmund 2017.
- Sibylle Itzerott, André Brall, Frank Flechtner, Karl-Heinz Ilk, Johannes Ihde, Johannes Leicht, Enrico Mai, Christoph Reigber, Andreas Reinhold, Reinhard Rummel, Harald Schuh: Auf den Spuren des wissenschaftlichen Wirkens von Friedrich Robert Helmert : zum 175. Geburtstag. Deutsches GeoForschungsZentrum Potsdam, 2018 (doi:10.2312/GFZ.b103-18037)
Weblinks
- Literatur von und über Friedrich Robert Helmert im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Mitgliedseintrag von Robert Helmert bei der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina
- Denkmal für Friedrich Robert Helmert
- Prof.-Dr.-Helmert-Straße in Potsdam eingeweiht (PDF; 115 kB)
Einzelnachweise
- ↑ Friedrich Robert Helmert im Mathematics Genealogy Project (englisch)
- ↑ Stochastikon GmbH: Biographie von Friedrich Robert Helmert ( vom 26. April 2014 im Internet Archive) (PDF; 77 kB)
- ↑ F. R. Helmert. In: Zeitschrift fuer Math. und Physik 21, 1876, S. 102–219. Karl Pearson: On the Criterion that a Given System of Deviations from the Probable in the Case of a Correlated System of Variables is such that it Can Reasonably Be Supposed to have Arisen from Random Sampling. In: Philosophical Magazine 5, Band 50, 1900, S. 157–175. Zitiert nach L. Schmetterer: Mathematische Statistik. Springer, Wien 1966, S. 93.
- ↑ http://tu-freiberg.de/refpkt
Personendaten | |
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NAME | Helmert, Friedrich Robert |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Geodät und Mathematiker |
GEBURTSDATUM | 31. Juli 1843 |
GEBURTSORT | Freiberg |
STERBEDATUM | 15. Juni 1917 |
STERBEORT | Potsdam |
- Geodät
- Erdmessung
- Mathematiker (19. Jahrhundert)
- Statistiker (19. Jahrhundert)
- Mitglied der Preußischen Akademie der Wissenschaften
- Mitglied der Accademia dei Lincei
- Mitglied der Niedersächsischen Akademie der Wissenschaften zu Göttingen
- Mitglied der Königlich Niederländischen Akademie der Wissenschaften
- Mitglied der Ungarischen Akademie der Wissenschaften
- Mitglied der Leopoldina (19. Jahrhundert)
- Korrespondierendes Mitglied der Académie des sciences
- Mitglied der Accademia delle Scienze di Torino
- Korrespondierendes Mitglied der Russischen Akademie der Wissenschaften
- Person als Namensgeber für einen Mondkrater
- Hochschullehrer (RWTH Aachen)
- Deutscher
- Geboren 1843
- Gestorben 1917
- Mann
- Absolvent der Universität Leipzig
- Träger des Roten Adlerordens 4. Klasse