Koordinaten: 41° 41′ 11″ N, 74° 40′ 57″ W
Borscht Belt (deutsch: Borschtsch-Gürtel) ist ein umgangssprachlicher Begriff für die Feriengebiete von New Yorker Juden in den Catskill Mountains (Upstate New York) während der 1920er bis 1970er Jahre.[1] Alternative Namen für diese Gegend waren Jiddische Alpen[2] und Solomon County[3] als Verballhornung von Sullivan County.
Geschichte
Nach dem Aufbau des Eisenbahnnetzes, insbesondere die Ontario and Western und die Ulster and Delaware Railroad, zog das Gebiet der Catskill Mountains wegen der Schönheit der Landschaft, die die Maler der amerikanischen Romantik beeindruckte, sowie der zunehmenden Beliebtheit des Fliegenfischens in den forellenreichen Bergflüssen im ausgehenden 19. Jahrhundert erste Reisegäste an.[4]
Ab dem frühen 20. Jahrhundert entwickelte sich im Sullivan County sowie Teilen des benachbarten Ulster County der Borscht Belt als Touristenziel für jüdische New Yorker.[5] Weil im New Yorker Umland viele Hotels jüdische Gäste ablehnten (diese Diskriminierung wurde erst durch die Bürgerrechtsreformen Mitte der 60er Jahre korrigiert) entwickelte sich in den südlichen Catskill Mountains ein Angebot speziell für diese Klientel inkl. koscheren Essens.[6] Der Begriff Borscht Belt wurde vom Variety-Herausgeber Abel Green geprägt.[7]
Die Borscht-Belt-Hotels, Bungalow-Siedlungen und Kuchaleyns (jiddisch für ‚Koch-allein‘, Zimmer mit Selbstversorgung in Gemeinschaftsküchen)[8] wurden von jüdischen Emigranten aus Osteuropa sowie deren Kindern und Enkeln genutzt, die sich in New York City niedergelassen hatten und im heißen Hochsommer in den kühleren Bergen den Sommerurlaub verbrachten. Das von New York City ca. 150 km entfernte Feriengebiet wurde anfangs per Eisenbahn erreicht, später mit Bussen und per Auto – dann ca. 2 h Fahrt. Oft blieben Frauen mit ihren Kindern den ganzen Sommer und die Männer pendelten am Wochenende.[8]
Einige der Hotels waren ursprünglich Farmen immigrierter Juden vom Anfang des 20. Jahrhunderts, die sich zu Pensionen wandelten und dann zu Hotelkomplexen anwuchsen. Typisch war etwa das Overlook, das bis in die 1960er Jahre von der Familie Schrier in der Nähe von Bloomingburg betrieben wurde und während der Sommermonate Unterhaltung und Unterkunft in einem Hauptgebäude, einem Nebenhaus mit 5 Wohneinheiten und ca. 50 Bungalows bot.[4] Bekannte Hotelanlagen waren Brickman’s, Brown’s, Concord Resort Hotel, Friar Tuck Inn, Grossinger’s, Granit, Kutsher’s Hotel and Country Club, Nevele Grand Hotel, Raleigh Hotel, Shawanga Lodge, The Pines Resort und Windsor. Zu Hochzeiten bestanden über 500 Hotels und 50.000 Bungalows in der Region.[9] Das All-inclusive-Konzept der Resorts wurde hier entwickelt,[10] inklusive abendlicher Unterhaltungsshows für die Gäste.[11]
Trotz des Straßenausbaus der New York State Route 17 zum Interstate Highway verlor die Gegend als Reiseziel ab den 1970ern an Bedeutung. Aufgrund des günstigen Luftverkehrs ist heute ein Aufenthalt in den Catskills für New Yorker genauso teuer wie eine Reise nach Hawaii oder in die Karibik. Zurück blieben verlassene oder zerfallende Touristikziele aus der Blütezeit des Borscht Belt.[9]
Unter dem Titel Rise and Fall of the Borscht Belt wurde 1986 ein Dokumentarfilm von Peter Davis veröffentlicht.[12]
Trivia
Der Borscht-Belt wurde in Deutschland durch den Tanzfilm Dirty Dancing bekannt, der in der Blütezeit des Borscht Belt in einem gehobenen Resort spielt. Die Handlung wurde von den Erfahrungen der Drehbuchautorin Eleanor Bergstein inspiriert, die sie als Teenager im Feriensommer bei Grossinger's erlebte.[13] Im selben Jahr, 1987, kam auch der Film Sommer unserer Träume (Sweet Lorraine im engl. Original) mit Maureen Stapleton in die Kinos, der im Heiden Hotel in South Fallsburg gedreht wurde. Das Hotel wurde im Mai 2008 durch ein Feuer zerstört, als es bereits keine Gäste mehr beherbergte.[14] Im Comicroman Maus – Die Geschichte eines Überlebenden verbringt Wladek, der Vater von Art Spiegelman, den Sommer in einer Bungalowsiedlung in den Catskills und besucht mit seinem Sohn das nahe gelegene The Pines Resort.[15]
Die Tradition der Borscht-Belt-Unterhaltung führte zur Etablierung jüdisch-amerikanischen Humors im Mainstream.[16]
Im Laufe der Zeit wurden viele Komiker und Schauspieler hier erstmals bekannt, beispielsweise
Das bekannteste Kulturereignis der Gegend war, wenngleich auch ohne Bezug zum Borscht-Belt, 1969 das Woodstock-Festival auf dem Gelände des jüdischen Farmers Max Yasgur in Bethel.
Heute
Die Region ist heute Aufenthaltsort vieler orthodoxer New Yorker Stadt-Juden in ihren Ferienhäusern und Bungalowsiedlungen (darunter viele historische) während des Sommers sowie auch als Dauercamper. Es existiert sogar ein ganzjähriger Ableger des jüdisch-orthodoxen Ärztlichen Notdienstes Hatzalah.
Literatur
- Stephen J. Whitfield: Borscht Belt. In: Dan Diner (Hrsg.): Enzyklopädie jüdischer Geschichte und Kultur (EJGK). Band 1: A–Cl. Metzler, Stuttgart/Weimar 2011, ISBN 978-3-476-02501-2, S. 390–392.
- Schlock und Wunder im Borscht Belt. In: Aufbau. Das jüdische Monatsmagazin, 7. Jahrgang Nr. 7. vom 1. Juli 2007
- Irwin Richman: Borscht Belt Bungalows: Memoirs Of Catskill Summers. Temple University Press, Philadelphia 1998, ISBN 1-56639-585-2.
- Tova gd Sabin: Borscht Belt . In: St. James Encyclopedia of Pop Culture online
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ The Borscht Belt – Historic Marker Text. Borscht Belt Historical Marker Project, abgerufen am 21. April 2024 (englisch): „From the 1920s through the early 1970s, the Borscht Belt was the preeminent summer resort destination for hundreds of thousands of predominantly east coast American Jews. The exclusion of the Jewish community from existing establishments in the 1920s drove Jewish entrepreneurs to create over 500 resorts, 50,000 bungalows and 1,000 rooming houses in Sullivan County and parts of Ulster County.“
- ↑ The story of a song: „Bei Mir Bist Du Schön“ now heads bestsellers. In: LIFE. Time Inc., 31. Januar 1938, ISSN 0024-3019, S. 39 (englisch, google.de [abgerufen am 21. April 2024]): “The Grossinger Hotel is on the fringe of the Catskills, known as the 'Yiddish Alps' or the 'borscht belt'.”
- ↑ David Levine: History: Borscht Belt Hotels and Catskills Bungalow Colonies. In: Hudson Valley Magazine. Today Media, 23. Juli 2014, abgerufen am 21. April 2024 (englisch): „For your parents and grandparents, the Catskills from the 1920s through the 1970s was the Borscht Belt, the Jewish Alps, “Solomon” County, the summer place to be if you were Jewish.“
- ↑ a b Stanley Turkel: Nobody Asked Me, But… No. 217, Hotel History: Catskill Mountain Resort Hotels. In: Hospitality Net. Hsyndicate, 1. August 2019, abgerufen am 21. April 2024 (englisch): „The area had attracted tourists since the post-Civil War years because of its visual appeal and accessibility via two railroad lines, the Ontario & Western and the Ulster & Delaware.“
- ↑ Marilyn Shapiro: Revisiting the Catskills from the staffs' perspective. In: Heritage Florida Jewish News. Heritage Florida Jewish News, 22. Februar 2019, abgerufen am 15. April 2024: „Map of Hotels and Bungalow colonies in The Borscht Belt“
- ↑ The Museum. Borscht Belt Museum, abgerufen am 15. April 2024: „The Borscht Belt was born out of bigotry. At the turn of the 20th century, hotel advertisements in the region often used phrases like “No Hebrews Allowed” and “Gentiles Only” to keep out Jewish patrons.“
- ↑ Stanley Karnow: Goodbye to the Borscht Belt. In: Washington Post. 18. Januar 1990, abgerufen am 15. April 2024: „But Abel Green, the editor of Variety, reputedly coined the term Borscht Belt -- and so it remains.“
- ↑ a b Susanne Kippenberger: Catskill Mountains: Alles Bingo! In: Gesellschaft. Der Tagesspiegel, 17. August 2007, abgerufen am 16. April 2024: „Die Catskills konnte sich fast jeder leisten, der Ferienbetrieb beruhte auf einem Dreiklassensystem. Auf der untersten Stufe standen die kuchaleyns, schlichte Unterkünfte, in denen die Gäste, wie der Name schon sagt, selber in einer großen Gemeinschaftsküche kochten. Dann kamen die Feriensiedlungen mit kleinen Bungalows; und schließlich die Hotels, die oft als bescheidene Pensionen begonnen hatten und dann zu riesigen Ferienanlagen anschwollen.“
- ↑ a b Marisa Scheinfeld, Stefan Kanfer, Jenna Weissman Joselit: The Borscht Belt: Revisiting the Remains of America’s Jewish Vacationland. Cornell University Press, Ithaca 2016, ISBN 978-1-5017-0059-0 (The Borscht Belt, which features essays by Stefan Kanfer and Jenna Weissman Joselit, presents Marisa Scheinfeld’s photographs of abandoned sites where resorts, hotels, and bungalow colonies once boomed in the Catskill Mountain region of upstate New York.).
- ↑ David Fagin: "Welcome to Kutsher's": A Catskills Documentary and the End of an Era. In: Huffpost. BuzzFeed, 5. September 2012, abgerufen am 18. April 2024: „It was not only the birthplace of the „all-inclusive“ vacation but of American stand-up comedy, as well.“
- ↑ Barry Mitchell: Memories of the Catskills -- Part 3 of 4 auf YouTube, 14. März 2009, abgerufen am 18. April 2024 (englisch; with Joel Siegel, WABC-TC, New York, May, 1992).
- ↑ Rise and Fall of the Borscht Belt – Dokumentation über den Borscht Belt, Regie und Produktion von Peter Davis, 1986
- ↑ Liam Stack: Catskills Hotel That Inspired ‘Dirty Dancing’ Suffers Devastating Fire. In: The New York Times. 17. August 2022, abgerufen am 21. April 2024 (englisch): „Eleanor Bergstein, the screenwriter of “Dirty Dancing,” has spoken frequently in interviews of her childhood vacations to Grossinger’s and the impact they had on the film“
- ↑ Overnight Fire Destroys Heiden Hotel of 'Sweet Lorraine' fame. In: Times Herald-Record. 18. Mai 2008, abgerufen am 21. April 2024 (englisch): „The Heiden was featured in the 1987 film “Sweet Lorraine” about a struggling Catskill’s hotel starring Maureen Stapleton.“
- ↑ Robert Storr: Projects 32: Art Spiegelman. In: The Elaine Dannheisser Projects Series. Museum of Modern Art, 17. Dezember 1991, abgerufen am 21. April 2024 (englisch): „MAUS and MAUS II follow the tribulations of Vladek Spiegelman from the ghetto to Auschwitz to the Catskills.“
- ↑ Michele Herrmann: The Borscht Belt Was a Haven for Generations of Jewish Americans. In: Smithsonian Magazine. Smithsonian Institution, 18. September 2023, abgerufen am 16. April 2024: „“This became a really important proving ground for them,” says Jacobs, adding that comedians were able to do multiple shows a night. […] Crowds could be tough, so that helped comics improve their sets; if they were doing well, the audience’s reaction showed it.“