Andreas Harsch (* um 1554 in Herbertingen; † 1612 in Holzhausen, heute Gemeinde March (Breisgau)) war Jurist und Kanzler der vorderösterreichischen Regierung in Ensisheim. Er entstammte einfachen bäuerlichen Verhältnissen und gilt nach aktuellem Stand der Heimatforschung als erste akademisch graduierte Person Herbertingens in der damals 700-jährigen Geschichte[1]. In seiner Laufbahn nahm er leitende Funktionen in der Regierung von Vorderösterreich ein und wurde später Ortsherr von Holzhausen sowie Ober- und Unterreute, heute Reute (Breisgau). Als Ortsherr und Träger eines Wappenbriefs zählte er zum Niederadel der habsburgischen Vorlande.
Herkunft und Familie
Andreas Harsch wurde um 1554 in Herbertingen im heutigen Landkreis Sigmaringen geboren. Er entstammte einfachen bäuerlichen Verhältnissen. Seine Eltern sind urkundlich nicht überliefert. Heimatgeschichtliche Nachforschungen zu den Herbertinger Geschlechternamen des 15. bis 17. Jahrhunderts konzentrieren sich jedoch auf den Stamm von Hans Harsch[2]. Dieser bewirtschaftete zu jener Zeit ein stattliches Lehen vom Spital Saulgau[3] in der Niessgasse (heute Nr. 7). Nachweisbar sind zwei jüngere Brüder, Michael (1561–1594) und Konrad (1565–1626) Harsch. Sie studierten ebenfalls an der Universität Freiburg, und zwar Theologie und Medizin. Ihnen galt zeitlebens das besondere Augenmerk von Andreas.
Studium in Freiburg und Dôle

Harsch immatrikulierte am 9. Oktober 1568[4] an der Universität Freiburg im Breisgau bei Professor Christoph Eliner[5][6], einem angesehenen Theologen aus dem nahegelegenen Meßkirch. Mit der Eintragung in die Matrikel der Universität wurde Andreas Harsch wie allen anderen Scholaren (Studenten) das akademische Bürgerrecht verliehen[7]. Damit unterstand er nicht der Gerichtsbarkeit der Stadt Freiburg, sondern ausschließlich der der Universität. Mit der Aufnahme in die Universität begann für Andreas Harsch ein Leben in zunächst nahezu klösterlicher Abgeschiedenheit unter Beachtung strengster Regeln[8]. Am 17. Januar 1570 verzeichnete er mit dem baccalaureus artium[9] einen ersten Erfolg. In der Folge mehrte er sein Wissen u. a. in den Fächern Logik, Rhetorik und Ethik. Diese Fächer erwiesen sich als bedeutsam für seine spätere Laufbahn. Zwei Jahre später, am 15. Februar 1572, folgte der akademische Grad Magister artium[10]. Dieser Abschluss war Voraussetzung für das von ihm angestrebte Studium der Rechte. Nach weiteren Semestern an der als „Drehkreuz für Karrierewege“ und als université de qualité bezeichneten Universität Dole promovierte er dort am 11. November 1579 zum Doctor iuris[11].
Verleihung Wappen und Satzbürgerrecht
1578 wurde den drei Brüdern von Wilhelm Böcklin von Böcklinsau (Pfalzgraf), Domprobst und Kaiserlicher Rat, in Anbetracht der Dienste, die er und seine Brüder Michael und Konrad Harsch Kaiser, Reich und dem Hause Österreich geleistet haben… in Freiburg ein Wappen verliehen: vorn in Gold zwei gekreuzte gestümmelte rote Baumäste, hinten in Rot, einwärts gekehrt, ein goldener Löwe[12]. Mit der Promotion 1579 zum Doctor jur. erfüllte Andreas die Voraussetzungen, um Satzbürger[13] der Stadt Freiburg im Breisgau zu werden. Dieses Recht konnten nur auswärtige Angehörige des Adels oder Gelehrte beantragen und erhalten. Es berechtigte die Inhaber u. a. zur eingeschränkten Berufsausübung, wie z. B. als Advokat innerhalb der Stadtgrenzen.
Regierungslaufbahn in Ensisheim

Nach vermutlich mehr als fünf Jahren Tätigkeit als Advokat belegen die Quellen spätestens am 26. Juni 1584 mit seiner Bestallung zum Kammerprokurator den Eintritt in die vorderösterreichische Regierung in Ensisheim[14]. Eine berufliche Neuorientierung, die ihn bis zum Erreichen seines Ruhestandes erfolgreich ausfüllte. Ein Jahr später wird er am 10. Mai 1585 vorderösterreichischer Kammerrat und am 10. Februar 1597 zum vorderösterreichischen Kanzler ernannt. Nun war er, mit nur 43 Jahren, am Ziel seiner beruflichen Wünsche. Er war das „haubt der canzley“ (Leiter der Kanzlei), damit verantwortlich für die Staatsfinanzen für um die 400.000 Einwohner Vorderösterreichs im Elsass, dem Sundgau und Breisgau sowie für den vorderösterreichischen Teil des Schwarzwaldes. Untergeordnet war er einzig dem Landvogt und der Regierung in Innsbruck in grundsätzlichen Fragen.
Heirat und soziales Netzwerk
Um 1590 heiratete Andreas Harsch Anna Schütz[15] aus Traubach (F), die Tochter des verstorbenen Dr. Johann Ulrich Schütz († 1582). Schütz war ein angesehener Akademiker der Universität Freiburg[16][17] und diente später als Regierungsrat der vorderösterreichischen Regierung in Ensisheim (1563–1582).

Bereits vor der Eheschließung bewegte sich Harsch sicher in gehobenen Gesellschaftskreisen. Es ist daher nicht auszuschließen, dass er schon vor 1584 Kontakte zur Familie Schütz pflegte. Zugleich war Harsch über Jahrzehnte hinweg rechtlicher Vertreter der Nachkommen von Dr. Mathias Held († 1563/64), einem kaiserlichen Rat und seit 1549 Inhaber der Ortsherrschaft über Holzhausen, Ober- und Unterreute.
Nach Helds Tod vertrat Harsch dessen Söhne Philipp († vor 1575) und Andreas († 1599), beide Gelehrte an der Universität Freiburg und Inhaber der genannten Ortsherrschaft[18]. Ab 1599 vertrat er die Schwester der beiden, Margarethe Held, die in diesem Jahr ihren Bruder beerbt hatte. Im Jahr 1604 – vermutlich dem Jahr ihres Todes – verkaufte sie die Herrschaft über die drei Dörfer an Andreas Harsch[19].
Ortsherrschaft und Adel

1604 wurde Andreas Harsch Ortsherr von Holzhausen, Nieder- und Oberreute. Er bezog mit seiner Familie das Schloss in Oberreute, wo er bis zu seinem Tod 1612 wohnte. Der Erwerb dieser Herrschaft scheint angesichts der Tatsache, dass er bereits 1597 österreichische Lehen in Holzhausen erworben hatte[20], keine spontane Entscheidung gewesen zu sein, sondern von langer Hand vorbereitet. Darauf verweisen auch seine frühen und offenbar gewinnträchtigen Beteiligungen (1587) an den Silberminen in Rosenberg (Sundgau)[21] und Assel (Auxelles-Bas), die ihm den Erwerb der Herrschaft über drei Dörfer finanziell wahrscheinlich erst ermöglichten.
Neben der Ortsherrschaft war Andreas Harsch durch die Ehe mit Anna Schütz mit der Veste Wieladingen, Burg Namsheim (Hotzenwald) belehnt. Aus seiner Zeit in Holzhausen ist nicht viel bekannt. Ein Anliegen war ihm die Renovierung der verfallenen Buchsweiler Kapelle[22]. im Jahre 1605, die er finanziell unterstützte. Nach seinem Tod 1612 fiel die Herrschaft, da seine Ehe kinderlos war, an seinen Bruder Konrad Harsch[23]. Sein Bruder Michael war 1594 als Pfarrer der Pfarrei St. Agnes in Eschbach (Markgräflerland) verstorben[24].
Tod und Nachwirkungen
Andreas Harsch starb 1612, im Alter von ungefähr 58 Jahren[25] in Oberreute. Sein beachtenswertes Schicksal vom einfachen, oberschwäbischen Bauernsohn zum vorderösterreichischen Kanzler und Mitglied des Breisgauer Ritterstandes spiegelt einen für Herbertingen seltenen sozialen Aufstieg in der Frühen Neuzeit wider. In seiner Heimat vergessen, zeugen andernorts bis heute zahlreiche Erinnerungen an dieses, wie es der renommierte Sprach- und Familiennamenforscher und Ehrenbürger der Stadt Bad Saulgau Josef Karlmann Brechenmacher (1877–1960) im 3. Riedlinger Tagblatt 1939 Seite 60 in einem Aufsatz über die Herkunft und Häufigkeit des Familiennamens Harsch treffend formulierte: „Harsch - ein hochbegabtes Herbertinger Geschlecht“.
Quellen und Literatur
- E. E. Weber: „Herbertingen in der Frühen Neuzeit“, in: Heimatbuch Herbertingen 854–2004, Gemeinde Herbertingen, 2004.
- Melanie Schranz in „Zwischen Freud und Leid - Leben und Sterben in der Frühen Neuzeit auf der Schwäbischen Alb“; Dissertation zur Erlangung des Grades Doktor der Naturwissenschaften, Mainz, 2014
- Thomas Steffens: „Dorf, Herrschaft und Besitz im Mittelalter und in der frühen Neuzeit“, in: HOLZHAUSEN – Ein Dorf der March, 1. Auflage, Gemeinde March 1995.
- Ursula Huggle: „Leben auf dem Dorf in vorderösterreichischer Zeit“, in: HOLZHAUSEN – Ein Dorf der March, 1. Auflage, Gemeinde March 1995.
- Thomas Steffens: „Zur Geschichte von Buchsweiler“, in: HOLZHAUSEN – Ein Dorf der March, 1. Auflage, Gemeinde March 1995.
- Ursula Huggle: 1200 Jahre Eschbach – Beständigkeit und Wandel.
- Franz Xaver Kraus: Die Kunstdenkmäler des Großherzogthums Baden, Freiburg 1887, Akademische Verlagsbuchhandlung J. C. B. Mohr (Paul Siebeck).
- Landesarchive Baden-Württemberg: Generallandesarchiv Karlsruhe; Staatsarchiv Freiburg; Staatsarchiv Sigmaringen.
- LEO-BW: Eintrag zu March (Breisgau)|Holzhausen.
- Dieter Speck: „Die vorderösterreichische Regierung in Ensisheim und ihre Kanzler (1510–1632)“, in: Gerhard Fritz und Daniel Kirn (Hrsg.): Florilegium Suevicum. Beiträge zur süddeutschen Landeskunde – Festschrift für Franz Quarthal zum 65. Geburtstag, Band 12, Jan Thorbecke Verlag.
- Johann Mayer (Bearb.): Universitätsmatrikel Freiburg, Band 1 und 2.
- Kaspar Gubler: „Universitas Dolana: Juristen- und Transituniversität im Land der Legisten (1498–1601)“, in: ders.: Gelehrte Lebenswelten im 15. und 16. Jahrhundert, vdf Hochschulverlag AG an der ETH Zürich, 2018.
- Alfred Graf von Kageneck: Zur Geschichte des Breisgauer Adels, in: Schriftenreihe „Schauinsland“, 1968, Universitätsbibliothek Freiburg.
- J. Kindler von Knobloch: Oberbadisches Geschlechterbuch, Band 1, Heidelberg: Carl Winter’s Universitätsbuchhandlung, 1894, S. 537 ff.
- Fr. Cast: Süddeutscher Adelsheros oder Geschichte und Genealogie des Adels im Großherzogtum Baden, zweite Section, Erster Band, Stuttgart: J. F. Cast’sche Buchhandlung, 1845.
- Helmut Brand: Andreas Harsch – Jurist, Kanzler und Ortsherr 1554–1612, Schwäbischer Albverein e. V., OG Herbertingen (Hg.), 2021.
- Eigene Recherchen von Helmut B., Herbertingen, auf Basis von Archivakten, Universitätsmatrikeln und familiengeschichtlichen Quellen (Excel-Dokumentation 1982–2025).
Einzelnachweise
- ↑ Helmut B.: Erfassung und Auswertung der Universitätsmatrikel Freiburg, Tübingen, Heidelberg und Dillingen 15. - 17. Jahrhundert
- ↑ Helmut B.: Sammlungen zur Ortsgeschichte; Erfassung und Auswertung aller örtlichen Geschlechternamen im 14. - 17. Jahrhundert anhand der verfügbaren schriftlichen Quellen
- ↑ Das ehemalige Gotteshaus-Spital zum Heiligen Geist im heutigen Bad Saulgau, eine soziale Einrichtung u. a. für Krankenpflege, Hospiz und Waisenhaus
- ↑ Dr. Johann Mayer, Matrikel der Universität Freiburg Band I.2, Seite 506
- ↑ Horst Ruth in „UNIVERSITÄTSARCHIV DER ALBERT-LUDWIGS-UNIVERSITÄT FREIBURG I.BR. Bestand A 21 Rektorat, Prorektorat und Dekanat 1570-1893, Seiten 8 ff
- ↑ Dr. Johann Mayer, Matrikel der Universität Freiburg Band I.2, Seite 316; Eliner war seit 1553 Besitzer des „Hauses zum Rappen“ - südliche Parallelstraße zum Münsterplatz, heute Schusterstr. 17 in Freiburg. Es kann davon ausgegangen werden, dass er darin auch seine Schüler und damit auch Andreas unterrichtete
- ↑ Dr. Johann Mayer, Matrikel der Universität Freiburg Band I Einleitung Blatt XXVII Seite 11
- ↑ Peter Kalchthaler am 15. August 2011 in „Die Alte Universität am Franziskanerplatz“
- ↑ Dr. Johann Mayer, Matrikel der Universität Freiburg Band I.2, Seite 506
- ↑ Dr. Johann Mayer, Matrikel der Universität Freiburg Band I.2, Seite 506
- ↑ Dr. Johann Mayer, Matrikel der Universität Freiburg Band I.2, Seite 506
- ↑ Stadtarchiv Freiburg Findbuch U 101/1
- ↑ ZUM – Landeskunde Schwaben: Satzbürger. Abgerufen am 17. Juni 2025.
- ↑ Dieter Speck in „Die vorderösterreichische Regierung in Ensisheim und ihre Kanzler (1510 - 1632) in „Florilegium Suevicum“, Seite 55 ff
- ↑ Dieter Speck: Tiroler Landesarchiv Kopb. j.R. An Dht. 1590 Fol. 1590 rfM
- ↑ Dr. Johann Ulrich Schütz von Traubach ist 1554/55 an der Universität Freiburg als „Johannes Ulrich Schütz“ verzeichnet.
- ↑ „Johannes Ulrich Schütz“, Matrikelblatt fol. 91 (1554/55), Digitale Matrikelblätter, Universitätsbibliothek Freiburg, Deutsche Digitale Bibliothek, abgerufen am 17. Juni 2025.
- ↑ Margarete Klingenberg 1997, Bestand B 105 Studienstiftungen 1496 - 1964, Universitätsarchiv Freiburg
- ↑ Dieter Speck in „Die vorderösterreichische Regierung in Ensisheim und ihre Kanzler (1510 - 1632)
- ↑ Thomas Steffens in „Holzhausen Ein Dorf der March“ im Beitrag Dorf, Herrschaft und Besitz im Mittelalter und in der frühen Neuzeit“, Seite 41 „Die Harsch von Holzhausen und Reute“
- ↑ Der Sundgau ist eine historische Landschaft im südlichen Elsass, südwestlich von Mülhausen. Im 16. Jahrhundert gehörte er zum habsburgischen Vorderösterreich und war durch Bergbau, Fischzucht und Landwirtschaft geprägt
- ↑ Zur Geschichte der Buchsweiler Kapelle vgl. Thomas Steffens: „Holzhausen – Ein Dorf der March“, S. 367
- ↑ Thomas Steffens in „Holzhausen Ein Dorf der March“ im Beitrag Dorf, Herrschaft und Besitz im Mittelalter und in der frühen Neuzeit“, Seite 41 ff. „Die Harsch von Holzhausen und Reute“
- ↑ Thomas Steffens in „Holzhausen Ein Dorf der March“ im Beitrag Dorf, Herrschaft und Besitz im Mittelalter und in der frühen Neuzeit“, „Die Harsch von Holzhausen und Reute„Seite 42
- ↑ Melanie Schranz in „Zwischen Freud und Leid - Leben und Sterben in der Frühen Neuzeit auf der Schwäbischen Alb“, Seite 342: … lediglich 11,1 % … der ausgewerteten Todesfälle erreichten das 60. Lebensjahr; abgerufen auf: https://openscience.ub.uni-mainz.de/, zuletzt 19. Juni 2025
Weblinks
- Schwäbischer Albverein Herbertingen e. V. – Verein des Autors, engagiert in der Heimatforschung
- Offizielle Seite der Gemeinde March – Ortsteil Holzhausen
- Offizielle Seite der Stadt Ensisheim (französisch)
Personendaten | |
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NAME | Harsch, Andreas |
KURZBESCHREIBUNG | Jurist und Kanzler der vorderösterreichischen Regierung in Ensisheim |
GEBURTSDATUM | um 1554 |
GEBURTSORT | Herbertingen |
STERBEDATUM | 1612 |
STERBEORT | Holzhausen, heute Gemeinde March (Breisgau) |