Armin von Gerkan (* 30. November 1884 in Subbath, (Kurland), Russisches Kaiserreich; â 22. Dezember 1969 in Garstedt) war ein deutsch-baltischer Bauforscher und Klassischer ArchĂ€ologe.
Leben und Bedeutung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Armin von Gerkan entstammte einer deutsch-baltischen Adelsfamilie, zu deren bekannten Vertretern auch der deutsche Architekt Meinhard von Gerkan gehörte. Nach dem Studium der Architektur in Riga und Dresden nahm er von 1908 bis 1914 an den Ausgrabungen des Deutschen ArchĂ€ologischen Instituts unter Theodor Wiegand (1864â1936) in Kleinasien (Milet, Didyma, Priene und Samos) teil. Im Ersten Weltkrieg war er â da noch russischer Staatsangehöriger â als Offizier im Kaukasus eingesetzt. 1919 beteiligte er sich in der Baltischen Landeswehr am Feldzug zur Befreiung des Baltikums von der Roten Armee. Nach EinbĂŒrgerung in Deutschland studierte er in Greifswald Klassische ArchĂ€ologie und wurde 1921 Dr.-Ing. und 1922 Dr. phil. Seine Habilitation erfolgte 1923. Sein Schwiegervater war der Christliche ArchĂ€ologe und Kirchenhistoriker Victor Schultze (1851â1937).
1924 wurde von Gerkan Zweiter Direktor des Deutschen ArchĂ€ologischen Instituts in Rom, 1938 dort Erster Direktor. Zum 1. November 1933 trat er der NSDAP bei (Mitgliedsnummer 3.391.595).[1][2] Seine 1936 vorgesehene Einsetzung als Erster Direktor des Instituts in Athen scheiterte, da der damalige dortige Zweite Direktor, Walther Wrede, ein hochrangiger FunktionĂ€r der NSDAP/AO, der die Stelle selbst anstrebte, unter Beteiligung der Filmregisseurin Leni Riefenstahl ĂŒber Goebbels und Hitler die Ernennung hintertrieb.[3] 1937 wurde von Gerkan Honorarprofessor in Berlin. Der Schwerpunkt seines Wirkens hatte die römische Architektur und Topographie zum Gegenstand. Doch fĂŒhrte ihn seine Arbeit auch zu Forschungsaufenthalten in Baalbek und Palmyra (Syrien), Dura Europos (Mesopotamien), Ăgypten, Olympia und Epidauros. Im August und September 1944 leitete er zusammen mit dem Berufskollegen Jan Willem Crous die Einlagerung von 1500 Kisten mit BestĂ€nden aus dem DAI Rom im Bergungsort Salzbergwerk Altaussee im Ausseerland. Nach Kriegsende hatte er eine Gastprofessur in Bonn inne. 1953 wurde er zum korrespondierenden Mitglied der Göttinger Akademie der Wissenschaften gewĂ€hlt.[4]
Nachdem zuvor Wilhelm Dörpfeld (1853â1940) und Robert Koldewey (1855â1925) Wegbereiter fĂŒr die archĂ€ologische Bauforschung waren, setzte Armin von Gerkan sich zeitlebens dafĂŒr ein, dass dieser Forschungsbereich als besonderes und vollberechtigtes Fach innerhalb der Altertumswissenschaft anerkannt wurde. Wie kein anderer hat er die theoretischen Grundlagen des Faches, seine Aufgaben und Wirkungsmöglichkeiten sowie die sich daraus ergebenden Notwendigkeiten intensiv durchdacht. Als Erster hat er unter dem Begriff der Bauforschung das Studium der antiken Architektur durch den historisch geschulten Architekten verstanden, der ĂŒber das RĂŒstzeug nicht nur fĂŒr eine exakte Bauaufnahme, sondern auch fĂŒr das technische und konstruktive VerstĂ€ndnis der antiken Bauwerke â einschlieĂlich des StĂ€dte- und Hafenbaus â verfĂŒgte. Von Gerkan war es auch, der 1926 den AnstoĂ zur GrĂŒndung der Koldewey-Gesellschaft als der Organisation der Architekten-Bauforscher gab. Er sah sich allerdings bei seinem Wirken manchen WiderstĂ€nden gegenĂŒber, denn die damalige ArchĂ€ologie war bei ihrer AusgrabungstĂ€tigkeit ĂŒberwiegend noch von den musealen Interessen an Funden möglichst spektakulĂ€rer AusstellungsstĂŒcke bestimmt. Von Gerkan forderte demgegenĂŒber als Ausgrabungsziel die wissenschaftliche Erforschung der antiken StĂ€tten und Monumente, dies immer im Kontext der mit den DenkmĂ€lern verbundenen Fakten der antiken Geschichte und Kultur. Heute hat sich seine Sicht in der archĂ€ologischen Forschung weithin durchgesetzt.

Es ĂŒberrascht nicht, dass das kritische und methodische Arbeitskonzept von Gerkans ihn in Opposition zu der verbreiteten Auffassung brachte, in den Fundamenten des Petersdoms in Rom sei das Grab des Apostels Petrus gefunden worden. In seinen Untersuchungen kam er vielmehr zu dem Ergebnis, dass ein solcher Nachweis nicht erbracht sei und dass die Wissenschaft dem frommen Wunsch nach Lokalisierung des Grabes keine UnterstĂŒtzung geben könne.
Kritisch Ă€uĂerte von Gerkan sich auch zu der Vorstellung, das antike Rom sei bereits eine Millionenstadt gewesen; diese Annahme sei bei BerĂŒcksichtigung der damaligen stĂ€dtischen Bebauung nicht gerechtfertigt.
Aus der Ehe von Gerkans mit der Tochter Victor Schultzes sind zwei Söhne hervorgegangen, von denen der eine Vorsitzender Richter am Hanseatischen Oberlandesgericht und der andere HĂŒtteningenieur wurde.
Das Grab von Gerkans befindet sich auf dem Friedhof in Reinbek.
Ehrungen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- 1954 wurde ihm von der TH Karlsruhe der Titel eines Dr.-Ing. E. h. verliehen.
- 1962 wurde ihm der Titel eines D. theol. h. c. verliehen.
- 1959 erhielt er das GroĂe Bundesverdienstkreuz.
Schriften (Auswahl)
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Das Theater von Priene. Verlag fĂŒr praktische Kunstwissenschaft, MĂŒnchen 1921.
- Griechische StÀdteanlagen. Walter de Gruyter, Berlin 1924.
- Armin von Gerkan: Die gegenwĂ€rtige Lage der ArchĂ€ologischen Bauforschung in Deutschland. Koldewey-Gesellschaft, Vereinigung fĂŒr baugeschichtliche Forschung e. V., 1924, abgerufen am 1. Februar 2016.
- mit Fritz Krischen: Milet. Band 1,9: Thermen und Palaestren. Hans Schoetz & Co., Berlin 1928.
- mit Hans Peter LâOrange: Der spĂ€tantike Bilderschmuck am Konstantinsbogen. Walter de Gruyter, Berlin 1939.
- Von antiker Architektur und Topographie. Gesammelte AufsĂ€tze. W. Kohlhammer, Stuttgart 1959 [hier S. 459â463 Bibliographie].
- mit Wolfgang MĂŒller-Wiener: Das Theater von Epidauros. W. Kohlhammer, Stuttgart 1961.
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Friedrich Wilhelm Deichmann: Armin von Gerkan, 1884â1969. Biographie und Bibliographie. In: Römische Mitteilungen. Band 77, 1970, S. VIIâXVIII.
- Thomas Fröhlich: Armin von Gerkan (1884â1969). In: Gunnar Brands, Martin Maischberger (Hrsg.): Lebensbilder. Klassische ArchĂ€ologen und der Nationalsozialismus (= Menschen â Kulturen â Traditionen. Studien aus den Forschungsclustern des Deutschen ArchĂ€ologischen Instituts. Band 2, Teil 1). Verlag Marie Leidorf, Rahden 2012, ISBN 978-3-86757-382-5, S. 91â106 (online auf academia.edu).
- Thomas Fröhlich: Gerkan, Armin von. In: Peter Kuhlmann, Helmuth Schneider (Hrsg.): Geschichte der Altertumswissenschaften. Biographisches Lexikon (= Der Neue Pauly. Supplemente. Band 6). Metzler, Stuttgart/Weimar 2012, ISBN 978-3-476-02033-8, Sp. 455â457.
- Rudolf Naumann: Armin von Gerkan â . In: Gnomon. Band 43, 1971, S. 841â842.
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Literatur von und ĂŒber Armin von Gerkan im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Baltische Historische Kommission (Hrsg.): Eintrag zu Gerkan, Armin v.. In: BBLD â Baltisches biografisches Lexikon digital
- Eintrag im Dictionary of Art Historians
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- â Bundesarchiv R 9361-IX KARTEI/10760445.
- â Klaus Junker: Das ArchĂ€ologische Institut des deutschen Reiches zwischen Forschung und Politik. Die Jahre 1929 bis 1945. von Zabern, Mainz 1997, ISBN 3-8053-2339-5, S. 38
- â Vgl. Mitteilungen des Deutschen ArchĂ€ologischen Instituts, Roemische Abteilung. Bd. 77, 1970, S. VII, X.
- â Holger Krahnke: Die Mitglieder der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen 1751â2001 (= Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen, Philologisch-Historische Klasse. Folge 3, Bd. 246 = Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften in Göttingen, Mathematisch-Physikalische Klasse. Folge 3, Bd. 50). Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2001, ISBN 3-525-82516-1, S. 91.
| Personendaten | |
|---|---|
| NAME | Gerkan, Armin von |
| KURZBESCHREIBUNG | deutscher ArchÀologe und Bauforscher |
| GEBURTSDATUM | 30. November 1884 |
| GEBURTSORT | Subbath, Kurland |
| STERBEDATUM | 22. Dezember 1969 |
| STERBEORT | Garstedt bei Hamburg |
- Klassischer ArchÀologe
- Bauforscher
- Person im Ersten Weltkrieg (Russisches Kaiserreich)
- Person (Baltische Landeswehr)
- Mitglied des Deutschen ArchÀologischen Instituts
- Mitglied der NiedersÀchsischen Akademie der Wissenschaften zu Göttingen
- Ehrendoktor der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-UniversitÀt Bonn
- Ehrendoktor des Karlsruher Instituts fĂŒr Technologie
- Absolvent der UniversitÀt Greifswald
- NSDAP-Mitglied
- TrĂ€ger des GroĂen Bundesverdienstkreuzes
- Deutsch-Balte
- Deutscher
- Geboren 1884
- Gestorben 1969
- Mann
