
Der Euronotruf ist ein gebĂŒhrenfreies, in Europa lĂ€nderĂŒbergreifendes Notrufsystem, das unter der Rufnummer 112 erreichbar ist.
Funktionsweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Unter der Rufnummer 112 ist eine Leitstelle zu erreichen, die je nach Notfall die zustÀndigen Organisationen wie Feuerwehr, Rettungsdienst oder Polizei alarmiert. Die Leitstellen sollen in der Lage sein, Notrufe in verschiedenen Sprachen bearbeiten zu können.
Bei einem Notruf wird dem Leitstellendisponenten immer die Telefonnummer des Anrufers angezeigt, selbst wenn dieser im Telefon eingestellt hat, dass die Rufnummernanzeige unterdrĂŒckt wird.[1] Das technische Verfahren hierzu wird durch ein vermittlungstechnisches Leistungsmerkmal namens CLIRO realisiert.
LĂ€nder
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Euronotruf gilt in der EuropĂ€ischen Union, Andorra, Belarus[2], FĂ€röer-Inseln, GroĂbritannien, Island, Kosovo, Liechtenstein, Norwegen, San Marino, Schweiz, TĂŒrkei, Ukraine, Vatikanstadt,[3] Bosnien und Herzegowina[4] und in Russland.[5] AuĂerdem wird die Notrufnummer in einigen asiatischen LĂ€ndern wie Israel oder Kasachstan[6] und afrikanischen LĂ€ndern wie Simbabwe und teilweise in SĂŒdafrika angewendet. In Kanada und den Vereinigten Staaten wird beim WĂ€hlen der 112 der Anruf auf die Notrufnummer 9-1-1 des Nordamerikanischen Nummerierungsplans weitergeleitet. Auch einige lateinamerikanische LĂ€nder kennen die 112, zum Beispiel Costa Rica. DarĂŒber hinaus wird sie auch in LĂ€ndern des pazifischen Raumes verwendet, wie beispielsweise in Australien, Neuseeland und in Vanuatu.
Neben dem Euronotruf können nationale Notrufnummern weiterhin gĂŒltig sein. In Ăsterreich beispielsweise wird der Euronotruf 112 ebenso wie der Polizeinotruf (133) von den 9 Landesleitzentralen der Polizei entgegengenommen, wobei der Feuerwehrnotruf (122) und der Rettungsnotruf (144) weiterhin so zu verwenden sind.[7]
Besonderheiten bei der Handybenutzung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Anfangs war bei einem Mobiltelefon der Euronotruf meist ohne eingelegte SIM-Karte, Eingabe des PIN-Codes oder Aufhebung der Tastensperre wĂ€hlbar. WĂ€hrend es beispielsweise in Ăsterreich nach wie vor möglich ist[8], muss fĂŒr diese Funktion wegen hĂ€ufigen Notrufmissbrauchs in den GSM-Netzen von Belgien, Bulgarien, Deutschland, Kroatien, Frankreich, RumĂ€nien, der Schweiz, Slowenien und GroĂbritannien eine SIM-Karte eingelegt sein. In Deutschland ist durch die Verordnung ĂŒber Notrufverbindungen[9] das Herstellen von Notrufverbindungen ohne betriebsbereite SIM-Karte seit dem 1. Juli 2009 nicht mehr möglich.[10] Hat das Mobiltelefon keinen Empfang im Netz der eigenen SIM-Karte, wird automatisch ĂŒber ein fremdes Netz vermittelt. Ein solcher Notruf hat im Mobilfunknetz PrioritĂ€t, nötigenfalls wird eine andere Verbindung getrennt.[11] Diese Priorisierung gilt fĂŒr andere Notrufnummern meist nicht, wie beispielsweise fĂŒr die Polizeirufnummer 110 in Deutschland.
Der Euronotruf 112 ist Systembestandteil der GSM-Spezifikation und weltweit bei allen GSM/UMTS/LTE-Mobiltelefonen als Notrufnummer nutzbar.
Bekanntheit des Notrufs 112 als europaweite Notrufnummer
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Das EuropĂ€ische Parlament stellte im Jahr 2007 fest, dass der Euronotruf als europaweit gĂŒltige Notrufnummer 112 viel zu wenig bekannt sei, und forderte deshalb, die Vorteile der einheitlichen Notrufnummer sichtbarer zu machen.[12] Diese Feststellung wurde durch das seit 2008 regelmĂ€Ăig erstellte Eurobarometer zum Euronotruf 112 bestĂ€tigt: Im EU-Durchschnitt war im Jahr 2008 demnach nur 22 % der Bevölkerung bekannt, dass die 112 EU-weit gilt. In Deutschland waren dies nur 12 %.[13] Die geringe Bekanntheit der europaweiten GĂŒltigkeit der 112 bestĂ€tigte sich 2009 (EU-Durchschnitt 24 %, Deutschland 16 %)[14] und 2010 (EU-Durchschnitt 25 %, Deutschland 18 %) bei einem geringen absoluten Anstieg.[15] Die Bekanntheit als EU-weite Notrufnummer nahm bis zum Februar 2013 im EU-Durchschnitt auf 27 % zu und betrug in Deutschland 17 %.[16] Deutschland lag damit fĂŒr 2013 auf dem viertletzten Platz in der EU vor GroĂbritannien (13 %), Griechenland (7 %) und Italien (5 %). Die Bekanntheit als EU-weite Notrufnummer ist in Polen (57 %), der Slowakei (55 %) und Finnland (54 %) am höchsten. In Ăsterreich ist sie mehr als doppelt so hoch (37 %) wie in Deutschland.
EuropÀischer Tag des Notrufs 112
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Am 11. Februar 2009 beschlossen das EuropĂ€ische Parlament, der Rat der EuropĂ€ischen Union und die EuropĂ€ische Kommission gemeinsam die EinfĂŒhrung eines jĂ€hrlichen âEuropĂ€ischen Tags des Notrufs 112â, um den Euronotruf bekannter zu machen.[17] Der Euronotruftag wurde aufgrund der im Datum enthalten Notrufnummer auf den 11.2. (11. Februar) gelegt. Aufgrund der ErklĂ€rung des EuropĂ€ischen Parlaments zu der EuropĂ€ischen Notrufnummer 112 vom 25. September 2007[18] wurde der erste Tag des europaweiten Notrufs bereits am 11. Februar 2008 in Stuttgart durch verschiedene (Rettungs-)Organisationen begangen.
Die gemeinsame Notrufnummer hat eine mehrfach integrierende Funktion. Sie fĂŒhrt die Rettungsorganisationen (Rettungsdienste, Feuerwehren, polizeiliche Rettung) zusammen â in Deutschland in integrierten Leitstellen. Als gemeinsame Notrufnummer verbindet sie auch alle Rettungsorganisationen in der EU und ist dort ein Symbol fĂŒr die Kultur des Helfens. Die zunehmende Bekanntheit des Euronotrufs als gemeinsame Notrufnummer macht die 112 zum Symbol fĂŒr die EuropĂ€ische Union. Dazu kann auch der Euronotruftag beitragen.
Automatische Anruferortung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die vom EuropĂ€ischen Parlament und dem Rat der EuropĂ€ischen Union verabschiedete Richtlinie (EU) 2018/1972 beschreibt eine dem US-amerikanischen Vorbild des E911 folgende Anruferortung bei Anwahl der Notrufnummer 112.[19] Mit ihr werden die Mitgliedstaaten dazu verpflichtet, sicherzustellen, dass der Leitstelle Informationen zum Anruferstandort des Notrufenden bereitgestellt werden. In der Verordnung wird explizit âvom MobilgerĂ€t gewonnene Angaben zum Standort des Anrufersâ genannt.[19] Damit ist die satellitengestĂŒtzte Ortung des Smartphones oder des Kraftfahrzeugs gemeint, welche ĂŒber den quelloffenen Standard Advanced Mobile Location realisiert wird. Allerdings kommt auch die GSM-Ortung in Betracht, welche jedoch wegen technischer Grenzen ungenau und fehlerbehaftet ist.
Geschichte
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]In der Bundesrepublik Deutschland beschloss die MinisterprĂ€sidentenkonferenz am 20. September 1973 im Beisein des damaligen Bundeskanzlers Willy Brandt die bundesweite EinfĂŒhrung der Notrufnummern 110/112, die in den groĂen StĂ€dten schon ab 1956 eingefĂŒhrt worden waren.[20] Eine wichtige Rolle spielte dabei die Björn Steiger Stiftung, die nach dem achtjĂ€hrigen Björn Steiger benannt ist, der im Jahr 1969 nach einem Verkehrsunfall wegen fehlender zeitnaher und professioneller Hilfe starb.[21]
Die europaweite EinfĂŒhrung der 112-Notrufnummer wurde auf Vorschlag der EuropĂ€ischen Kommission 1991 vom EU-Ministerrat beschlossen[22] und seitdem vom EuropĂ€ischen Parlament und dem Ministerrat in zwei weiteren Gesetzgebungsverfahren konsolidiert. Inzwischen ĂŒbernahmen viele LĂ€nder auĂerhalb der EU dieses Konzept.
In Deutschland ist der Euronotruf gesetzlich in § 164 Telekommunikationsgesetz geregelt, in Ăsterreich in den §§ 17â22 KEM-V, wo er generell auf Landesleitstellen der Polizei geleitet wird.[23]
Missbrauch
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Ein vorsĂ€tzlicher Missbrauch des Euronotrufs ist, wie auch bei anderen Notrufnummern, in den meisten europĂ€ischen LĂ€ndern strafbar,[24] vgl. Missbrauch von Notrufen und BeeintrĂ€chtigung von UnfallverhĂŒtungs- und Nothilfemitteln und Notruf#Missbrauch.
Probleme in GrenznÀhe
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]In GrenznĂ€he kann es bei Nutzung eines Mobiltelefons dazu kommen, dass der Notruf ins Nachbarland verbunden wird. So soll laut Zeitungsbericht der Passauer Neue Presse im Jahr 2019 in Neuburg am Inn wegen eines Arbeitsunfalls der Euronotruf gewĂ€hlt worden sein, aber die Verbindung sei zur österreichischen Polizei hergestellt worden, welche sich fĂŒr nicht zustĂ€ndig erklĂ€rt habe und auch nicht zur Zentrale in Passau verbinden konnte.[25]
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- â § 4 der Verordnung ĂŒber Notrufverbindungen (Gesetze im Internet)
- â ĐĐŽĐžĐœŃĐč ĐœĐŸĐŒĐ”Ń ĐČŃĐ·ĐŸĐČа ŃĐșŃŃŃĐ”ĐœĐœŃŃ ŃĐ»Ńжб "112". 20. Dezember 2019, abgerufen am 25. Januar 2024.
- â Michael Kerzel: Bei Brand in Bulgarien oder Verkehrsunfall im Vatikan. In: Diplomatisches Magazin. Februar 2012, archiviert vom (nicht mehr online verfĂŒgbar) am 16. Juni 2018; abgerufen am 13. April 2018.
- â Notrufe in Europa. In: feuerwehr.reutlingen.de. Feuerwehr Reutlingen, ehemals im (nicht mehr online verfĂŒgbar); abgerufen am 21. Dezember 2023. (Seite nicht mehr abrufbar. Suche in Webarchiven)
- â Wichtige Adressen in Russland. rastlos.com; abgerufen am 4. Juli 2013
- â Wichtige Adressen in Kasachstan. rastlos.com; abgerufen am 4. Juli 2013
- â Notrufe zum Herbeiholen von Hilfe. ( vom 10. Juli 2016 im Internet Archive) Niederösterreichischer Zivilschutzverband; abgerufen am 10. Juli 2016.
- â Notrufe auf der Seite der Rundfunk und Telekom Regulierungs-GmbH abgerufen am 21. Juni 2019
- â Verordnung ĂŒber Notrufverbindungen (Gesetze im Internet)
- â Bald keine Handy-Notrufe ohne SIM-Karte mehr. Golem.de, 13. Februar 2009
- â Kommunizieren im Dunkeln â Telefon und Internet bei Stromausfall. In: cât, 9/08
- â ErklĂ€rung des EuropĂ€ischen Parlaments zu der EuropĂ€ischen Notrufnummer 112, vom 25. September 2007
- â Flash Eurobarometer Nr. 228, The European Emergency Number 112 â Summary, vom 11. Februar 2008, S. 12 (PDF; 699 kB)
- â Flash Eurobarometer Nr. 262, The European Emergency Number 112 â Summary, vom 11. Februar 2009, S. 11 (PDF; 560 kB)
- â Flash Eurobarometer Nr. 285, The European Emergency Number 112 â Analytical report, vom 11. Februar 2010, S. 29 (PDF; 6,5 MB)
- â Flash Eurobarometer Nr. 368, The European Emergency Number 112 â Summary, vom 11. Februar 2013, S. 7
- â Gemeinsame DreiererklĂ€rung ĂŒber die EinfĂŒhrung eines âEuropĂ€ischen Tag des Notrufs 112â. (PDF)
- â ErklĂ€rung des EuropĂ€ischen Parlament zu der EuropĂ€ischen Notrufnummer 112
- â a b Richtlinie (EU) 2018/1972 des EuropĂ€ischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2018 ĂŒber den europĂ€ischen Kodex fĂŒr die elektronische Kommunikation, abgerufen am 10. Juli 2019
- â Geschichte der Notrufnummer 112 â Wie die Björn Steiger Stiftung den Notruf prĂ€gte. 2. November 2023, abgerufen am 13. Juli 2025.
- â 45 Jahre 110 und 112: Stiftung fordert bundesweite Standards. In: SĂŒddeutsche Zeitung. 19. September 2018, abgerufen am 21. August 2020.
- â 91/396/EWG: Entscheidung des Rates vom 29. Juli 1991 zur EinfĂŒhrung einer einheitlichen europĂ€ischen Notrufnummer
- â Euronotruf 112 auf der Seite des ĂZV abgerufen am 10. Februar 2019.
- â Hoax Calls to 112 are a waste the time and money of the emergency operators and can also be dangerous and a criminal offence in most countries. In: EU: Digital Single Market: Policy 112. Abgerufen am 23. MĂ€rz 2019
- â Tanja Rometta: Wenn der Notruf im Nachbarland landet. In: PNP.de (Passauer Neue Presse). 17. Dezember 2019, archiviert vom (nicht mehr online verfĂŒgbar); abgerufen am 18. Dezember 2019.
