
Ein FabLab (von englisch fabrication laboratory âFabrikationslaborâ), manchmal auch Makerspace genannt, ist eine offene Werkstatt mit dem Ziel, Privatpersonen und einzelnen Gewerbetreibenden den Zugang zu modernen Fertigungsverfahren fĂŒr EinzelstĂŒcke zu ermöglichen.
Typische GerĂ€te sind 3D-Drucker, Laser-Cutter, CNC-Maschinen, Pressen zum Tiefziehen oder FrĂ€sen, um unterschiedliche Materialien und WerkstĂŒcke bearbeiten zu können (âmake almost anythingâ). FabLabs erlauben die Anfertigung von individualisierten EinzelstĂŒcken oder nicht mehr verfĂŒgbaren Ersatzteilen (Rapid Manufacturing).
Weil FabLabs damit lokale Reparaturen und Zugang zu technischer Bildung erlauben, wird ihre Rolle mancherorts als eine Art âvernetzter lokaler öffentlicher Dienstâ bewertet.[1] Es gibt Ăberlappungen und Kooperationen mit Bildungseinrichtungen wie Schulen und Hochschulen, der Open-Hardware-, Open-Source- und der DIY-Bewegung.
Entstehung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Das erste FabLab wurde von Neil Gershenfeld am Massachusetts Institute of Technology (MIT) im Jahr 2002 initiiert und begrĂŒndete die weltweit schnell wachsende âMakerâ-Bewegung. Thematisch sind FabLabs im Umfeld von Open Hardware angesiedelt, zum Beispiel mittels selbstreplizierender 3D-Drucker. Der Unterschied zur Selbsthilfewerkstatt besteht im Einsatz von Hochtechnologien und dem teilweise experimentellen Charakter. In Deutschland werden entsprechende Projekte zum Beispiel im Rahmen der Umweltbildung staatlich gefördert,[2] auch ihre Relevanz fĂŒr den schulischen Einsatz und zur Vermittlung technisch-naturwissenschaftlicher Kenntnisse wird vermehrt diskutiert.[3][4] An Unternehmen und Hochschulen können FabLabs und Makerspaces der Innovationssteigerung und dem beschleunigten Technologietransfer dienen.[5][6]
Finanzierung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]TrĂ€ger der Einrichtungen sind oft eingetragene Vereine, die Zugang und Nutzung gemeinnĂŒtzig und ohne Gewinnorientierung bereitstellen. Die Finanzierungsmodelle können sich dabei durch Spenden und MitgliedsbeitrĂ€ge unterscheiden. In EinzelfĂ€llen entlehnen sich kommerzielle Angebote wie Coworking-Spaces mit Werkstatt die Bezeichnung. Dies ist irrefĂŒhrend, da die Fab Charta als Regelwerk aller FabLabs die Gewinnerzielungsabsicht verbietet, sofern sie den Zugang oder AktivitĂ€ten anderer einschrĂ€nkt. Vielmehr sollen FabLabs den Nutzenden die Prototypisierung ermöglichen, die nach Auslagerung in eigene GrĂŒndungen auch vermarktet werden kann.
Ziele und Zielgruppen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]FabLabs können den Zugang zu Produktionstechnologien und Produktionswissen auch dort ermöglichen, wo dies aus GrĂŒnden von Bildung, Alter, Wohlstand oder Region eher schwierig ist. Sie vermitteln technisches Know-how fĂŒr unterschiedliche Zielgruppen und tragen so zu einer Erhöhung der Bildungsgerechtigkeit bei.
FabLabs richten ihre AktivitĂ€ten nach der internationalen âFab Charterâ aus.[7] Die Charta ist das SelbstverstĂ€ndnis der FabLabs und gibt Leitlinien fĂŒr die Bereiche Mission, Zugang, Bildung, Verantwortung, Geheimhaltung und GeschĂ€ft.[8] In der Charta sind wichtige Aspekte wie der offene Zugang (Open Access), Verantwortung fĂŒr das eigene Handeln gegenĂŒber anderen Menschen, Maschinen und der Umwelt, offene und freie Wissensvermittlung fĂŒr Privatnutzung, geistige Eigentumsrechte und kommerzielle AktivitĂ€ten geregelt.[9]
FabLabs machen verschiedene Produktionstechnologien fĂŒr kleine Arbeitsgruppen oder Einzelpersonen verfĂŒgbar, Ă€hnlich wie der Personal Computer seit den 1970er Jahren elektronische Informationsverarbeitung oder ab 1985 Desktop-Publishing fĂŒr viele Menschen ermöglichte. Drechsel- und FrĂ€smaschinen sind in der Anschaffung fĂŒr Einzelpersonen verhĂ€ltnismĂ€Ăig teuer. Im Rahmen des Coworking können zum Beispiel auch traditionelle Berufe, die durch die maschinelle Serienfertigung aussterben, teilweise mit ihrem Know-how ĂŒberleben. Zudem bieten FabLabs auch fĂŒr die Kreativwirtschaft neue Möglichkeiten. DarĂŒber hinaus wird die Rolle von Makerspaces fĂŒr Emanzipation, Empowerment und post-industrielles vernetztes, aber dezentrales Arbeiten (Post-Automation[10]) diskutiert.[11]
2012 empfahl das Ministerium fĂŒr Handel und Industrie Singapurs, das Land mĂŒsse angesichts der voraussichtlichen UmwĂ€lzung der globalen industriellen Landschaft eine âMaker-Bewegungâ kultivieren, die Angehörigen von Bildungseinrichtungen, in der Freizeit Interessierten und BerufstĂ€tigen gleichermaĂen Zugang zu neuen Fertigungstechnologien und FabLabs gebe.[12]
FabCity-Netzwerk
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Die Fab City Global Initiative versammelt StĂ€dte und Kommunen, die sich bis 2054 alle VerbrauchsgĂŒter selbst herstellen wollen.[13] Die beteiligten StĂ€dte greifen dabei auf zehn im FabCity-Manifest festgeschriebene Prinzipien zurĂŒck:
- Ăkologie
- InklusivitÀt
- Glokalismus
- Partizipation
- Ăkonomisches Wachstum und BeschĂ€ftigung
- Lokale Produktion
- Mensch im Fokus
- Ganzheitlichkeit
- Open-Source
- âExperimentierfreudeâ
Initiiert wurde das Netzwerk 2014 durch das von Neil Gershenfeld geleitete MIT Center for Bits and Atoms (CBA), der Fab Foundation, dem Institute for Advanced Architecture of Catalonia (IAAC), dem FabLab Barcelona, sowie der AnkĂŒndigung des BĂŒrgermeisters der Stadt. Weitere Organisationen und Bildungseinrichtungen zĂ€hlen zum UnterstĂŒtzerkreis. Bisher haben sich weltweit 28 StĂ€dte dem Ziel verschrieben (Stand: Februar 2020). Als erste Stadt im deutschsprachigen Raum ist am 27. Juni 2019 Hamburg dem BĂŒndnis beigetreten.[14][15] 2017 Ă€uĂerte sich der damalige Premierminister von Bhutan, Tshering Tobgay, positiv zum FabLab-Konzept dezentraler und open-source-basierter Produktion sowie den verbundenen Stadtentwicklungsinitiativen, die er als potentiellen Beitrag zum BruttonationalglĂŒck (BNG) auffasst. Seines Erachtens sei Bhutan dafĂŒr geeignet, das Konzept auf nationalem MaĂstab zu adaptieren.[16]
Organisation in Deutschland und Europa
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Neben der internationalen Förderstruktur sind FabLabs in Deutschland und im deutschsprachigen Raum im Verbund Offener WerkstĂ€tten e. V. organisiert.[17] Daneben koordinieren hochschulnahe FabLabs als Teil des vom Bundesministerium fĂŒr Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Forschungsverbundes FAB101 organisierten Jahreskonferenzen (Fab:UNIverse).[18]
Die FabCity Hamburg wird durch das Bundesministerium fĂŒr Wirtschaft und Energie (BMWi) mit neun Millionen Euro gefördert (Stand Januar 2021).[19] Im Zuge dessen wird das Fab City OS entwickelt, das ein Interface zur integrierten und kreislaufbasierten Wertschöpfung bieten soll.[20] Bestandteil ist das Projekt FabAccess zur förderierten Verwaltung von Maschinenparks und Qualifikationen.[21] Das Team wurde 2020 durch den Prototype Fund (BMBF) unterstĂŒtzt.[22]
In Frankreich haben sich etwa 400 Fablabs zum Verband Réseau français des fablabs (RFFLabs) zusammengeschlossen.[1]
Siehe auch
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Handbuch
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Bockermann, Iris; Borchers, Jan; Brocker, Anke; Lahaye, Marcel; Moebus, Antje; Neudecker, Stefan; Stickel, Oliver; Stilz, Melanie; Wilkens, Daniel; Bohne, René Pipek, Volkmar; Schelhowe, Heidi: Handbuch Fab Labs: Einrichtung, Finanzierung, Betrieb, Forschung & Lehre. Bombini Verlag, Bonn 2021, ISBN 978-3-946496-26-7, S. 256 (bombini-verlag.de).
Monographien
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Neil A. Gershenfeld: Fab: the coming revolution on your desktopâfrom personal computers to personal fabrication. Basic Books, New York 2005, ISBN 0-465-02745-8.
- Neil A. Gershenfeld, Alan Gershenfeld & Joel Cutcher-Gershenfeld: Designing Reality. How to Survive and Thrive in the Third Digital Revolution. Basic Books, New York 2017, ISBN 978-0465093472.
Sammelwerke
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Andrea Baier, Tom Hansing, Christa MĂŒller, Katrin Werner (Hrsg.): Die Welt reparieren. Open Source und Selbermachen als postkapitalistische Praxis. transcript, Bielefeld 2016, ISBN 978-3-8376-3377-1.
- Julia Walter-Herrmann, Corinne BĂŒching (Hrsg.): FabLab â Of Machines, Makers and Inventors. Transcript, Bielefeld 2013, ISBN 978-3-8376-2382-6.
- Manuel Moritz et al. (Hrsg.): Global collaboration, local production. Fab City als Modell fĂŒr Kreislaufwirtschaft und nachhaltige Entwicklung. Reihe SDG. Forschung, Konzepte, LösungsansĂ€tze zur Nachhaltigkeit. Springer, Wiesbaden 2024. ISBN 978-3-658-44113-5. (Open Access im Erscheinen)
- Christina Schachtner (Hrsg.): Kinder und Dinge. Dingwelten zwischen Kinderzimmer und FabLabs., transcript, Bielefeld 2014, ISBN 978-3-8376-2553-0.
- Thomas Diez (Hrsg.): Fab City. The Mass Distribution of (Almost) Everything. IAAC, 2018. Print-on-Demand. ISBN 978-84-948142-1-1.
Artikel
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Tobias Moorstedt: Du bist die Fabrik. Hrsg.: SĂŒddeutsche Zeitung. Nr. 82, 10. April 2010 (rwth-aachen.de [PDF; 166 kB]).
- Niels Boeing: The future is fab. Technology Review, 3. MĂ€rz 2010, abgerufen am 9. Juni 2015.
- Hannes Gerhardt: The Promise of âDesign Global, Manufacture Localâ. In: From Capital to Commons: Exploring the Promise of a World Beyond Capitalism. Bristol University Press, Bristol 2023, ISBN 978-1-5292-2456-6, S. 93â112, doi:10.51952/9781529224566.ch005.
- Christina Schachtner: Children, Things and Culture. Observations in a Fab Lab. In: Gail Caruth, Marilena Ticusann (Hrsg.): Current Issues in Educational Methods and Theory in a Changing World. Athens Institute for Education and Research, Athens 2018, S. 131â146.
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- www.fablabs.io â Weltweites Verzeichnis vieler FabLabs
- International Fab Lab Association, eine Vereinigung der internationalen Fab Lab Community Mitglieder.
- Website der FabCity Hamburg
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- â a b Matei Gheorghiu: La dĂ©licate socialisation des enjeux techniques contemporains. Fablabs, encore un effort et vous deviendrez des communs. In: Benjamin Coriat, Justine Loizeau, Nicole Alix (Hrsg.): Les communs de proximitĂ©. Origines, caractĂ©risation, perspectives. Ăditions Science et Bien Commun, QuĂ©bec 2024, ISBN 978-2-925128-40-3, S. 57â82, doi:10.5281/zenodo.10864259 (pressbooks.pub [abgerufen am 18. April 2024]).
- â Mareike Spielhofen fĂŒr den ANU Bundesverband e.V: Fablabs â demokratisch produzieren. umweltbildung.de, archiviert vom am 20. April 2021; abgerufen am 9. Mai 2019.
- â Erica Rosenfeld Halverson, Kimberley M. Shiridan: The Maker Movement in Education. In: President and Fellows of Harvard College (Hrsg.): Harvard Educational Review. Band 84, Nr. 4. Cambridge (MA) 2014, S. 495â504, doi:10.17763/haer.84.4.34j1g68140382063.
- â Irene Posch: Digitale Welten begreifen Kinderworkshops im FabLab. In: Kultur- und Medientheorie. 1. Auflage. transcript Verlag, Bielefeld, Germany 2014, ISBN 978-3-8376-2553-0, S. 89â102, doi:10.14361/transcript.9783839425534.89 (transcript-verlag.de [abgerufen am 12. MĂ€rz 2024]).
- â David Zakoth, Oliver Mauroner, Jutta Emes: The role of makerspaces in innovation processes: an exploratory study. In: R&D Management. 3. Mai 2023, ISSN 0033-6807, doi:10.1111/radm.12594 (wiley.com [abgerufen am 17. Mai 2023]).
- â Iris Bockermann, Jan Borchers, Anke Brocker, Marcel Lahaye, Antje Moebus, Stefan Neudecker, Oliver Stickel, Melanie Stilz, Daniel Wilkens, RenĂ© Bohne, Volkmar Pipek, Heidi Schelhowe: Handbuch Fab Labs: Einrichtung, Finanzierung, Betrieb, Forschung & Lehre. bombini verlag, Bonn 2021, ISBN 978-3-946496-26-7.
- â Fab Charta (2019)
- â Deutsche Ăbersetzung der englischsprachigen Fab Charter auf fablab-hamburg.org
- â Fab Charta 2007 (englisch)
- â Adrian Smith, Mariano Fressoli: Post-automation. In: Futures. Band 132, September 2021, S. 102778, doi:10.1016/j.futures.2021.102778 (elsevier.com [abgerufen am 9. November 2022]).
- â Kat Braybrooke, Adrian Smith: Makerspaces and Peer Production: Spaces of Possibility, Tension, PostâAutomation, or Liberation? In: The Handbook of Peer Production. 1. Auflage. Wiley, 2020, ISBN 978-1-119-53715-1, S. 347â358, doi:10.1002/9781119537151.ch26 (wiley.com [abgerufen am 9. November 2022]).
- â MTI Futures Group, Ow Foong Pheng et al.: Future Tense. Hrsg.: Ministry of Trade and Industry of Singapore. Singapur Oktober 2012, S. 19 (gov.sg [PDF]).
- â Fab City Challenge. In: Fab.City. Fab Lab Barcelona, MIT's CBA, IAAC, Fab Foundation, abgerufen am 23. Februar 2020 (englisch).
- â Helga Hansen: Hamburg wird erste deutsche âFab Cityâ. In: Make, heise.de. 5. Juli 2019, abgerufen am 23. Februar 2020.
- â Wolfgang Stieler: Kreislauf auf hanseatisch. In: MIT Technology Review. Heise, Februar 2022, S. 22â26.
- â Neil Gershenfeld, Alan Gershenfeld, Joel Cutcher-Gershenfeld: Designing Reality. How to Survive and Thrive in the Third Digital Revolution. 1. Auflage. Basic Books, New York 2017, ISBN 978-0-465-09347-2.
- â Freiraum zum Selbermachen. In: Verbund Offener WerkstĂ€tten. Verbund Offener WerkstĂ€tten e. V., abgerufen am 5. Oktober 2020.
- â FAB101. UniversitĂ€t Siegen, abgerufen am 5. Oktober 2020.
- â Fabrik der Zukunft: Förderung fĂŒr FabCity Hamburg. In: HamburgNews. Abgerufen am 12. Dezember 2021.
- â Fab City OS. Projekt INTERFACER. In: Fab City Hamburg. Abgerufen am 12. Dezember 2021 (deutsch).
- â Helga Hansen: FabAccess: Bessere Maschinenverwaltung fĂŒr Fablabs. In: heise online. 19. Januar 2021, abgerufen am 12. Dezember 2021.
- â Kai Kriegel, Joseph Langosch, Jannis Rieger, Gregor Reitzenstein, Tasso Mulzer: FabAccess. In: Prototype Fund. Abgerufen am 12. Dezember 2021 (deutsch).
