Archive von unten, oft auch freie Archive, sind Archive, die zunächst die Geschichte der Arbeiter- und der Frauenbewegung seit dem 19. Jahrhundert und seit Mitte der 1980er Jahre infolge der Neuen Sozialen Bewegungen entstanden und diese Bewegungen dokumentieren.
Geschichte der Archive von unten
Die ersten Bewegungsarchive entstanden in Hamburg, Freiburg im Breisgau, Duisburg, Münster, Berlin und München Mitte bis Ende der 1980er Jahre. Eine zweite Gründungswelle folgte Mitte der 1990er Jahre. Die Archive sind großteils aus Privatinitiativen entstanden, wobei einzelne Personen den Archiven – zumeist Bibliotheken in Infoläden und Autonome Zentren – ihre Materialien überlassen haben. Zentrale Themen waren die Anti-AKW-Bewegung, die Frauenbewegung, die Umweltbewegung, und die Friedensbewegung. Ebenfalls sind viele linksradikale Zeitschriften mit geringer Auflage in den Archiven zu finden.
Die freien Archive vernetzen ihre Bestände in einem digitalen Datennetz namens Dataspace.[1]
Archive von unten im deutschsprachigen Raum
In Deutschland existieren zurzeit mehr als 270 Archive von unten. Hiervon befinden sich die meisten in Berlin.
„Diese Archive verfügen alle, da diese am einfachsten zu archivieren sind, über einen großen Bestand an Zeitschriften sowie einen umfangreichen an Broschüren. Den Großteil macht graue Literatur aus und auch etliche „illegale“ Literatur ist zu finden. Meist verfügen sie auch über Bücher, Flugblätter und Plakate.“
Gerade wegen des Bestandes von „illegaler“ Literatur sind einige Archive immer wieder von Hausdurchsuchungen betroffen gewesen.
Verbund antifaschistischer Archive
Der Verbund antifaschistischer Archive bestehend aus
- der Antifaschistische Informations-, Dokumentations- und Archivstelle München (a.i.d.a.)
- dem Antifaschistischen Bildungszentrum und Archiv Göttingen e. V. (ABAG) – Göttingen
- dem Antifaschistischen Pressearchiv und Bildungszentrum Berlin (apabiz)
- Argumente & Kultur gegen rechts e. V. – Bielefeld
- und der Zeitgeschichtlichen Dokumentationsstelle Marburg e. V. (ZDM)
veröffentlichte im Dezember 2023 unter der Überschrift Zur staatlichen Historisierung rechter Gewalt eine Erklärung und Absage bezüglich einer Kooperation mit dem von der Bundesregierung laut ihrem Koalitionsvertrag geplantem „Archiv zum Rechtsterrorismus“.[3]
Zusammenschluss dreier Berliner Archive
Durch ein am 4. April 2024 im Deutschlandfunk Kultur geführtes Gespräch, wurde der Zusammenschluss des FFBIZ mit dem Spinnboden Lesbenarchiv und Bibliothek e. V. und der Magnus-Hirschfeld-Gesellschaft zu einem Archivzentrum öffentlich bekannt.[4]
Liste bekannter Archive von unten
Zusammenschluss
- Archiv³ Kooperation Dritte Welt Archive[5]
Sortierung nach Postleitzahlen
Dresden
- „Archiv Bürgerbewegung“, in der Umweltbibliothek, 02747 Großhennersdorf, Am Sportplatz 3[6]
Leipzig
- Louise-Otto-Peters-Archiv c/o Louise-Otto-Peters-Gesellschaft e. V., Gerichtsweg 28 (Haus des Buches), 04193 Leipzig
- Infoladen, Koburgerstr. 3, 04277 Leipzig[7]
- Umweltbibliothek, Bernhard-Göringstr. 152, 04277 Leipzig
Jena
- Thüringer Archiv für Zeitgeschichte „Matthias Domaschk“, Camsdorfer Ufer 17 07749 Jena[8]
Berlin
- Antifaschistisches Pressearchiv und Bildungszentrum Berlin, Lausitzer Str. 10, 10999 Berlin
- Archiv der DDR-Opposition, Schliemannstr. 23, 10437 Berlin[9]
- Archiv der Jugendkulturen Fidicinstraße 3 Haus D, 10965 Berlin
- Archiv für Alternativkultur, Mohrenstr. 41, 10117 Berlin[10]
- Archiv Grünes Gedächtnis, Eldenaer Str. 35, 10247 Berlin[11]
- Archiv und Bibliothek Papiertiger, Cuvrystr. 25, 10997 Berlin[12]
- Forschungs- und Dokumentationszentrum Chile-Lateinamerika e. V. FDCL e. V. Im Mehringhof, Aufgang 3, 5. Stock Gneisenaustraße 2a 10961 Berlin[13]
- Frauenforschungs-, -bildungs und -informationszentrum e. V. (FFBIZ), Eldenaerstraße 35 III, 10247 Berlin[14]
- Infoladen Daneben Liebigstr. 34, zuvor Rigaerstr.84 (Gründung 1990) 10247 Berlin-Friedrichshain[15] mit der Räumung der Liebig 34 am 9. Oktober 2020 nur noch virtuell vorhanden
- Schwules Museum, Lützowstraße 73, 10785 Berlin[16]
- Spinnboden Lesbenarchiv & Bibliothek e. V., Anklamer Straße 38, 10115 Berlin[17]
- Umbruch Bildarchiv, Lausitzer Str. 10, 10999 Berlin[18]
Hamburg
- Archiv Aktiv, Sternschanze 1, 20357 Hamburg[19]
- Archiv der sozialen Bewegungen, Schulterblatt 71, 20357 Hamburg[20]
- Hamburger Institut für Sozialforschung, Mittelweg 36, 20148 Hamburg[21]
Oldenburg
- Alhambra-Archiv, Hermannstr. 83, 26135 Oldenburg
Bremen
Kassel
- Archiv, Bibliothek und Forschungszentrum zur Geschichte der deutschen Frauenbewegung, 34127 Kassel Gottschalkstraße 57[24]
Lüchow
- Gorleben-Archiv, Geschichte des wendländischen Widerstandes, 29439 Lüchow, Rosenstraße 17[25]
Marburg
- Feministisches Archiv Marburg in den Räumen des Allgemeinen Studierendenausschusses (AStA) der Philipps-Universität Marburg, 35037 Marburg Erlenring 5 (im AStA-Flur)[26][27]
- Zeitgeschichtliche Dokumentationsstelle Marburg e. V. (ZDM)[28]
Göttingen
Hans-Litten-Archiv 37022 Göttingen
Wuppertal
- Hartmut-Meyer-Archiv (HMA) der VVN-Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten NRW c/o VVN-BdA NRW, Gathe 55, 42107 Wuppertal[29]
Oberhausen
- Projekt Archiv, c/o Druckluft, Am Förderturm 27, 46049 Oberhausen[30]
Duisburg
- Archiv für alternatives Schrifttum (afas), Münzstraße 37–43 in 47051 Duisburg-Mitte[31][32][33][34][35]
Münster
- Umweltzentrum-Archiv, Münster[36][37] Die Bestände des Umweltzentrum-Archivs Münster wurden 2011 dem afas in Duisburg angegliedert[38]
Osnabrück
Köln
- TtE-Bücherei, Alte Feuerwache, Melchiorstraße 3, 50670 Köln[41]
Frankfurt Main
- Archiv im Exzess, Leipzigerstr. 91, 60487 Frankfurt Main
Mannheim
- Lesbisch-Schwule Geschichtswerkstatt Rhein-Neckar, c/o QZM - Queeres Zentrum Mannheim, G 7,14, 68161 Mannheim[42]
Tübingen
- Bildungszentrum und Archiv zur Frauengeschichte Baden-Württembergs, Rümelinstr. 2, 72070 Tübingen[43]
Freiburg
München
- Antifaschistische Informations-, Dokumentations- und Archivstelle München e. V. (a.i.d.a.) Postfach 400 123 80701 München
Unterhaching
- Gruppe 2, Fasanenstraße 142, 82008 Unterhaching (bei München) (dieses Archiv wurde 2000 als „Staatsschutzprojekt“ enttarnt)[46]
Nürnberg
- Metropoletan-Archiv, Eberhardshofstr. 11 HH, 90429 Nürnberg[47]
Österreich
Wien
- Dokumentation lebensgeschichtlicher Aufzeichnungen am Institut für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte der Universität Wien (Schwerpunkt autobiografisches Material ländlicher Unterschichten)
Schweiz
Zürich
- Studienbibliothek zur Geschichte der Arbeiterbewegung, Quellenstr. 25, CH-8005 Zürich[48]
Niederlande
Amsterdam
Siehe auch
Literatur
- Philipp Mosch: In der Tradition der Opposition – Besuch im Berliner Matthias-Domaschk-Archiv. In: Gerbergasse 18. Thüringer Vierteljahresschrift für Zeitgeschichte und Politik. Heft 18, Jena 2000 ISSN 1431-1607
- Jürgen Müller, Roland Quester: Umweltbibliotheken-Wegweiser. 2000, ISBN 3-935046-00-6
- Bernd Hüttner: Archive von unten. Bibliotheken und Archive der neuen sozialen Bewegungen und ihre Bestände. Verlag AG SPAK, Neu-Ulm 2003, ISBN 3-930830-40-X[50]
- Jürgen Bacia, Dorothée Leidig: Geschichte von unten im Abseits. Plädoyer für die Stärkung freier Archive. In: Der Archivar. 2006, H. 2 ISSN 0003-9500 S. 166–172
- Jürgen Bacia, Cornelia Wenzel: Bewegung bewahren. Freie Archive und die Geschichte von unten. Archiv der Jugendkulturen, Berlin 2013, ISBN 978-3-943774-18-4
Weblinks
- bewegungsarchive.de
- Rubrik Archive von unten im Weblog ARCHIVALIA
- Umweltbibliotheken
- i.d.a.-Dachverband deutschsprachiger Frauen/Lesbenarchive
- Datenbank der Kooperation Dritte Welt Archive
- Sammeln, sortieren, ablegen Unabhängige Archive und Bewegungsgeschichtsschreibung in arranca 44
- 41 Prozent aller Bewegungsarchive befinden sich in nur zehn Städten. Wo gibt es Archive sozialer Bewegungen - ein Nachtrag ( vom 25. April 2009 im Internet Archive) von Bernd Hüttner
- Archive von unten bei Archivalia
- Geschichte von unten
- Dataspace, Datenbank für linke, alternative, graue Literatur. Rubriken: Zeitschriften, Bücher; auch fremdsprachliche
Fußnoten und Einzelnachweise
- ↑ Dataspace
- ↑ Infoladen
- ↑ Zur staatlichen Historisierung rechter Gewalt
- ↑ Gemeinsam stärker: Feministische Archive schließen sich zusammen, 7.11 Minuten Audio-Version Gespräch mit Lisa Schug, Deutschlandfunk Kultur 4. April 2024
- ↑ Archiv³ Kooperation Dritte Welt Archive
- ↑ Sachsen, 2018
- ↑ Infoladen, Leipzig
- ↑ Thüringer Archiv für Zeitgeschichte
- ↑ Archiv der DDR-Opposition
- ↑ Archiv für Alternativkultur ( vom 30. November 2012 im Internet Archive)
- ↑ Archiv Grünes Gedächtnis
- ↑ Papiertiger
- ↑ Archiv des Forschungs- und Dokumentationszentrum Chile-Lateinamerika
- ↑ FFBIZ
- ↑ Daneben.de ( des vom 26. August 2016 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
- ↑ Schwules Museum
- ↑ Spinnboden Lesbenarchiv & Bibliothek e. V. | Hier lebt lesbische Geschichte. Abgerufen am 4. April 2023 (deutsch).
- ↑ Umbruch Bildarchiv
- ↑ Archivierte Kopie ( des vom 21. Dezember 2021 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
- ↑ Archiv der sozialen Bewegungen, Hamburg
- ↑ HIS
- ↑ https://www.archivbremen.de//start2.htm
- ↑ Archiv der sozialen Bewegungen, Bremen ( vom 24. April 2006 im Internet Archive)
- ↑ Archiv, Bibliothek und Forschungszentrum zur Geschichte der deutschen Frauenbewegung
- ↑ Gorleben-Archiv, Archiv des wendländischen Widerstands, mit über 70.000 Fotos sowie mehr als 480 Stunden Videomaterial
- ↑ FEM-Archiv Marburg ( vom 8. März 2019 im Internet Archive)
- ↑ Rezension zu „15 Jahre Feministisches Archiv Marburg“
- ↑ zdm online. Abgerufen am 28. April 2020 (Website ist verwaist seit 2011).
- ↑ Hartmut-Meyer-Archiv. Abgerufen am 21. März 2024. , regelmäßige Veröffentlichungen des HMA
- ↑ Projekt Archiv im Drucklufthaus. Archiviert vom (nicht mehr online verfügbar) am 24. Mai 2022; abgerufen am 5. November 2021. Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
- ↑ afas
- ↑ https://www.archive.nrw.de/archiv-fuer-alternatives-schrifttum-afas
- ↑ Archiv für alternatives Schrifttum in Duisburg „Gegenüberlieferung“ in Gefahr, Frank Bischoff im Gespräch mit Stefan Koldehoff, Deutschlandfunk 7. Dezember 2018
- ↑ https://www.geschichtskultur-ruhr.de/links/archiv-fuer-alternatives-schrifttum/
- ↑ Bestände des Rheinischen JournalistInnenbüros im Archiv für alternatives Schrifttum in Duisburg
- ↑ UWZ-Archiv
- ↑ Geschichte, Blüte und Scheitern des Münsteraner Umweltzentrum-Archivs
- ↑ https://uwz-archiv.de/Umweltzentrum-Archiv.7.0.html
- ↑ afas-Archiv ( des vom 23. Dezember 2016 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
- ↑ Aktionszentrum 3. Welt
- ↑ TTE-Bücherei
- ↑ Lesbisch-schwule Geschichtswerkstatt. Abgerufen am 25. Juli 2022 (deutsch).
- ↑ Willkommen bei baf e. V. Abgerufen am 25. Juli 2022 (deutsch).
- ↑ Archiv Soziale Bewegungen, Freiburg/Br.
- ↑ Archiv Soziale Bewegungen in Freiburg Das Gedächtnis der Protestbewegung, von Heinz Siebold, Stuttgarter Zeitung 28. Dezember 2014
- ↑ Gruppe 2 ( vom 26. September 2005 im Internet Archive)
- ↑ Metroproletan – Archiv & Bibliothek. In: redside. Archiviert vom (nicht mehr online verfügbar) am 25. Juli 2022; abgerufen am 25. Juli 2022. Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
- ↑ Studienbibliothek in Zürich
- ↑ ID-Archiv ( vom 27. September 2006 im Internet Archive)
- ↑ Buchanzeige ( vom 14. Mai 2006 im Internet Archive)