Die Ayyubiden (kurdisch دەوڵەتی ئەییووبی Dewleta Eyûbiyan; arabisch بنو أيوب, DMG Banū Ayyūb oder الأيوبيون Aiyūbiyūn) waren eine sunnitisch-muslimische Dynastie kurdischer[1] Herkunft, die von 1171 bis 1254 in Ägypten herrschte. Seitenlinien der Ayyubiden herrschten in Teilen Syriens bis 1341. Benannt ist die Dynastie nach Nadschmuddin Ayyub, dem Vater Saladins.
Geschichte
Mit dem Niedergang der Fatimiden in Ägypten begannen verstärkte Angriffe der Kreuzfahrer des Königreichs Jerusalem. Gegen diese riefen die Fatimiden die Zengiden zur Hilfe, die Syrien beherrschten. Diese entsandten Truppen unter Schirkuh nach Ägypten, der sich zum Wesir ernennen ließ. Nach seinem Tod wurde sein Neffe Saladin 1169 Wesir. Er beseitigte 1171 die Dynastie der ismailitischen Fatimiden-Kalifen und begründete die Dynastie der Ayyubiden.
Unter Saladin (1171–1193) wurde Ägypten reorganisiert und die Wirtschaft durch die Förderung von Landwirtschaft und Handel weiter gestärkt, um die Kreuzfahrer aus Jerusalem und Palästina vertreiben zu können. Bis 1181 wurde die Herrschaft über Syrien, Obermesopotamien, den Jemen und Nubien ausgedehnt, sodass Saladin den Großteil des arabischen Kernlandes regierte. Nach Festigung der Herrschaft besiegte er die Kreuzfahrer am 4. Juli 1187 in der Schlacht bei Hattin nahe Tiberias entscheidend und eroberte Jerusalem. Im nun folgenden Dritten Kreuzzug konnten die Kreuzfahrer zwar einige Küstenstädte (darunter Akkon) zurückerobern, doch die Wiedereinnahme Jerusalems gelang ihnen zunächst nicht.
Da Saladin vor seinem Tod das Reich geteilt hatte, kam es unter seinen Nachfolgern zunächst zu Machtkämpfen, bei denen sich al-Adil I. (1200–1218) gegen al-Mansur (1198–1200), den minderjährigen Sohn al-Aziz’ (1193–1198), durchsetzen konnte. Zwar teilte auch al-Adil das Reich vor seinem Tod, doch konnte sein Nachfolger al-Kamil (1218–1238) den Kreuzzug von Damiette (1217–1221) in Ägypten abwehren und den Kreuzzug Friedrichs II. (1228–1229) durch Verhandlungen mit dem Kaiser beenden, bei denen das unbefestigte Jerusalem abgetreten wurde. Kurz vor seinem Tod konnte sich al-Kamil auch in Syrien durchsetzen.
Nach dem Ausbruch dynastischer Machtkämpfe gelang es as-Salih (1240–1249), weite Teile des Ayyubidenreichs wieder zu vereinigen, auch wenn Nordsyrien, Obermesopotamien und der Jemen endgültig verloren gingen. Ebenso konnte er 1244 Jerusalem endgültig von den Kreuzfahrern erobern.
Unmittelbar nach der Abwehr des Sechsten Kreuzzugs (1249–1254), der auf Ägypten abgezielt hatte, fiel der letzte Ayyubide Turan Schah einer Verschwörung der türkischen Mamluken im Heer zum Opfer, als er deren Einfluss einschränken wollte. Bis 1257 führte nun dessen Stiefmutter Schadschar ad-Dur als Regentin die Regierung, wobei sie den Mamlukenführer Aybak heiratete. Dieser erhob sich als al-Malik al-Muizz 1252 zum Sultan, beendete die Dynastie der Ayyubiden in Ägypten und begründete das Mamlukenreich (1252–1517).
Seitenlinien der Ayyubiden herrschten in Damaskus und Aleppo noch bis 1260, in Homs bis 1262 und in Hama bis 1341. Daneben gab es auch noch ayyubidische Herrscher in Hasankeyf (Hisn Keyfa), die dort bis in das 15. Jahrhundert ansässig blieben und erst von den Aq Qoyunlu beseitigt wurden.
Im Gegensatz zu den Fatimiden und den folgenden Mamluken regierten die Ayyubiden keinen Zentralstaat. Vielmehr wurden die Söhne des Herrschers und andere Seitenzweige der Dynastie an der Verwaltung des Reiches beteiligt. Dies führte allerdings nach dem Tod eines Herrschers immer wieder zu Kämpfen um die Einheit des Gesamtreichs.
Architektur
Die Architektur der Ayyubidenzeit ist geprägt von alten regionalen künstlerischen Traditionen, vermischt mit Stilelementen iranischen Ursprungs und den weitreichenden Erfahrungen, die man der Kreuzfahrer-Architektur entlehnt hat.
Die letztgenannte Komponente spiegelt sich eindrücklich in der militärischen Zwecken dienenden Baukunst, wie dem hervorragendsten Werk, der Zitadelle von Aleppo. Die besondere Baukunst äußert sich durch einen großen, nackten und scharfkantigen – in den Hang zurückgesetzten – Baukörper, durch welchen ein mächtiger Torbogen Zugang zur Zitadelle bietet. Über eine Brücke findet dieses Monument Anschluss an den Haupteingang, einen Vorbau mit Treppe.
Bedeutend ist auch die – durch die orthodox religiöse Einstellung des Saladin – vorangetriebene Errichtung zahlreicher religiöser Stiftungen, wie Medresen, verteilt auf Städte wie Aleppo, Damaskus und das ägyptische Kairo. Beispiele sind die al-Zahiriyya-, die Firdaus- und die al-Salihiyya-Medresen.
Die ayyubidische Architektur konzentrierte sich außerdem auf Außengestaltungen, wie Toranlagen (Portale) und Außendekorationen (Nischen als Gliederungselemente, Stalaktitenmotive (Muqarnas) und polychrome Steinkompositionen).[2]
Herrscher der Ayyubiden
Herrscher in Ägypten
- 1171–1193: an-Nasir Yusuf (Saladin)
- 1193–1198: al-Aziz Uthman, dessen Sohn
- 1198–1200: al-Mansur Muhammad I., dessen Sohn
- 1200–1218: al-Adil Abu Bakr I. (Saphadin), Bruder Saladins
- 1218–1238: al-Kamil Muhammad I., dessen Sohn
- 1238–1240: al-Adil Abu Bakr II., dessen Sohn
- 1240–1249: as-Salih Ayyub, dessen Halbbruder
- 1249–1250: al-Muʿazzam Turan Schah, dessen Sohn
- 1250–1254: al-Aschraf Musa, Urenkel von al-Kamil Muhammad I.
Herrscher in Damaskus
- 1174–1193: an-Nasir Yusuf (Saladin)
- 1193–1196: al-Afdal Nur, dessen Sohn
- 1196–1218: al-Adil Abu Bakr I. (Saphadin), Bruder Saladins
- 1218–1227: al-Muʿazzam ʿĪsā, dessen Sohn
- 1227–1229: an-Nasir Dawud, dessen Sohn
- 1229–1237: al-Aschraf Musa, dessen Onkel
- 1237–1237: as-Salih Ismail, dessen Bruder
- 1237–1238: al-Kamil Muhammad I., dessen Bruder
- 1238–1238: al-Adil Abu Bakr II., dessen Sohn
- 1238–1239: as-Salih Ayyub, dessen Halbbruder
- 1239–1245: as-Salih Ismail (2. Mal)
- 1245–1249: as-Salih Ayyub (2. Mal)
- 1249–1250: al-Muʿazzam Turan Schah, dessen Sohn
- 1250–1260: an-Nasir Yusuf, Urenkel Saladins
Emire in Aleppo
- 1183–1186: al-Adil Abu Bakr I. (Saphadin), Bruder Saladins
- 1186–1216: as-Zahir Ghazi, Sohn Saladins
- 1216–1236: al-Aziz Muhammad, dessen Sohn
- 1236–1260: an-Nasir Yusuf, dessen Sohn
Emire in Hama
- 1178–1191: al-Muzaffar Umar I., Neffe Saladins
- 1191–1221: al-Mansur Muhammad I., dessen Sohn
- 1221–1229: an-Nasir Kilidsch Arslan, dessen Sohn
- 1229–1244: al-Muzaffar Mahmud, dessen Bruder
- 1244–1284: al-Mansur Muhammad II., dessen Sohn
- 1284–1299: al-Muzaffar Umar II., dessen Sohn
- 1310–1331: al-Mu'ayyad Abu l-Fida (Chronist), Enkel von al-Muzaffar Mahmud
- 1331–1334: al-Afdal Muhammad III., dessen Sohn
Emire in Homs
- 1164–1169: Asad ad-Din Schirkuh I., Onkel Saladins
- 1178–1186: Nasir ad-Din Muhammad, dessen Sohn
- 1186–1240: al-Mudschahid Schirkuh II., dessen Sohn
- 1240–1246: al-Mansur Ibrahim, dessen Sohn
- 1246–1248: al-Aschraf Musa, dessen Sohn
- 1248–1260: an-Nasir Yusuf, Urenkel Saladins
- 1248–1263: al-Aschraf Musa (2. Mal)
Emire in Karak
- 1188–1218: al-Adil Abu Bakr I. (Saphadin), Bruder von Saladin
- 1218–1227: al-Muʿazzam ʿĪsā, dessen Sohn
- 1227–1248: an-Nasir Dawud, dessen Sohn
- 1250–1263: al-Mughīth ʿUmar, Sohn von al-Adil Abu Bakr II.
Emire in Jemen siehe dazu: Ayyubiden (Jemen)
- 1173–1179: al-Muʿazzam Turan Schah, Bruder von Saladin
- 1179–1197: al-Aziz Tughtegin, dessen Bruder
- 1197–1202: al-Mu'izz Ismail, dessen Sohn
- 1202–1214: an-Nasir Ayyub, dessen Bruder
- 1214–1215: al-Muzaffar Sulaiman, Urgroßneffe Saladins
- 1215–1229: al-Mas'ud Yusuf, Sohn von al-Kamil Muhammad I.
Emire in al-Dschazira siehe dazu: Ortoqiden
- 1185–1193: an-Nasir Yusuf (Saladin)
- 1193–1200: al-Adil Abu Bakr I. (Saphadin), dessen Bruder
- 1200–1210: al-Wahad Ayyub, dessen Sohn
- 1210–1220: al-Aschraf Musa, dessen Bruder
- 1220–1247: al-Muzaffar Ghazi, dessen Bruder
- 1247–1260: al-Kamil Muhammad, dessen Sohn
Emire in Hisn Keyfa
- 1232–1239: as-Salih Ayyub, Sohn von al-Kamil Muhammad I.
- 1239–1249: al-Muʿazzam Turan Schah, dessen Sohn
(nicht komplett)
Stammbaum (Auszug)
Als Sultane von Ägypten amtierende Personen sind fett unterlegt.
Trivia
Die in der Türkei lebenden Ayyubiden tragen heute den Familiennamen Eyüboğlu (Ayyubs Sohn).
Siehe auch
Literatur
- Ulrich Haarmann: Geschichte der Arabischen Welt. Herausgegeben von Heinz Halm. 5. Auflage. C. H. Beck, München 2004, ISBN 3-406-47486-1 (Beck’s historische Bibliothek).
- Peter Malcolm Holt: The age of the Crusades. The Near East from the eleventh century to 1517. 7. Auflage. Longman, London u. a. 1996, ISBN 0-582-49303-X (History of the Near East).
- Richard Stephen Humphreys: From Saladin to the Mongols. The Ayyubids of Damascus, 1193–1260. State University of New York Press, Albany, 1977, ISBN 0-87395-263-4.
- Giuseppe Ligato: La croce in catene. Prigionieri e ostaggi cristiani nelle guerre di Saladino. 1169–1193. Fondazione Centro Italiano di Studi sull’Alto Medioevo, Spoleto 2005, ISBN 88-7988-092-6 (Istituzioni e società 5).
- Henri Massé: ʿImâd ad-Dîn al-Iṣfahânî (519–597 / 1125–1201). Conquête de la Syrie et de la Palestine par Saladin (al-Fatḥ al-qussî fî l-fatḥ al-Qudsî). Paul Geuthner, Paris 1972 (Documents relatifs à l’Histoire des Croisades publiés par l’Académie des Inscriptions et Belles-Lettres 10, ZDB-ID 764458-9).
- Umberto Scerrato: Islam – Monumente Großer Kulturen. 1972 (Lizenzausgabe).
- Kenneth M. Setton (Hrsg.): A History of the Crusades. Band 2: The later Crusades, 1189–1311. Kapitel 20: The Aiyubids. University of Wisconsin Press, Madison 1969, S. 693–714 (digicoll.library.wisc.edu).
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ Richard Stephen Humphreys: Ayyubids. In: Encyclopædia Iranica. Band 3, 18. August 2011, S. 164–167, abgerufen am 18. Oktober 2019 (englisch).
V. Minorsky: Studies in Caucasian History: I. New Light on the Shaddadids of Ganja II. The Shaddadids of Ani III. Prehistory of Saladin In: Cambridge Oriental Series, Band 6 (CUP Archive, 1953) - ↑ Umberto Scerrato: Islam – Monumente Großer Kulturen, S. 86–89.