Die Albanosphäre (albanisch Albanosfera) ist eine Bezeichnung für den panalbanischen Kommunikations- oder Kulturraum, den gemeinsamen wirtschaftlichen, kulturellen, medialen und politischen Austausch zwischen den Albanern unabhängig von ihrem Wohnsitzstaat. Von einigen Autoren werden nebst den Albanern in ihrem angestammten Siedlungsraum (Albanien, Kosovo, Nordmazedonien, Südserbien, Montenegro) auch einige oder alle Albaner der Diaspora (insbesondere West- und Mitteleuropa, Italien, Griechenland und die USA) dazugezählt.[1][2]
Früher war der Austausch zwischen den Albanern in den einzelnen Ländern sehr bescheiden.[3] Es fehlten nicht nur Verkehrswege, sondern die Einreise nach, die Ausreise aus und das Reisen im kommunistischen Albanien waren kaum möglich wie auch die Kommunikation mit Albanien.[4] Seit 1991 hat sich die albanische Gemeinschaft aber immer stärker über Grenzen verbunden.[5] Zwischenzeitlich sind insbesondere die Straßen von und nach Albanien besser (vgl. „Straße der Nation“),[3] so dass die Zentren des albanischen Siedlungsraums nur noch wenige Stunden Fahrzeit auseinander liegen und der Personen- und Güterverkehr rasch erfolgen kann. Zudem werden die albanischen Medien (elektronische Medien, Fernsehen) auch außerhalb Albaniens genutzt, und es entstand eine Vielzahl an Medien, die sich an Albaner in der ganzen Welt richten.[6] Dies führte mitunter zu gesellschaftlichen und politischen Ansichten, die von einer Mehrheit der Albaner unabhängig von ihrem Wohnsitz mitgetragen werden.[7]
„Die Medienrevolution des Internets hat die räumlich verstreute Sprach- zu einer panalbanisch geprägten Kommunikationsgemeinschaft zusammengefügt.“
Alle Albaner identifizieren sich mit der Flagge Albaniens, die überall zu sehen ist, wo Albaner leben.[3] Auch der Sport – zahlreiche Kosovo-Albaner treten in albanischen Nationalmannschaften an – trägt dazu bei, eine allalbanische Identität zu schaffen. Ähnliches gilt auch für Gesangswettbewerbe wie den Eurovision Song Contest, bei dem Kosovarinnen Albanien vertraten.[8][9] Tirana wurde zur „kulturellen Hauptstadt“ aller Albaner.[10] Der Austausch in der Albanospähre prägt auch gemeinsame Werte, wie zum Beispiel Rollenbilder.[11]
Die Albanosphäre bewegt sich parallel zum aufkommenden gesamtalbanischen Nationalismus.[12] Im Gegensatz zur politischen Forderung nach einem Großalbanien besteht die Albanosphäre bereits real über Grenzen hinweg.[13][14] Sie schließt aber auch politische bi- und multinationale Zusammenarbeit über die Grenzen auf verschiedenen Stufen ein.[1][6] Gerade die Regierungen Albaniens und Kosovos intensivieren ihre Beziehungen immer stärker, halten gemeinsame Ministertreffen ab und geben zum Beispiel gemeinsam Schulbücher für emigrierte Albaner heraus.[15][16] Zudem erklärt sich Tirana immer wieder als Fürsprecher aller Albaner, der sich für die Anerkennung Kosovos starkmacht oder auch die albanischen Parteien Mazedoniens zu einer Einigung drängt.[10]
Wie bei der Jugosphäre ist es aber nicht die Politik, sondern die Gesellschaft, die die Entwicklung vorantreibt.[17] Trotz allem wird die vertiefte Zusammenarbeit zwischen Albanern von den Nachbarn immer wieder mit großer Skepsis betrachtet.[18][10]
Der Begriff Jugosphäre wird Tim Judah zugeschrieben.[19] Obwohl damals vor allem Idee der Jugosphäre größere mediale Wahrnehmung erlangte,[20][21] hatte Tim Judah bereits in seinem ersten Artikel auch die Albanosphäre thematisiert.[4] Er hielt fest, dass die Albaner aus den jugoslawischen Nachfolgestaaten sich zum Teil in mehreren „Sphären“ bewegen würden, mitunter in der Jugosphäre und in der Albanosphäre.[22] Die Albanosphäre ist somit keine abgeleitete Analogie der Jugosphäre, wie mancherorts behauptet wird.[23]
Siehe auch
Einzelnachweise
- ↑ a b Andreas Ernst: USA und der Balkan: Rückkehr des «amerikanischen Freundes». In: Neue Zürcher Zeitung. Nr. 121, 27. Mai 2017, S. 5 (nzz.ch [abgerufen am 27. Mai 2017]).
- ↑ Douglas Muir: Some thoughts on Greater Albania, Part 2. In: A Fistful Of Euros. 20. April 2008, abgerufen am 28. Mai 2017 (englisch).
- ↑ a b c Cyrill Stieger: Nationalismus auf dem Balkan: Die Albaner rücken zusammen. In: Neue Zürcher Zeitung. 23. März 2013 (nzz.ch [abgerufen am 28. Mai 2017]): „Dabei wird die Nation auch von den Albanern, wie das überall auf dem Balkan üblich ist, meist ethnisch und nicht staatsbürgerlich definiert. Die Flagge Albaniens, der schwarze Doppeladler auf rotem Grund, weht überall dort, wo Albaner leben. Die Identifikation mit der Nation überlagert jene mit dem Staat.“
- ↑ a b Tim Judah: The Yugosphere. In: Helsinki Committee for Human Rights in Serbia (Hrsg.): In Focus. 2. Juni 2009 (org.rs [abgerufen am 27. Mai 2017]).
- ↑ a b Oliver Jens Schmitt: Die Albaner: eine Geschichte zwischen Orient und Okzident (= Beck’sche Reihe. Nr. 6031). Beck, Nördlingen 2012, ISBN 978-3-406-63031-6, Epilog: Zwei albanische Staaten – transterritoriale albanische Gesellschaften (2011), S. 177.
- ↑ a b Andreas Ernst: Neues albanisches Selbstbewusstsein: Die optimistische Nation. In: Neue Zürcher Zeitung. 27. November 2012, ISSN 0376-6829 (nzz.ch [abgerufen am 28. Mai 2017]).
- ↑ Fatos Lubonja: The Acquittal of Ramush Haradinaj and Its Perception in the Albanosphere. In: Südosteuropa Gesellschaft e.V. (Hrsg.): Südosteuropa Mitteilungen. Nr. 2, 2013, S. 80–84.
- ↑ Dritan Sulçebe: Albania and Kosovo. In quest of a Common Future. Hrsg.: Albanian Institute for International Studies, Friedrich-Ebert-Stiftung. Friedrich-Ebert-Stiftung, Tirana 2016, S. 40 (aiis-albania.org [PDF; abgerufen am 27. Mai 2017]).
- ↑ Tim Judah: Singing for Kosovo. In: The Economist. 7. Januar 2012, abgerufen am 28. Mai 2017 (englisch).
- ↑ a b c Andreas Ernst: Der Künstler mit dem feinen Händchen für Politik: Edi Ramas Wahlsieg in Albanien ist eine Chance für den Balkan. In: Neue Zürcher Zeitung. 26. Juni 2017, S. 7 (nzz.ch [abgerufen am 30. Juni 2017]).
- ↑ Adem Ferizaj: Albanian rap and hyper-masculinity. In: openDemocracy.net 50.50. 14. Februar 2017, abgerufen am 28. Mai 2017 (englisch).
- ↑ Christian Mady: Aktuelle Forschungen zu Geschichte und Gesellschaft des Kosovo. Internationaler Workshop für Nachwuchswissenschaftler/innen. In: H-Soz-u-Kult. November 2013 (h-net.org [abgerufen am 27. Mai 2017]).
- ↑ Valerie Hopkins: The prickly job of being Tirana’s mayor. In: Prishtina Insight. 21. September 2016, abgerufen am 28. Mai 2017 (englisch).
- ↑ Douglas Muir: Some thoughts on Greater Albania, Part 1. In: A Fistful Of Euros. 7. April 2008, abgerufen am 28. Mai 2017 (englisch).
- ↑ Results of the joint meeting of Albania – Kosovo governments. In: European Western Balkans. 27. November 2017, abgerufen am 7. Juli 2019 (englisch).
- ↑ Altin Selimi: First meeting of the Albania-Kosovo Joint Commission for the approval of textbooks for Diaspora. In: Agjencia Kombëtare e Diasporës. 5. Juni 2019, abgerufen am 7. Juli 2019 (englisch).
- ↑ Andreas Ernst: In der Jugo-Sphäre wächst zusammen, was einst zusammengehörte. In: Neue Zürcher Zeitung. 12. September 2009 (nzz.ch [abgerufen am 27. Mai 2017]).
- ↑ Darko Janjevic: Greater Albania - bogeyman or a pipe dream? In: Deutsche Welle. 4. Mai 2017, abgerufen am 28. Mai 2017 (englisch).
- ↑ Ljubica Spaskovska: The "Yugo-sphere" (Edinburgh Centre for Commercial Law Blog, 28. September 2009) ( vom 18. Januar 2012 im Internet Archive)
- ↑ Tim Judah: Entering the Yugosphere. In: The Economist. 20. August 2009 (economist.com [abgerufen am 28. Mai 2017]).
- ↑ Andreas Ernst: Die Geburt der «Jugosphäre». In: Neue Zürcher Zeitung. 1. Februar 2010 (nzz.ch [abgerufen am 28. Mai 2017]).
- ↑ Tim Judah: Good news from the Western Balkans: Yugoslavia is Dead. Long live the Yugosphere. Hrsg.: London School of Economics and Political Science (= LSEE Papers on South Eastern Europe). London November 2009, S. 21 (lse.ac.uk [PDF; abgerufen am 28. Mai 2017]).
- ↑ Jani Korhonen, Maxim Makartsev, Milica Petruševska, Ljudmil Spasov: Ethnic and linguistic minorities in the border region of Albania, Greece, and Macedonia: An overview of legal and societal status. In: Maxim Makartsev, Max Wahlström (Hrsg.): Slavic Helsingiensia. Nr. 49. Helsinki 2016, ISBN 978-951-51-2520-0, S. 35 (helsinki.fi [PDF; abgerufen am 28. Mai 2017]).