

Der Dietkirchener Hof (auch Alter Fronhof[1]) ist eine Hofanlage in Urfeld, einem Ortsteil der Stadt Wesseling im nordrhein-westfälischen Rhein-Erft-Kreis. Sie befindet sich oberhalb des Rheinufers an der Rheinstraße (Hausnummern 161–165) am nördlichen Ende des Ortsteils. Die Hofanlage mit einem Herrenhaus aus dem Jahre 1872 steht als Baudenkmal unter Denkmalschutz.[2]
Geschichte
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Der Dietkirchener Hof war ursprünglich ein Fronhof des Klosters und späteren Stiftes Dietkirchen in Bonn. Urkundlich in Erscheinung trat er erstmals im hohen Mittelalter (datiert 1113). Im 18. Jahrhundert entstand mit dem Wirtschaftsgebäude der älteste erhaltene Teil der Hofanlage, 1872 wurde zum Rheinufer hin das Herrenhaus (Rheinstraße 161) errichtet.
Von 1933 bis 1938/39 war der Dietkirchener Hof als Kibbuz ein Hachschara-Zentrum zurr Vorbereitung jüdischer Jugendlicher auf die Auswanderung nach Palästina. Es trug den Namen Kibbuz Bamaaleh („Bamaaleh“=im Aufstieg), befand sich in Trägerschaft des zionistischen Weltverbands Hechaluz und wurde von dem jüdischen Textilfabrikanten Arthur Stern[3] – ursprünglich gemeinsam mit der Reichsregierung – finanziert. Hier wohnten und arbeiteten etwa 50–70 Jugendliche – bis Anfang 1938 über 18-Jährige, anschließend 15–17-Jährige – die in benachbarten Bauernhöfen landwirtschaftliche und handwerkliche Kenntnisse erwarben.[4][5][6] Am 10. November 1938, dem Tag nach der Reichspogromnacht, wurde der Kibbuz von SA-Männern angegriffen und verwüstet. Die Bewohner mussten danach eine Art Spießrutenlauf durch die auf sie einschlagenden SA-Schergen absolvieren, wobei sich eine Bewohnerin, Daisy Gronowski, wehrte, einem SA-Mann das Messer entrang und ihm damit einen Stoß versetzte, der ihn ohnmächtig werden ließ.[7]
Nach dem Zweiten Weltkrieg erwarb die Gemeinde den Dietkirchener Hof[8], und bis zum 1. April 1951 richtete hier das Königreich der Niederlande die Residenz seiner Botschaft, den Wohnsitz des Botschafters in der Bundesrepublik Deutschland am Regierungssitz Bonn, ein.[9] Nachdem die Residenz 1967/68 nach Bonn verlegt worden war, diente die Hofanlage der Botschaft des Königreichs Schweden als Residenz.[10] Im Zuge der Verlegung des Regierungssitzes zog die schwedische Botschaft 1999 nach Berlin um, die offizielle Verabschiedung in der Residenz fand am 7. Juni statt.[11] Anschließend wurde der Dietkirchener Hof von 2000 bis 2002 umfassend saniert, das Herrenhaus sowie Remise und Torhaus wurden dabei in Eigentumswohnungen aufgeteilt.[12]
Die Eintragung der Hofanlage in die Denkmalliste der Stadt Wesseling erfolgte am 22. Dezember 1988. An der Hauswand des Gebäudes Rheinstraße 165 ist ein Wegekreuz eingelassen, das ebenfalls als Baudenkmal unter Denkmalschutz steht.[13] Zu dem Hof gehört auch eine umfangreiche Parkanlage (etwa 0,4 Hektar), die teilweise unter Landschaftsschutz steht.[12]
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Wolfgang Drösser: Vom Leben der Juden in Wesseling. Eine Dokumentation über 600 Jahre Geschichte. In: Blätter zur Geschichte der Stadt Wesseling VI, Verein für Orts- und Heimatkunde Wesseling e. V. 2004, S. 37ff.
- Hilda Ortiz Lunscken (Hrsg.); Hilda Ortiz Lunscken, Ingeborg Fischer-Dieskau (Fotos: Martin Krockauer): Pour Memoire. To Remind. Zur Erinnerung – Botschafterresidenzen am Rhein. Ortiz-Lunscken Publishers, Bonn 1999, ISBN 3-9806801-0-X, S. 72–75.
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Auswärtiges Amt (Hrsg.): Liste der diplomatischen Missionen in der Bundesrepublik Deutschland, Stand: März 1992
- ↑ Denkmalliste der Stadt Wesseling, Nummer A 72
- ↑ https://www1.wdr.de/urfeld100.html
- ↑ Bruno Fischer: Köln und Umgebung 1933-1945: Der historische Reiseführer, Ch. Links Verlag 2012, S. 88
- ↑ Dietkirchener Hof ( vom 28. Juli 2018 im Internet Archive), Stadt Wesseling
- ↑ Elfi Pracht-Jörns: Jüdische Lebenswelten im Rheinland: Kommentierte Quellen von der Frühen Neuzeit bis zur Gegenwart. Böhlau Verlag, Köln 2011, S. 272
- ↑ Klaus Hillenbrand: Jüdischer Widerstand gegen die Nazis: Das Mädchen, der SA-Mann und das Messer. In: Die Tageszeitung: taz. 20. April 2025, ISSN 0931-9085 (taz.de [abgerufen am 21. April 2025]).
- ↑ Wolfgang Drösser: Wesseling: Berzdorf, Keldenich, Urfeld : Geschichte : Bilder, Fakten, Zusammenhänge, Verein für Orts- und Heimatkunde, 2008, S. 160.
- ↑ Stadt Bonn, Stadtarchiv (Hrsg.); Helmut Vogt: „Der Herr Minister wohnt in einem Dienstwagen auf Gleis 4“: Die Anfänge des Bundes in Bonn 1949/50, Bonn 1999, ISBN 3-922832-21-0, S. 224.
- ↑ Auswärtiges Amt (Hrsg.): Liste des diplomatischen Korps in Bonn (Stand: Juni 1966, Dezember 1968)
- ↑ Notizen aus dem Regierungsviertel, General-Anzeiger, Bonner Stadtausgabe, 22. Mai 1999, S. 6.
- ↑ a b Daten zum Dietkirchener Hof ( vom 8. März 2014 im Internet Archive), Henn ImmobilienKöln
- ↑ Denkmalliste der Stadt Wesseling, Nummer A 73
Koordinaten: 50° 48′ 32,5″ N, 7° 1′ 36,1″ O
- Gutshof in Nordrhein-Westfalen
- Herrenhaus in Nordrhein-Westfalen
- Baudenkmal in Wesseling
- Botschaft am Regierungssitz Bonn
- Residenz einer Botschaft
- Deutsch-niederländische Beziehungen
- Deutsch-schwedische Beziehungen
- Unternehmen (Rhein-Erft-Kreis)
- Organisation (Wesseling)
- Bauwerk in Wesseling
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- Behörde (Nordrhein-Westfalen)
- Niederländische Botschaft